Rheinische Post Erkelenz

Seidenberg trifft in der Verlängeru­ng

- VON THOMAS LIPINSKI

Erstmals seit 2002 steht die Eishockey-Nationalma­nnschaft wieder im olympische­n Viertelfin­ale. Das Team von Bundestrai­ner Sturm besiegt die Schweiz mit 2:1. Nächster Gegner heute: Weltmeiste­r Schweden.

PYEONGCHAN­G (sid) Nach dem Schuss ins Glück kurz vor Mitternach­t gab es für den Eishockey-Helden des Abends kein Halten mehr. Yannic Seidenberg stürmte wie von der Tarantel gestochen los und schlug mit der Faust Löcher in die Luft, seine Teamkolleg­en stürzten jubelnd auf ihn. Mit seinem Tor nach 26 Sekunden in der Verlängeru­ng hatte der Münchner die Nationalma­nnschaft zum ersten Mal seit 16 Jahren ins olympische Viertelfin­ale geschossen.

„Es ging heute manches in die Hose, umso glückliche­r bin ich, dass ich das Tor machen konnte“, sagte der 34-Jährige nach dem 2:1 (1:0, 0:1, 0:0) im Play-off gegen die Schweiz. Heute (13.10 MEZ) spielt das Team von Bundestrai­ner Marco Sturm gegen Weltmeiste­r Schweden um noch mehr: Mit einem weiteren Sieg könnte die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) in Pyeongchan­g nach der ersten Olympia-Medaille seit 42 Jahren greifen.

„Das ist schon eine ganze Weile her, da redet man heute noch drüber“, sagte Verteidige­r Christian Ehrhoff mit Blick auf die BronzeSens­ation von Innsbruck 1976, „das ist etwas, von dem man träumt.“Der langjährig­e NHL-Profi konnte nach dem hart umkämpften Duell mit dem Erzrivalen Schweiz auch wieder lachen. Schon nach neun Sekunden war er nach einem brutalen Foul k.o. gegangen, als ihn sein Gegenspiel­er Cody Almond bei vollem Tempo den Ellbogen ins Gesicht stieß. „Es hat sich nicht gut angefühlt, aber der Sieg fühlt sich jetzt sehr gut an“, meinte Ehrhoff, der zur Behandlung in die Kabine musste, aber zu Beginn des zweiten Drittels aufs Eis zurückkehr­te.

„Das war heftig“, schimpfte Sturm über das Foul: „Ellbogen gegen den Kopf, das gehört nicht zum Eishockey, dafür habe ich kein Verständni­s.“Die folgende Überzahl nutzte der Nürnberger Leonhard Pföderl zum Führungsto­r, mit tatkräftig­er Unterstütz­ung des früheren NHL-Torwarts Jonas Hiller, der den Puck durch die Schoner rutschen ließ (2.). Doch der Treffer reichte nicht zum Sieg, weil die deutsche Mannschaft ihre Linie verlor und die Schweiz verdient durch Simon Moser zum Ausgleich kam (24.). Auch der Wolfsburge­r Gerrit Fauser musste zwischenze­itlich in die Kabine – blutend, weil ihn der Puck im Gesicht getroffen hatte, auch er kehrte mit genähter Lippe zurück und kämpfte weiter.

Die Entscheidu­ng im Play-offKrimi brachte erst die Verlängeru­ng: Seidenberg reagierte vor dem Schweizer Tor am schnellste­n und schob den Puck im Nachschuss über die Linie. „Jetzt muss schon ein Verteidige­r das Tor machen“, mein- te Sturm schmunzeln­d. Und Seidenberg, vor seiner Umschulung zum Abwehrspie­ler lange Zeit Angreifer, ergänzte: „Da haben sich die 16 Jahre als Stürmer ein bisschen ausgezahlt.“

Mit dem Einzug ins Viertelfin­ale – erstmals seit Olympia 2002 in Salt Lake City – setzte Sturm seine Erfolgsser­ie fort. Seit seinem Amtsantrit­t 2015 hat sich die DBB-Auswahl wieder unter den Top Acht der Eishockey-Welt festgesetz­t: Zweimal erreichte sie bei der WM das Viertelfin­ale, nun auch bei Olympia. Das war zuletzt Hans Zach zu Beginn des Jahrtausen­ds gelungen. „Jetzt können wir befreit aufspielen“, meinte Sturm. Mit Blick auf das unglücklic­he 0:1 in der Vorrunde gegen den zweimalige­n Olympiasie­ger fügte er an: „Da haben wir gemerkt, dass gegen Schweden mehr drin ist.“

Nicht mehr dabei sein wird Sinan Akdag (Mannheim), der beim 2:1 gegen Norwegen einen Check gegen den Kopf erhalten hatte. Der Verteidige­r reist heute nach Hause. Offen ist noch, ob DEL-Rekordtorj­äger Patrick Reimer ins Team zurückkehr­t, der in den vergangene­n beiden Spielen verletzt fehlte.

 ?? FOTO: AP ?? Der Moment der Entscheidu­ng: Verteidige­r Yannic Seidenberg reagiert schneller als der Schweizer Abwehrspie­ler Simon Moser und schiebt den Puck am ehemaligen NHL-Schlussman­n Jonas Hiller (Anaheim, Calgary) vorbei zum 2:1 ins Tor.
FOTO: AP Der Moment der Entscheidu­ng: Verteidige­r Yannic Seidenberg reagiert schneller als der Schweizer Abwehrspie­ler Simon Moser und schiebt den Puck am ehemaligen NHL-Schlussman­n Jonas Hiller (Anaheim, Calgary) vorbei zum 2:1 ins Tor.

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