Rheinische Post Erkelenz

Offenheit ist Sarans „Markenzeic­hen“

- VON ANGELIKA HAHN

Gerade feierte der in Erkelenz lebende Künstler Michel Saran 80. Geburtstag. Die Kunstszene im Kreis ehrt den in der DDR aufgewachs­enen Künstler mit einem spannenden Lebensweg ab nächsten Sonntag mit zwei Ausstellun­gen.

HEINSBERG/ERKELENZ „Vom Gemüt her bin ich eigentlich ein fauler Hund, aber wenn ich einmal anfange, finde ich so schnell kein Ende mehr, daran hat sich bis heute wenig geändert“, antwortet der Künstler Michel Saran auf die Frage, ob sich seine Arbeitswei­se im Laufe der Jahre geändert hat. Der in Erkelenz lebende gebürtige Halberstäd­ter hat gerade seinen 80. Geburtstag gefeiert. Und er repräsenti­ert keineswegs den Typ des gesetzten Ruheständl­ers. Unveränder­t experiment­ierfreudig und offen für Neues und eine Vielfalt an Techniken, Stilen und Themen arbeitet er täglich in seinem Erkelenzer Atelier – und knöpft sich auch gern mal alte Arbeiten wieder vor, um sie zu verändern.

Sechs Jahrzehnte Kunst eines Mannes mit einer bewegten Lebensgesc­hichte werden ab Sonntag, 18. Februar, durch zwei Ausstellun­gen gewürdigt: eine Retrospekt­ive im Museum Begas Haus und eine Schau neuerer Arbeiten aus den letzten rund zwei Jahren im Horster Hof, dem Domizil des Kunstverei­ns Region Heinsberg in Unterbruch.

Im Kunstverei­n arrangiert Kuratorin Ingrid Trantenrot­h-Scholz in diesen Tagen die Hängung der Bilder gemeinsam mit Saran. Auch diese jüngsten Arbeiten machen es – wie sein ganzes Schaffen – unmöglich, Saran in eine künstleris­che Schublade einzuordne­n. Akte und Frauenbild­nisse stehen dort neben abstrakten Farbfelder­n, Flächiges neben Bildern mit plastische­n Einsätzen. Im Wechselaus­stellungss­aal des Begas Hauses ist die Schau, mitkonzipi­ert von Sarans Freund und Kollegen, dem Fotografen Dettmar Fischer, fast fertig. Ein Rundgang dort gleicht einem Ritt durch die Kunstgesch­ichte des 20. Jahrhunder­ts, der sich Saran gern bedient, freilich nie, ohne eigene Akzente zu setzen.

„Ich wollte mich nie gern festlegen lassen“, sagt Saran, der nach dem Tod seiner ersten Frau seit 2009 in Erkelenz lebt, nach über 30 Jahren in Süsterseel und Millen. Die Offenheit ist es wohl auch, die Saran unterschei­det von Stars der Szene wie Gerhard Richter oder Sigmar Polke, die seine Weggefährt­en an den Kunstakade­mien in Dresden und Düsseldorf waren. Der Kunstbetri­eb sucht das „Markenzeic­hen“. „Freiheit der Richtungen ist dort nur schwer möglich“, sagt Saran. „Events sind mir fremd, in diesem Kunstbetri­eb wäre ich mir bescheuert vorgekomme­n.“

Die Erdung fand Saran wohl auch im Elternhaus. Gemeinsam mit dem Vater, einem Optiker, zeichnete er schon als Kind. Dennoch galt zunächst der bürgerlich­e Lebensweg, die Übernahme des Geschäfts, als vorgezeich­net. Saran absolviert­e eine Optikerleh­re. Und dann doch mit 21 der Wechsel auf die Kunst- akademie Dresden. Das gelang nicht jedem. Aber nach absolviert­er Lehre hatte er als „Werktätige­r“in der DDR damals gute Karten. Darüber, wie die Studenten den prägenden sozialisti­schen Realismus dezent auszuhöhle­n versuchten, kann Saran lange erzählen. Auch wie ihn (und seine Kunst) Besuche im Westen, etwa die französisc­he Landschaft und ihre Farben, prägten. Dennoch stand Republikfl­ucht, auch der familiären Bindungen wegen, nie auf der Agenda des Künstlers, wie er zugibt. Doch dann saß er beim Mauerbau 1961 im Westen fest, die Eltern beschworen ihn, „drüben“zu bleiben. Aus gutem Grund. Der Wind hatte sich gedreht. „Ich wurde in Abwesenhei­t zu zweieinhal­b Jahren Zuchthaus verurteilt.“Später hob Ulbricht diese Urteile „gnädig“auf. Saran setzte damals sein Studium an der Düsseldorf­er Kunstakade­mie fort.

Die vergeblich­e Suche nach einem Domizil für seine junge Familie in der Großstadt führte die Sarans dann „aufs platte Land“in den Selfkant. Und der Künstler entdeckte kreatives Potenzial in der Weite und Struktur des flachen (Acker-)Landes, die auch seine abstrakten, mit Vertikalen und Horizontal­en spielenden Bilder aufnehmen. Die Beziehunge­n zur Heimat Halberstad­t aber blieben, intensiv vor allem zur Wendezeit. Saran – „Ich bin ein politische­r Mensch“– unterstütz­te dort aktiv das „Neue Forum“.

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RP-FOTO: JÜRGEN LAASER Michael Saran und Kunstverei­ns-Kuratorin Ingrid Trantenrot­h-Scholz besprechen die Hängung der aktuellen Arbeiten im Horster Hof.
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