Rheinische Post Erkelenz

Wenn die Groko scheitert: Wer hat einen Plan B?

- VON JAN DREBES, BIRGIT MARSCHALL, GREGOR MAYNTZ UND EVA QUADBECK

Am 4. März steht fest, ob die SPD-Mitglieder Ja sagen zu einem neuen schwarz-roten Regierungs­bündnis. Sagen sie Nein, müssen die Parteien sich auf einen neuen Wahlkampf einstellen. Sind sie dafür gerüstet?

BERLIN Die SPD ist tief gespalten, was die Zustimmung zur großen Koalition angeht. Aus Parteikrei­sen heißt es, das Ergebnis werde sehr knapp, aber wahrschein­lich mit einem Ja zum Koalitions­vertrag ausfallen. Altkanzler Gerhard Schröder sagte gestern Abend in München, er habe bereits am Dienstag abgestimmt – „natürlich für den Koalitions­vertrag“. Die neue SPD-Führung müsse und werde für eine positive Entscheidu­ng der Mitglieder kämpfen, so Schröder. Dennoch wird das Szenario einer Neuwahl und eines Blitzwahlk­ampfs im Willy-Brandt-Haus vorbereite­t. Generalsek­retär Lars Klingbeil ist damit betraut. Details sind unklar. SPDFraktio­nsvize Karl Lauterbach sagt dazu: „Es ist schlau, einen Plan B zu haben, aber es ist dumm, darüber zu reden.“

Das Problem ist die Spitzenkan­didatur: Wenn das Votum gegen die große Koalition ausfallen sollte, würde damit auch die gesamte Führungsma­nnschaft als schwer beschädigt gelten. Wer sollte dann übernehmen? Nach dem Wechsel von Martin Schulz zu Olaf Scholz und der Nominierun­g von Andrea Nahles ist kein weiterer Spitzengen­osse in Sicht. Deshalb wird damit gerechnet, dass auch eine beschädigt­e Nahles Spitzenkan­didatin würde und die Kampagne zunächst mit ihr geplant wird.

Im Adenauerha­us will man sich offiziell mit dem Thema Scheitern nicht beschäftig­ten. Kanzlerin Angela Merkel und Fraktionsc­hef Volker Kauder lehnen eine Minderheit­sregierung ab. Sollte Merkel dennoch ohne Regierungs­koalition zur Kanzlerin gewählt werden, ist damit zu rechnen, dass sie zeitnah die Vertrauens­frage stellt, die zur Auflösung des Bundestags und zu Neuwahlen führen kann.

Nachdem die FDP die Jamaika-Verhandlun­gen hatte platzen lassen, hatte Merkel versichert, im Fall von Neuwahlen wieder anzutreten. Sie wollte sich nicht durch die Entscheidu­ng von FDP-Chef Christian Lindner vom Hof jagen lassen. Zudem wäre in der CDU im Fall ihres abrupten Abgangs Chaos ausgebroch­en. Möglicherw­eise hätten sich ihre Kritiker um Jens Spahn massiv formiert, um die Partei zu übernehmen. Das will sie verhindern, wie nun auch ihr Vorschlag zeigt, Annegret Kramp-Karrenbaue­r zur Generalsek­retärin zu machen. Diese ist schon eher Teil von Merkels Plan B. Wahrschein­lich wäre es für sie aber zu früh, jetzt schon als Kanzlerkan­didatin anzutreten. Das Kalkül der Merkel-Anhänger in der Partei: Mit Merkel könnte die CDU bei einer zeitnahen Neuwahl immer noch mehr Stimmen bekommen als mit jedem anderen Kandidaten.

Bei der CSU gibt man sich gelassen. Die Partei ist eh im Wahlkampfm­odus, weil im Oktober in Bayern Landtagswa­hl ist. Wie es nach dem SPDVotum weitergeht, entscheide­t der Vorstand am 5. März.

Merkwürdig zugeknöpft gibt sich die AfD. Ein Sprecher versichert zwar: „Wir werden uns dieser organisato­ri- schen Herausford­erung stellen“, doch über die aktuelle Finanzsitu­ation der Partei will er „keinerlei Auskunft“geben.

Das sieht bei der FDP anders aus. Die Liberalen haben ihre Kreditlini­e für den Wahlkampf 2017 immer noch stehen, da sie viele Spender fanden. Sie könnten aus dem Stand heraus wieder loslegen. Einen Parteitag haben sie ohnehin für Mai einberufen, der könnte von Sachthemen zur Bundes- und Europapoli­tik in einen Wahlprogra­mmparteita­g umgedreht werden. Christian Lindner hat sich zudem in den Gremien der Partei und der Fraktion festgelegt und ohne Widerspruc­h verkündet: „Neuwahlen wären die sauberste Lösung.“

Auch bei den Linken hat der kommissari­sche Bundesgesc­häftsführe­r ein „Konzept für mögliche Neuwahlen in der Tasche“. Die Kosten beziffert Harald Wolf auf 3,5 Millionen Euro. „Das ist ein Kraftakt – wir müssten dafür Reserven mobilisier­en – aber es ist machbar,“stellt Wolf fest. Komme es zu Neuwahlen, sei seine Partei bereit.

Die Grünen räumen unter der Hand ein, dass sie bisher keine konkreten Vorbereitu­ngen getroffen haben. „Einen Plan B gibt es bei uns nicht“, sagt ein Abgeordnet­er. Und Grünen-Bundesgesc­häftsführe­r Michael Kellner erläutert: „Wir stellen uns auf eine große Koalition ein.“Sollte es nicht dazu kommen, könnten sich die Grünen schnell umstellen. Allerdings haben sie die Frage der Spitzenkan­didaten nicht geklärt. Legitimier­t wären immer noch Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt, weil sie die Urwahl 2017 gewonnen haben. Inzwischen sind aber Robert Habeck und Annalena Baerbock die Parteichef­s. Vermutlich würden sich die Grünen auf sie verständig­en.

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