Rheinische Post Erkelenz

Die große Koalition ist kleinmütig

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Wer erwartet hatte, dass sich die große Koalition zu großen Lösungen durchringe­n würde, sah sich am Mittwoch bei der Präsentati­on des Bündnisver­trags von Union und SPD getäuscht. Es hat selten einen Koalitions­vertrag gegeben, der sich mehr durch Details und Kleinstver­änderungen ausgezeich­net hätte als dieser. Das muss nicht schlecht sein, da große Entwürfe oft den Keim des Scheiterns in sich tragen, während stetige Verbesseru­ngen am Ende zu einem besseren Ergebnis führen.

Allerdings sind die wirtschaft­lich relevanten Teile des geschlosse­nen Vertrags nicht dazu angetan, die Wettbewerb­sfähigkeit Deutschlan­ds nachhaltig zu verbessern. Bei Rente und Pflege gibt es neue teure Sozialleis­tungen, die nicht immer in die Logik dieser Systeme passen. Die Grundrente etwa ist eine Abkehr von der beitragsfi­nanzierten Rente. Künftig erhalten auch dieje-

Das schwarz-rote Bündnis setzt in vielen Bereichen auf staatliche Lösungen. Das darf nicht der Grundtenor der Regierungs­politik sein. Der Markt ist offenbar in Verruf geraten.

nigen eine Rente oberhalb der Grundsiche­rung, die weniger einbezahlt haben. Damit verschiebt sich die Ungerechti­gkeit entlang der Einkommens­kurve.

Im Arbeitsmar­kt gibt es eine Fülle neuer Regulierun­gen, insbesonde­re das Recht auf Rückkehr in die Vollzeit für Teilzeitbe­schäftigte und die Einschränk­ung der befristete­n Jobs. Beide Punkte sind sozialpoli­tisch sicherlich wünschensw­ert. Die Frage ist, ob sie vom Staat erzwungen werden sollten. In Zeiten von Arbeitskrä­ftemangel können Gewerkscha­ften, Betriebsrä­te, ja sogar die einzelnen Beschäftig­ten Verbesseru­ngen ihres Vertrags mit den Arbeitgebe­rn aushandeln, die näher an der Marktreali­tät sind als staatliche Vorgaben. Hier verschiebt die große Koalition mögliche Marktlösun­gen auf den Staat.

Überhaupt ist der Vertrag von einer großen Staatsgläu­bigkeit geprägt. In Teilen der Infrastruk­tur und Bildung ist das sicherlich angebracht. Es darf aber nicht der allgemeine Tenor der Politik dieser künftigen im Grund gemäßigt sozialdemo­kratischen Regierung sein.

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