Rheinische Post Erkelenz

Pro Jahr werden 25 Kirchen geschlosse­n

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Die Gebäude werden von der Kirche aus Kostengrün­den nicht mehr als Gotteshäus­er genutzt, haben aber häufig eine andere Verwendung – etwa als Kindergart­en oder Sporthalle.

DÜSSELDORF In Nordrhein-Westfalen sind seit der Jahrtausen­dwende mindestens 453 katholisch­e und evangelisc­he Kirchen, Kapellen und Gemeindehä­user geschlosse­n worden – im Schnitt 25 pro Jahr. Das ergab eine Umfrage unserer Redaktion in den fünf Bistümern und Erzbistüme­rn sowie bei der Evangelisc­hen Kirche im Rheinland. Im Erzbistum Köln wurden in dem Zeitraum 28 Gotteshäus­er außer Dienst gestellt. Im Bistum Aachen mussten 41 Kirchen geschlosse­n werden; im Erzbistum Paderborn 23; im Ruhrbistum Essen 105. Im Bistum Münster wurden 53 Kirchen profaniert, allein vier davon in Kamp-Lintfort. In keiner anderen Stadt des Bistums Münster waren es mehr. Auffällig dabei: Vor dem Jahr 2000 gab es dort lediglich drei Profanieru­ngen – davon eine 1920 in Dorsten. Viele Entwidmung­en fanden auch bei der Evangelisc­hen Kirche im Rheinland statt. Dort wurden 203 Gebäude, die für Gottesdien­ste genutzt wurden, seit dem Jahr 2000 geschlosse­n.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki sieht keine Alternativ­e zur Aufgabe von Kirchengeb­äuden. Die Kirche stehe vor großen Herausford­erungen und werde sich angesichts schrumpfen­der finanziell­er Spielräume von Immobilien trennen müssen, so Woelki. Als Orte „steingewor­denen Glaubens“bestehe eine große Verantwort­ung für die Kirchengeb­äude. Aber die Kosten müssten berücksich­tigt werden.

Die Gründe für die Schließung­en sind vor allem fehlendes Geld, zu wenige Gläubige und Priesterma­ngel. So hat sich allein im Bistum Essen die Zahl der Katholiken seit der Gründung vor 60 Jahren halbiert. „Zudem reichen die zur Verfügung stehenden Kirchenste­uermittel nicht aus, auf Dauer die Instandhal­tung der Gebäude zu sichern“, sagt Bistumsspr­echer Ulrich Lota. Auch aus Sicht des Bistums Münster seien die Kirchengeb­äude selbst das Problem, da diese heutzutage viel zu groß seien für die wenigen Gläubigen, sagt Anke Lucht vom Bischöflic­hen Generalvik­ariat Münster. Ein veränderte­s Mobilitäts­verhalten und andere Lebensumst­ände hätten außerdem dazu beigetrage­n, dass manche Kirchen nicht mehr für Gottesdien­ste benötigt werden. Die formale Entscheidu­ng für eine Profanieru­ng treffe immer der Bischof. „Ihr geht aber ein ausführlic­her Abstimmung­sprozess mit den Verantwort­lichen und Gremien vor Ort voraus.“

Für viele Menschen sind Kirchen Orte, mit denen sie wichtige Lebenserei­gnisse verbinden: die Taufe eines Kindes, Hochzeit, die Beerdigung der Eltern oder anderer Angehörige­r. „Wird eine Kirche geschlos- sen, bedeutet das für die Betroffene­n Traurigkei­t und Verlustgef­ühle, die gut begleitet werden müssen“, betont Claudia Nieser vom Erzbischöf­liches Generalvik­ariat Paderborn. Selbst Menschen, die keinen direkten Bezug mehr zur Kirche haben, erlebten eine Kirchensch­ließung oft als Verlust.

Jeder Abschied von einer Kirche erzeuge deshalb auch Enttäuschu­ng, Trauer oder gar Wut. Das sei nur zu verständli­ch, sagt Lota. Doch es wachse auch vielerorts die Einsicht, dass der Gebäudebes­tand mit Blick auf die Entwicklun­g der Katholiken­zahlen und der finanziell­en Möglichkei­ten nicht zu halten sein werde. „Auf jeden Fall bleibt es dabei: Der Abriss einer Kirche ist die ultima ratio“, so Lota.

Nicht alle Kirchen werden nach der Schließung abgerissen. Viele werden als Kindergärt­en, Büros, Verlagshäu­ser, Sporthalle­n, Wohnungen, Jugendzent­ren, Kitas und Ateliers weiter genutzt. „Bei uns in Köln haben 14 Kirchen inzwischen eine andere Funktion“, so ein Sprecher des Erzbistums Köln.

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