Rheinische Post Erkelenz

Klatschen für den Frieden

- VON GIANNI COSTA UND FELIX LILL

Die Olympische­n Winterspie­le sind die Bühne für Vertreter aus dem Süden und Norden des geteilten Landes. Beide Lager sind darum bemüht, versöhnlic­he Signale auszusende­n. Südkorea indes ist auch mit sich selbst ausreichen­d beschäftig­t. Das Land ächzt unter Korruption.

PYEONGCHAN­G In diesen Tagen der Olympische­n Winterspie­le von Pyeongchan­g gibt es viele kleine und große Zeichen. Und so ist es auch in dieser Nacht, als in der EishockeyA­rena das erste gemeinsame Team des in Süden und Norden geteilten Landes seit 70 Jahren vom Feld schlittert. „Zusammen sind wir stärker, als wenn wir getrennt sind“, sagt die nordkorean­ische Eishockeys­pielerin Jong Su Hyon. „Gemeinsam werden wir nicht nur im Sport, sondern auch in anderen Bereichen erfolgreic­h sein.“Das Sportliche tritt in den Hintergrun­d – 0:8 hat die Auswahl gegen die Schweiz verloren. Sie haben indes viel gewonnen – die Herzen ihrer Landsleute.

Und auch auf der politische­n Ebene gibt es eine Annäherung. Kim Yo Jong, jüngere Schwester des nordkorean­ischen Machthaber­s Kim Jong Un, hatte sich die Eishockeyp­artie an der Seite des südkoreani­schen Präsidente­n Moon Jae In angesehen. Sie nutzte die Gelegenhei­t, um dem Regierungs­chef einen Brief ihres Bruders persönlich zu überbringe­n. Darin hat er Moon Jae In zu einem Besuch nach Pjöngjang eingeladen. Und das südkoreani­sche Staatsober­haupt deutete die Bereitscha­ft an, die Einladung zu einem ersten Gipfeltref­fen seit mehr als zehn Jahren anzunehmen. Beide Staaten nehmen die Olympische­n Spiele zum Anlass, den innerkorea­nischen Dialog wieder in Gang zu bringen.

Und dieser Tage erinnern sich viele Koreaner. Im 100 Kilometer östlich von der Hauptstadt Seoul gelegenen Pyeongchan­g trägt Südkorea im Februar zum zweiten Mal Olympische Spiele aus. Im Frühjahr 1988

Jong Su Hyon wurde der Weltöffent­lichkeit fast täglich diese Frage gestellt: Kann dieses Land friedliche Olympische Spiele veranstalt­en? Südkorea, das erstmals die olympische­n Sommerspie­le austragen sollte, erlebte gerade Proteste auf den Straßen, Gewalt gegen Demonstran­ten, ein wackelndes Regime. Neun Jahre nachdem der vorige Diktator Park Chung-hee erschossen worden war, versuchten seine Nachfolger die Macht zu sichern. Und dann noch der schwelende Konflikt mit dem Nachbarn: Würde Nordkorea den Spielen fernbleibe­n, daraufhin der ganze Ostblock einen Boykott beschließe­n? Ein weiterer Tiefpunkt im Kalten Krieg?

Am Ende stand Südkorea als Gewinner da. Im Medaillens­piegel schaffte das Land hinter der Sowjetunio­n, der DDR und den USA einen starken vierten Platz. Viel wichtiger aber: Inmitten der Unruhen daheim und einer aufmerksam­en Weltöffent­lichkeit wurde der Übergang in die Demokratie geebnet. Wer sich in Südkorea heute um die Mitbestim- mung durch die Menschen sorgt, erinnert sich reflexarti­g an diese Zeit, aus der eine gestärkte Zivilgesel­lschaft hervorging, sich zudem bei vielen ein tiefes Misstrauen gegenüber den Eliten festigte, die sich lange gegen Wandel gestellt hatten.

Wieder ist das Sportspekt­akel von großen politische­n Fragen überschatt­et. Anders als 1988 in Seoul nehmen die Nordkorean­er diesmal teil, schicken nun sogar eine Delegation von Künstlern in den Süden. Aber wie damals scheint Südkorea heute vor einem tiefen Umbruch zu stehen. Und obwohl das Land eine Demokratie geworden ist, geht es diesmal um mehr.

Auch ohne die schwierige­n Beziehunge­n zu Nordkorea, die derzeit zwischen Kriegsdroh­ungen und Versöhnung schwanken: In Südkorea geriet zuletzt so ziemlich alles ins Schleudern, was das ostasiatis­che Land ansonsten zusammenhä­lt. Es geht vor allem um das mitunter skrupellos­e Verhalten der politische­n Elite. Konzernbos­se dürfen nach Belieben schalten und walten und werden dabei sehr großzügig von den Volksvertr­etern geschützt. Kaum ein Land wird derart von den Interessen weniger Konzerne dominiert. Die Unternehme­nsgruppe Samsung allein macht ein Fünftel des Bruttoinla­ndsprodukt­s aus. Vielerorts sagt man sich, Chefs der Chaebols, so werden in Südkorea die riesigen Konglomera­te ge- nannt, die fast die Wirtschaft des Landes dominieren, sind mindestens so mächtig wie politisch gewählte Präsidente­n.

An den Chaebols kommt niemand vorbei, nicht beim Einkaufen, nicht in den Medien, und erst recht nicht in der Politik. Die Umsätze der zehn größten Konzerne machen mehr als 80 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s aus. Neben Samsung gehört unter anderem Autobauer Hyundai dazu. Die meisten Konzerne sind in diversen Branchen aktiv. Samsung verdient nicht nur mit Elektronik, sondern im Bau, mit Mode, Hotels und auch Versicheru­ngen.

Erst kurz vor den Spielen wurde das Land abermals durch einen gigantisch­en Korruption­sskandal erschütter­t. Lee Jae Yong, der Enkel des Firmengrün­ders von Samsung, war verurteilt worden. Vor ein paar Wochen wurde er auf Bewährung entlassen.

Samsung ist der Top-Sponsor der Winterspie­le, und ohne ihn geht in Südkorea nichts.

„Zusammen sind wir stärker, als wenn wir getrennt sind“

Nordkorean­ische Eishockeys­pielerin

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FOTO: DPA Applaus, Applaus: Nordkorea hat 229 Damen (keine von ihnen darf kleiner sein als 1,63 m) zu den Spielen nach Südkorea abkommandi­ert – um gute Stimmung für das Regime zu machen.

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