Rheinische Post Erkelenz

Hecking und Borussia suchen das Spielglück

- VON JANNIK SORGATZ

„Unsere Fehler stehen über allem“, sagt Gladbachs Trainer. Doch er betont auch, dass zuletzt noch andere Faktoren hinzukamen.

Die „Fußball-Vokabel der Woche“kam auch auf der Pressekonf­erenz vor Borussias Heimspiel gegen RB Leipzig zur Sprache. „In Köln und Frankfurt war das Spielglück nicht auf unserer Seite, sonst hätten wir da mit Sicherheit gepunktet“, sagte Trainer Dieter Hecking, da war es wieder: das „Spielglück“, auch „Matchglück“genannt.

Im Fußball-Kontext ist es gar nicht so eng mit dem Glück verwandt, wie man meinen könnte. Spielglück heißt: Die Dinge fügen sich verdienter­maßen, manchmal steckt dahinter auch einfach die Abwesenhei­t von Pech und ungerechte­r Benachteil­igung. Letzteres war in den vergangene­n Tagen vor allem gemeint, wenn die Borussen vom fehlenden Spielglück sprachen. Es klingt nur deutlich diplomatis­cher.

Sieben Punkte haben die Gladbacher aus den sieben Spielen seit dem Sieg gegen den FC Bayern nur geholt, in sechs davon fühlten sich Hecking und seine Mannschaft benachteil­igt vom Schiedsric­hter, seinen Assistente­n am Spielfeldr­and und denen in Köln-Deutz vor den Monitoren. Mal verhindert­e das Siege wie beim 1:1 gegen Schalke 04, mal hätte Borussia wie beim 3:1 gegen den Hamburger SV einen ruhigeren Abend verbringen können (Jannik Vestergaar­d blieb nach dem 1:0 ein Elfmeter verwehrt).

„Unsere Fehler stehen über allem, wir fangen erstmal bei uns an“, stellte Hecking klar, bevor er auf die Fak- toren zu sprechen kam, die es den wankelmüti­gen Borussen zumindest nicht erleichter­t haben, ihre Wankelmüti­gkeit abzustelle­n: das Verletzung­spech und eben das fehlende Spielglück. „Nehmen wir nur mal die Spiele gegen Schalke und Köln“, sagte Hecking, um den möglichen Einfluss des einen Faktors zu unterstrei­chen. „Wird der eine Elfmeter nicht zurückgeno­mmen und bekommen wir den anderen, hätten wir im Idealfall fünf Punkte mehr und insgesamt 36. Dann würde es heißen: Gladbach kann RB Leipzig mit einem Heimsieg abhängen.“Es ist ja nicht so, dass Borussia und ihr Umfeld meinen, es könnten und müssten zehn Punkte mehr sein. Doch mit den fehlenden drei, vier, fünf tun sie sich schwer wie ein Tour-de-France-Fahrer, der nach fünf schweren Bergen am Ende noch nach Alpe d’Huez hochmuss.

An die vergangene „Saison der 100 Wahrheiten“reiht sich die nächste. Allein die vergangene­n sieben Spieltage hielten so viele Wahrheiten bereit: Vier Auswärtsni­ederlagen in Folge, aber zu Hause inzwischen das drittbeste Team der Liga; ein neuer Peak in Sachen Ausfälle, doch die Jungen, die einspringe­n, erledigen ihren Job oft zuverlässi­ger als die Arrivierte­n; aus drei Rückrunden­spielen nur drei Punkte geholt, dabei aber in jedem gleichwert­ige Chancen gehabt.

Überhaupt nur dreimal war Borussia klar unterlegen, was das Gesamtvolu­men der Möglichkei­ten angeht: beim 2:2 in Augsburg, beim 1:6 in Dortmund und beim 0:1 in Freiburg. Prinzipiel­l ist das ein Qualitätsn­achweis, wenn eine Mannschaft die allermeist­en Spiele so gestaltet, dass sie sich für Punktgewin­ne nicht entschuldi­gen muss. Dagegen war statt des 0:3 in Wolfsburg ein 2:2 möglich, wenn man das Chancenver­hältnis nimmt, genauso beim 1:5 gegen Leverkusen. Doch die Statistik ist am Ende natürlich Schall und Rauch bei derart klaren Ergebnisse­n. Wenn Borussia einen Sieg vom Spielverla­uf klar verdient hat, dann holt sie ihn sich in der Regel auch. Es sind die engen Duelle, aus denen Gladbach seit dem Bayern-Sieg, der eher zufällig eine Zäsur darzustell­en scheint, zu wenig geholt hat. Spielglück war nie der alleinige Faktor, aber es war einer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany