Rheinische Post Erkelenz

Frisches Tanztheate­r von 1976

- VON MARION MEYER

In Wuppertal feierte die Neuinszeni­erung von Pina Bauschs „Die sieben Todsünden“Premiere.

WUPPERTAL Die Frau als Ware wird vermessen, gewogen und zu Markte getragen, wo dunkle Männer sich um sie scharen. Drastische­r kann man die Ausbeutung der Frau in einer männlichen, kapitalist­ischen Welt nicht darstellen. Pina Bausch hat diese Bilder 1976 kreiert, lange vor einer Me-too-Debatte. Das Tanztheate­r Wuppertal hat ihre Choreograf­ie „Die sieben Todsünden“mit Texten von Bertolt Brecht und Musik von Kurt Weill nun neu inszeniert.

In dem Stück mischen sich mehrere Generation­en von Tänzern, das Alter reicht von Anfang 20 bis 67 Jahre. Jo Ann Endicott ist die letzte der Originalbe­setzung. Sie hat die Proben geleitet und so noch etwas von Pina Bauschs Geist in die Neueinstud­ierung übertragen. „Die sieben Todsünden“ist eines der wenigen Stücke der Wuppertale­r Choreograf­in, das nach einer Vorlage entstanden ist. Später hat sie ihre Stücke durchweg mit ihren Tänzern selbst entwickelt. Endicott tritt nur noch im zweiten Teil des Abends auf, sorgt dort aber beim Publikum für Begeisteru­ngsstürme.

Das Wuppertale­r Sinfonieor­chester begleitet den Abend unter Leitung von Jan Horstmann. Auch Sänger der Wuppertale­r Oper kommen zum Einsatz bei diesem Gesamtkuns­twerk aller Sparten. 1976 markierte es den Beginn des Tanztheate­rs, denn hier löste sich Pina Bausch erstmals von der reinen Tanzform und ließ die Tänzer auch singen und schauspiel­ern.

„Die sieben Todsünden“erzählt von zwei Schwestern auf USA-Reise. Die eine vermarktet die andere und bringt sie „an den Mann“, denn „Stolz ist etwas für die Reichen“. Tsai-Chin Yu tanzt die Rolle des hinund hergeschub­sten Opfers eindringli­ch leidend. Cora Frost spielt ihre Schwester. Als Gast begleitet die Berliner Schauspiel­erin den Abend gesanglich und setzt mit ihrer markanten Stimme starke Akzente auch im zweiten Teil.

Dieser nennt sich „Fürchtet euch nicht“und verwebt verschiede­ne Songs von Brecht/Weill zu einer frech-frivolen Revue aus Spiel- und Tanzszenen. Nun schlüpfen auch die Männer in weibliche Kleidung und liefern gemeinsam mit den Frauen zum Teil schmissige Ensembletä­nze. Herrlich der Auftritt der Diven, die sich in Strapsen und Korsagen auf ihren Pelzmäntel­n räkeln und sich kreischend einen Zickenkrie­g liefern. Jürgen Hartmann verfolgt eine Frau, die wie ein Kind wirkt (Ditta Miranda Jasjfi) und vergewalti­gt sie, ohne dass das Ensemble davon Notiz nimmt.

Therese Dörr übernimmt erstmals die Rolle von Mechthild Großmann, die mit „Fürchtet euch nicht“1976 ihren Einstand in Wuppertal gab. Sie hat das Ensemble Ende der vergangene­n Spielzeit verlassen und wird nun durch Gäste ersetzt. Dörr, Ensemblemi­tglied in Bochum, macht ihre Sache zwar gut, aber ihr fehlt das Verruchte, das Großmanns Auftritt prägte. Trotz einiger Längen im zweiten Teil wirkt der Abend aktuell – absolut nicht wie ein Fall für die Mottenkist­e.

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