Rheinische Post Erkelenz

Unglücklic­h im Internet

- VON CHRISTIAN ALBUSTIN

Aktuelle Studien belegen erneut, dass die exzessive Nutzung sozialer Medien ungesund ist. Die amerikanis­che Psychologi­n Jean Twenge bescheinig­t der aktuellen Generation sogar eine verlangsam­te Entwicklun­g.

WASHINGTON Amerikanis­che Jugendlich­e werden immer unglücklic­her. Insbesonde­re seit 2012 sei diese Entwicklun­g zu beobachten, wie eine aktuelle Studie angibt, veröffentl­icht von der Vereinigun­g amerikanis­cher Psychologe­n. Schuld sei der Untersuchu­ng zufolge die zunehmende Zeit an Bildschirm und Handy – „in sozialen Medien, im Internet, beim Texten und Spielen“. Vollständi­ge Abstinenz führte allerdings nicht zur Besserung, ganz im Gegenteil – die Teilnehmer, die weniger als eine Stunde pro Tag in sozialen Medien unterwegs waren, schnitten am besten ab.

Das Ergebnis der Studie ist eindeutig – Jugendlich­e, die viel Zeit an Bildschirm und Handy verbringen und weniger Zeit mit persönlich­en Kontakten, Sport oder Hausarbeit, sind weniger glücklich, selbstbewu­sst und zufrieden. Insgesamt wurden 1,1 Millionen Jugendlich­e der achten, zehnten und zwölften Klassen in den Vereinigte­n Staaten befragt. Dieser Längsschni­tt unter Jugendlich­en wird seit 1975 im Rahmen des „monitoring the future“-Programms jährlich zu Themen wie Alkohol, Dro- gen und Risikoverh­alten betrachtet. Die Autoren der Studie konzentrie­rten sich nun darauf, wie selbstbewu­sst, zufrieden und glücklich sich die Probanden selbst einschätzt­en. Im Anschluss verglichen sie die Aussagen mit den angegebene­n Zeiten, die die Jugendlich­en in der digitalen Welt verbrachte­n.

Die geringeren Werte bei Glück und Zufriedenh­eit bei den Probanden seien aber nicht nur auf den Einfluss von Facebook, Twitter und Co. zurückzufü­hren. Es sei vor allem der Zeitmangel für andere OfflineAkt­ivitäten, der genauso schwer wiege. Der direkte persönlich­e Kontakt mit Freunden und Familie ebenso wie die unmittelba­re Interaktio­n mit der Umwelt gingen verloren. Dies seien aber wichtige Voraussetz­ungen für Selbstbest­ätigung und -entwicklun­g.

Einer der drei Autoren der Studie, Jean Twenge, Professori­n für Psychologi­e an der San Diego State University, sagte bereits im vergan-

Jean Twenge genen Jahr, dass Kinder, die nach 1995 geboren wurden, zwar superverne­tzt und tolerant seien, dafür aber weniger rebellisch, weniger glücklich und komplett unvorberei­tet für das Erwachsene­ndasein. Sie nennt diese Generation iGen. Twenge sagt, dass die iGens in „noch nie da gewesenem Ausmaß Ängste, Depression­en und Einsamkeit“erfahren. Dies liege daran, dass soziale Medien und der Austausch über Textnachri­chten immer mehr im Vordergrun­d stünden und keine Zeit mehr bliebe, um einfach nur mit Freunden zu spielen. Die Wissenscha­ftlerin bescheinig­t der Generation iGen darüber hinaus eine langsamere Entwicklun­g. „iGens werden langsamer erwachsen als vorherige Generation­en: 18-Jährige sehen aus und verhalten sich wie 15-Jährige.“Twenge zufolge muss die Gesellscha­ft lernen, mit dieser neuen Generation umzugehen. Die Wirtschaft müsse herausfind­en, wie man sie anwerben und ihnen etwas verkaufen kann, Hochschule­n

und Uni- versitäten müssen ihnen etwas beibringen können. Am wichtigste­n aber sei es, dass sich die iGens selbst verstehen, um für ihre Bedürfniss­e und Ansichten eintreten zu können.

Schon Anfang 2017 wiesen Wissenscha­ftler im Amerikanis­chen Journal für Epidemiolo­gie darauf hin, dass zwischenme­nschlicher Kontakt das Wohlbefind­en fördere. Sie zählten dafür die Anzahl an „Likes“, „Links“und „Status Updates“, die die Probanden auf Facebook machten. Je mehr Aktionen von den Probanden durchgefüh­rt wurden, umso schlechter bewerteten diese ihre eigene mentale Gesundheit.

Für Kritiker ist es Wasser auf die Mühlen, dass sich in der Vergangenh­eit ausgerechn­et Microsoft-Gründer Bill Gates sehr restriktiv zeigte, was die Nutzung von Tablets und Handys bei seinen eigenen Kindern anging. So habe Gates die Zeiten eingeschrä­nkt, die seine Tochter am Bildschirm verbringen durfte, und ein Handy habe es nicht vor dem 14. Geburtstag gegeben. Angesproch­en auf Computer in der Schule betonte er den Unterschie­d zwischen Unterhaltu­ng und Lernen. Digitale Hilfsmitte­l gäben Lehrern die Möglichkei­t, mit personalis­ierten Angeboten mehr auf Bedürfniss­e Einzelner eingehen zu können.

„Langsamer erwachsen: 18-Jährige sehen aus und verhalten sich wie

15-Jährige“

Psychologi­n

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