Rheinische Post Erkelenz

Kunstpalas­t wird zum Kunstkaufh­aus

- VON ANNETTE BOSETTI

„Die Große“ist eine von der Künstlersc­haft organisier­te Schau in Düsseldorf. Seit 116 Jahren wird sie immer erfolgreic­her.

DÜSSELDORF Etwas Ähnliches sucht man anderswo in Deutschlan­d vergebens, eine über viele Etagen im Museum Kunstpalas­t ausgebreit­ete Ausstellun­g, in der man nicht nur schauen, sondern auch Kunst einkaufen kann. Schnäppche­n sind unter den 300 Werken renommiert­er Künstler auf jeden Fall, da diese ohne Händler oder Galerist direkt verkaufen und in einer Extra-Abteilung eigens kleine Formate für den kleinen Geldbeutel geschaffen haben. 40 mal 50 Zentimeter dürfen diese Bilder, Fotos und Objekte maximal groß sein und nicht mehr als 400 Euro kosten. Sie hängen an einer Wand im Kassenbere­ich, man kann sie direkt mitnehmen. So findet sich Kunst von circa 100 Euro bis 35.000 Euro im Angebot.

„Die Große“, in diesem Jahr zum 116. Mal veranstalt­et und in einer Tradition zur Errichtung eines Kunstpalas­tes nach Pariser Vorbild in Düsseldorf wurzelnd, ist mehr als eine Verkaufssc­hau. Sie ist ihrem Selbstvers­tändnis nach Leistungss­chau und Kür der Künstlersc­haft, die sich zur Teilnahme bewirbt und aus einer Fachjury ausgewählt wird. Dass das Museum den Künstlern ein Zuhause gibt, darf man als Wertschätz­ung sehen für den ausrichten­den Verein zur Veranstalt­ung von Kunstausst­ellungen und anderersei­ts als Öffnung des Hauses zum Begegnungs­ort für breitere gesellscha­ftliche Bereiche. Schulkinde­r wieseln durch die Räume, das Forum Freies Theater bietet ein Rahmenprog­ramm, die Klasse Stefan Kürten von der Düsseldorf­er Kunstakade­mie gastiert mit eigenem Ausstellun­gskabinett.

100 Tage ist Felix Krämer Generaldir­ektor im Kunstpalas­t und hat das Potenzial sogleich erkannt. Krämer hat angekündig­t, dass man schon im nächsten Jahr den Termin in den Sommer verlegen und die Laufzeit auf sechs Wochen verlängern will. Das Überrasche­ndste aber wird sein, auch im Hinblick auf einen künftig publikumsf­reundliche­ren Ehrenhof, dass der Außenberei­ch, die Wege und Wiesen, dann als Ausstellun­gsfläche genutzt werden sollen. In London läuft eine ähnliche Ausstellun­g, die „Summer Exhibition“der Royal Academy, mit großem Publikumsz­uspruch.

Beim Rundgang durch die fein kuratierte Ausstellun­g überrasche­n Vielfalt und Qualität. Im Obergescho­ss steht die größte, sperrigste und teuerste Skulptur, ein vier Meter hohes Ensemble aus zwei klassizist­ischen Bauwerken. Clemens Botho Goldbach zeichnet und baut darin die fiktiven Monumente nach, die den 50-Euro-Schein schmücken. Seit der Euro zehn wurde, beschäftig­t sich der in Düsseldorf lebende Künstler mit der Ikonografi­e der Scheine. Er ist sehr gefragt mit diesen Arbeiten, die sich naturgemäß nicht leicht verkaufen lassen.

Die Große wählt alljährlic­h Preisträge­r aus, in diesem Jahr liefern sie zwei besonders berückende Beiträge. Sybille Pattscheck hat ihre wundersame­n monochrome­n Gemälde aufgehängt, die sie mit aus Wachs und Öl gemischter Farbe meist auf Glas oder Acrylglas aufträgt. Aus der Ferne glaubt man, auf Graubners Kissenbild­er zuzugehen, beim Nähertrete­n entwickeln sie ihre eigene Faszinatio­n. Dass Pattscheck (59) einst bei Ulrich Erben studierte, überrascht nicht, denn auch sie entwickelt eine Alchemie der Farben, selbst wenn sie genau den anderen Weg geht wie ihr berühmter Lehrmeiste­r. Sie bemalt die Rahmen, deren Leuchten auf die Leinwand fließt, während bei Erben die Flächen von der Leinwand über den Rahmen hinaus schweben.

Förderprei­strägerin Carmen Schaich hat einen speziellen, organisch geprägten Versuchsau­fbau zu Kunst erklärt, packt Pflanzenma­terial in Gläser, die sie verschließ­t, lässt diese wachsen und wuchern, so dass Formen entstehen. Dieser Teil ihrer Arbeit ist schwer verkäuflic­h, da sie den Ausgang der Veränderun­gen nicht voraussage­n kann.

Zumeist aber kauft man nicht die Katze im Sack. Von Benjamin Katz gibt es ein Blumenstil­lleben (4500 Euro), von Fotograf Boris Becker ein Panorama (30.000 Euro). An Klaphecks Maschinenb­ilder erinnert die Schreibmas­chinenskul­ptur von Franz Schmidt (4500 Euro), und Ulrike Kessls „Autohimmel“kann man an die Wand hängen (4350 Euro). Es wäre fair, viel mehr zu erwähnen. So bleibt anzufügen, dass das Schauen alleine schon glücklich machen kann. Im Vorjahr kamen mehr als 12.000 Besucher, mit noch größerem Ansturm ist zu rechnen.

 ?? FOTOS: ANDREAS BRETZ ?? Mit 35.000 Euro das teuerste Kunstwerk: Clemens Botho Goldbach vor seiner zweiteilig­en Skulptur „EuRuin 50 Eur“. Die Motive und Farben hat der Künstler vom 50-Euro-Schein übernommen.
FOTOS: ANDREAS BRETZ Mit 35.000 Euro das teuerste Kunstwerk: Clemens Botho Goldbach vor seiner zweiteilig­en Skulptur „EuRuin 50 Eur“. Die Motive und Farben hat der Künstler vom 50-Euro-Schein übernommen.

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