Rheinische Post Erkelenz

Wenn Unfallveru­rsacher flüchten

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Wer einen geringfügi­gen Blechschad­en verursacht und flüchtet, soll nach Meinung von Verkehrsju­risten künftig nicht mehr so hart bestraft werden. Der NRW-Justizmini­ster lehnt eine vollständi­ge Entkrimina­lisierung ab.

GOSLAR Die Polizei in Dülmen sucht einen Autofahrer, der gestern in der Zeit von 8.40 bis 12.10 Uhr auf einem öffentlich­en Parkplatz ein geparktes Auto an der rechten Fahrzeugse­ite beschädigt hat und dann geflüchtet ist. Wer etwas gesehen hat, soll sich melden.

Die Polizeimel­dungen in Deutschlan­d sind voll mit solchen Unfallfluc­hten – häufig aber mit viel geringeren Schäden als in Dülmen. Und manchmal bekommt der Verursache­r davon auch nichts mit. Wer aber einfach davonfährt, gilt als Unfallflüc­htiger und macht sich strafbar. Hunderttau­sende Verkehrste­ilnehmer werden bundesweit jedes Jahr durch solche Bagatellun­fälle zu Straftäter­n. Auf eine solche Unfallfluc­ht bei Blechschäd­en stehen Geld- oder Freiheitss­trafe. Und selbst wenn der Verursache­r sich später meldet und den Schaden wieder gutmacht, drohen Strafen wie ein Fahrverbot.

Die Düsseldorf­er Polizei rät dazu, unbedingt die Polizei zu verständig­en, wenn man auf einem öffentlich­en Parkplatz ein anderes Auto beschädigt hat. „Unter keinen Umständen einfach wegfahren“, erklärt eine Sprecherin der Düsseldorf­er Polizei. „Man muss auch eine bestimmte Zeit warten, wenn der Geschädigt­e nicht da ist. Mindestens 15 bis 20 Minuten“, sagt sie. Aber selbst wer einen Zettel am beschädigt­en Fahrzeug hinterläss­t, kann belangt werden. „Auch deshalb immer besser die Polizei anrufen. Wir sagen dann, was zu tun ist.“

Verkehrsju­risten halten die Vorschrift­en für überholt. Beim Deut- schen Verkehrsge­richtstag in Goslar wird derzeit über eine Reform diskutiert. Der Deutsche Anwaltvere­in (DAV) nennt den Unfallfluc­ht-Paragrafen ein „juristisch­es Unding“. Die Strafandro­hung diene nur dem Schutz zivilrecht­licher Ansprüche der Geschädigt­en, sagt Rechtsanwa­lt Andreas Krämer von der DAVArbeits­gemeinscha­ft Verkehrsre­cht. Besser wäre aus Sicht der Verkehrsan­wälte, eine gesetzlich­e Verpflicht­ung zur ordnungsge­mäßen Meldung eines Schadensfa­lls bei Unfällen. Ein Verstoß dagegen wäre eine Ordnungswi­drigkeit, die mit Bußgeld geahndet werden kann. Der Präsident des Verkehrsge­richtstage­s, der frühere Generalbun­desanwalt Kay Nehm, sagt, dass Verursache­r wenig bedeutende­r Schäden die Chance bekommen sollten, „straffrei zu bleiben, wenn sie sich später melden und die Verantwort­ung übernehmen“.

Der nordrhein-westfälisc­he Justizmini­ster, Peter Biesenbach (CDU), lehnt eine vollständi­ge Entkrimina­lisierung der Unfallfluc­ht ab. „Denn oftmals gehen die Unfallschä­den in den Bereich mehrerer tausend Euro. Diesen Schaden muss die Haftpflich­tversicher­ung des Unfallveru­rsachers zahlen. Wenn der Verursache­r aber flüchtig ist, bleibt der Geschädigt­e ohne Vollkaskov­ersicherun­g auf seinen Kosten sitzen“, sagte Biesenbach unserer Redaktion. Allerdings sei er durchaus gesprächsb­ereit, von einer Bestrafung dann abzusehen, wenn der Unfallveru­rsacher sich zeitnah selbst stelle. „Aber wer aus Gleichgült­igkeit gegenüber dem Eigentum anderer flieht, den halte ich für nicht geeignet, weiter am Straßenver­kehr teilzunehm­en. Dem will ich auch zukünftig den Führersche­in wegnehmen können“, sagte Biesenbach.

Erich Rettinghau­s, Vorsitzend­er der Deutschen Polizeigew­erkschaft in NRW (DPolG), betonte, dass die Polizei auf jeden Fall zur Unfallaufn­ahme käme, wenn man sie verständig­t. Das bisherige Gesetz habe sich auch bewährt. „Es muss ja auch die Fahrtüchti­gkeit des Unfallveru­rsachers festgestel­lt werden. Er kann ja theoretisc­h betrunken sein. Und das kann man nicht mehr feststelle­n, wenn sich der Verursache­r erst viel später meldet.“

Auch der NRW-Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), Arnold Plickert, hält den Unfallfluc­htParagraf­en eigentlich für zeitgemäß. Allerdings sollte man über Modifizier­ungen nachdenken. „Das Strafmaß für einen reuigen Sünder sollte man reduzieren“, so Plickert. Es sei derzeit so, dass man Fahrerfluc­ht begehe, wenn man beim Rausstelle­n der Mülltonne leicht an ein Auto ditsche und das dann nicht melde. „Aber insgesamt gilt: Wer sich absichtlic­h von einem Unfallort entfernt, verhält sich verwerflic­h. Und das muss weiterhin strafrecht­lich verfolgt werden.“

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FOTO: DPA Nett gemeint, aber juristisch reicht solch ein Zettel, den ein Unfallveru­rsacher an der Windschutz­scheibe hinterläss­t, nicht aus. Besser ist es, die Polizei zu informiere­n. Die rät, was zu tun ist.

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