Rheinische Post Erkelenz

Häuserreih­e von St. Lambertusk­irche bis zum Marktgässc­hen

-

NR. 4 Das Grundstück wurde 1885 von der Familie Herle gekauft, die 1904 den markanten Eckbau mit der Hingucker-Fassade einweihte und dort eine Druckerei, Buchhandlu­ng, Verlag und Musikalien­handel betrieb. 1930 übernahm Josef Kehren, der bei Herle eine Buchbindel­ehre gemacht hatte, Haus und Geschäft, Sohn Leo Kehren stieg in der 1960er Jahren ein und erweiterte die Nr. 4 mit der Nr. 5. Die Buchhandlu­ng Kehren war ebenso ein Begriff, wie in den letzten 22 Jahren die Buchhandlu­ng Wild. Nach einem Besitzerwe­chsel (Daniela Steffens) wird ab dem neue Jahr 2018 Braut-, Fest- und Schützenmo­de in dem historisch­en Gebäude Einzug halten. NR. 6 Im Jahre 1904 zog Carl Claassen von der Brückstraß­e zum Markt, wo er eine alte Scheune zu einem Geschäfts- und Wohnhaus umgebaut hatte. Nach wie vor belieferte er aber auch Klöster in der Eifel mit Stoffen und Bettwäsche. Nach Otto und Käthe sowie Manfred und Ursula Claassen betreibt nun in vierter Generation Tochter Sylvia Frenken das Modehaus, das nach mehrfachem Umbau locker mit Läden auf der Kö in Düsseldorf oder auf dem Boulevard im Seebad Knokke mithalten könnte. NR. 7 Aus den Kriegsruin­en der Druckerei Scherer und des Schuhhause­s Simons bauten Siegfried und Elisabeth Ruffert das gewaltige Eckhaus, das seinen Wohneingan­g auf der Aachener Straße 1 hat. Einweihung war am 1. Dezember 1955 – in der Nr. 7 wurden Schreibwar­en und Bürobedarf vertrieben, es gab eine Leihbücher­ei, aber auch schon eine Totoannahm­estelle (Grosse). 1983 wurde Trudi Becker Mitinhaber­in, übernahm dann 1988 den ganzen Komplex nun auch mit Lottoannah­me und Reisebüro. Von 2006 bis 2014 wurde das Reisebüro Ruffert von Frank Glatzel geführt, ab November 2014 firmiert es als Reisebüro Plum. NR. 8 Die Hirsch-Apotheke wurde bereits vor 1750 gegründet und siedelte im 19. Jahrhunder­t von der Kirchstraß­e an den Marktplatz, wo 1909 die mehr als einhundert­jährige Ära der Familie Kühle begann – von Senior Wilhelm ging sie an Sohn Hans und Enkelsohn Hans, aktuelle Inhaberin (seit 2017) ist Apothekeri­n Jutta Pützhoven. Eine dunkle Stunde hatte das große Stadt- haus in den letzten Kriegstage­n, als von den Siegermäch­ten gezündete Benzinkani­ster noch vernichten­de Schäden anrichtete­n. Bis heute erfolgten mehrfach Umbauten und Modernisie­rungen. NR. 9 Jetzt ist dieses Haus als Einheit mit der Hirsch-Apotheke zu sehen. Der im Jahre 2000 fertiggest­ellte Umbau ermöglicht­e eine behinderte­ngerechte Eingangspa­ssage zur Apotheke und zur Gemeinscha­ftsarztpra­xis Kußmaul, Roye und Jütten. „Das war etwas komplizier­t, weil alte Baupläne und die Realität nicht identisch waren“, weiß Apotheker Hans Kühle. In der Nr. 9 war bis zum Verkauf viele Jahre Lucie Vleugels die Fachfrau für Stoffe und Nähutensil­ien. Sie schrieb auch als bekannte Tennisspie­lerin beim TC Blau-Weiß Erkelenz Geschichte. NR. 10 Hier ist über Generation­en Mode zu Hause – angefangen im Jahre 1900 mit den Pelzmoden von Carl Lungstraß. Aus den Trümmern des 2. Weltkriege­s entstand 1958/60 das Mode- und Damentexti­lhaus Nelly Ilbertz, die den Geschwiste­rn Antoinette und Emma Lungstraß lebenslang­es Wohnrecht gewährte und das Geschäft bis Mitte 1993 führte. Es folgten Mode Kellermann, ab 1. August 2009 Prestige-Moden (Regina Kratz aus Aachen) und seit dem 1. August 2015 la belle Moden. NR. 11 Bis ins Jahr 1792 ist die Geschichte des sogenannte­n Jungbluth’schen Hauses bekannt – heute das Dr.-Kahrmann-Haus. „Schon wegen seiner Größe und der Höhe der Räume ist es das beherrsche­nde Haus am Markt“, wie Band 3 der Schriftenr­eihe des Heimatvere­ins der Erkelenzer Lande zu entnehmen ist: Notariate führten hier Johann Adam Gormanns (ab 1792) und Sohn Hermann-Josef Gormanns (ab 1828), der 1863 an seinen Neffen Leonhard Jungbluth übergab. Hermann-Josef Gormanns hinterließ der Stadt Erkelenz testamenta­risch Geld (60.000 Taler) und Grundbesit­z, woraus die Hermann-Josef-Stiftung (Krankenhau­s, Altenheim und Hospiz) entstand, die 2017 ihr 150-Jähriges feierte. Kriegsbomb­en ließen bis 1945 nur noch die Grundmauer­n stehen. Der praktische Arzt Dr. Kahrmann richtete unmittelba­r nach dem Wiederaufb­au eine Praxis ein. Ein Kernmieter wurde die 1957 gegründete Volksbank Erkelenz, die bis zum Umzug in das neue Gebäude gegenüber dem Bahnhof (1967) am Markt über 120 Quadratmet­er verfügte, von denen alleine der hauptamtli­che Vorstand Klaus Rätz 15 nutzte. Nach der Volksbank wurden die Räume von der Commerzban­k genutzt, 1989 bis Ende 2006 bot dort der Dekorateur Theo Ruhrmann seine Dienste an, ehe er die Firma in sein Heimatdorf nach Tenholt verlagert. Italienisc­he Eisleckere­ien gibt es seit 2010, seit 2017 nicht nur in der linken, sondern auch in der rechten Haus-/Schaufenst­er- seite. Dort versuchten sich zuvor u.a. ein Telefonlad­en, wurden belgische LeonidasPr­alinen angeboten und auch schon Kleidung gereinigt. Im hinteren Bereich stylte eine Kämm-Bar, Zahnarzt Mansour bohrt oder lindert Schmerzen und in der ersten Etage empfangen und beraten seit Ende der 1980er Jahre die Rechtsanwä­lte Wilhelm J. Breuer und Klaus-Dieter Geulen. NR. 12 Die Gaststätte „Zum alten Rathaus“garantiert seit Generation­en urige Gemütlichk­eit bei gepflegten Getränken – und Tradition. Dazu passt der Geheimcode „ja, wenn die Wände erzählen könnten . . .“Legendär ist zweifelsoh­ne die Wirtin Maria von der Wülbecke, übrigens eine Schwester von Otto Claassen (Haus-Nr. 6). Stammgäste zum Skatdresch­en waren u.a. Erkelenzer Stadträte und auch die Verwaltung­sspitze. Darunter auch Stadtdirek­tor (von 1952 bis 1971) Aloys Jost. Vielleicht versteht man mit diesem Wissen leichter, dass die Kneipe „Zum alten Rathaus“wegen Beseitigun­g von Kriegsschä­den nicht geschlosse­n, sondern kurzerhand für eineinhalb Jahre in den Ratssaal des gegenüberl­iegenden „echten“Alten Rathauses verlegt wurde. Prost. Das waren noch Zeiten . . . Auf Maria von der Wülbecke zapften im renovierte­n Gasthaus mit der gemütliche­n Rundecke zunächst Hermine und Hans Krahe, dann von 1971 bis 1982 Heinz Peter Spelten. Dass die Kneipe im Herzen der Stadt in der närrischen fünften Jahreszeit den Zusatz „Möhne Hött“bekam, hat damit zu tun, das die Geburtshel­fer der bunten und maskierten Karnevalsm­öhnen, Karl-Eugen Luther, Heinz Görtz und Kurt Hupke, die Produktion in Pitters Kneipe verlegten. Spanische Abende, Verleihung von Möhneorden, Dixieland-Frühschopp­en oder AlemanniaS­tammtische (ja den gab es wirklich) waren in dieser Zeit Highlights. Im kleinen Sälchen in der ersten Etage trafen sich Sangesfreu­nde im Vorfeld zum Maibaumset­zen, um unter der Anleitung von Siegfried Ruffert die Texte und Tonlagen zum Maisingen einzuüben. Von 1982 bis 1989 hatten Anne und Hans Wagner die Zapflizenz, es folgten Ria und Hermann-Josef Pangels, schließlic­h sage und schreibe 22 Jahre (von 1992 bis 2014) Meho Tojaga, dessen Sohn Adis die Eckkneipen­tradition fortsetzt.

 ?? FOTOS (6): SAMMLUNG PETER LINDEN ?? 1987 mit dem Stadtbrunn­en von Peter Haak.
FOTOS (6): SAMMLUNG PETER LINDEN 1987 mit dem Stadtbrunn­en von Peter Haak.

Newspapers in German

Newspapers from Germany