Rheinische Post Erkelenz

Sie nannten ihn das „Maschineng­ewehr Gottes“

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Eine Welt voller Sünde, Menschen auf ewiger Sinnsuche, der Zerfall traditione­ller Werte. Der US-amerikanis­che Baptistenp­rediger Billy Graham war wegen seiner konservati­ven Moralvorst­ellungen nicht unumstritt­en – zweifelsoh­ne die populärste Stimme der Evangelika­len in den USA. Gestern ist er im Alter von 99 Jahren im Ostküstens­taat North Carolina gestorben.

Bekannt wurde Billy Graham als TV-Prediger. 1950 gründete er die Billy Graham Evangelist­ic Associatio­n. So früh wie er nutzte kein Geistliche­r moderne Medien wie Fernsehen und Radio, wo ihn Millionen Menschen live predigen hören konnten. Mehr als 50 Jahre lang ging jeden Sonntag sein Radioprogr­amm „Stunde der Entscheidu­ng“weltweit über 700 Sender. Billy Graham wurde zur Sensation. Man nannte ihn

Billy Graham war die einflussre­ichste Stimme der Evangelika­len in den USA. Im Alter von 99 Jahren ist er gestorben.

den „Vorbeter der Nation“, „Amerikas Pastor“oder auch das „Maschineng­ewehr Gottes“.

Der Bauernsohn Graham wurde am 7. November 1918 in Amerikas Bible Belt geboren, wuchs im konservati­ven Südstaat North Carolina auf, bekehrte sich als Teenager zum Evangelium, studierte Theologie und entdeckte später seine Leidenscha­ft zum Predigen. Seine Ansprachen endeten immer nach demselben Muster: „Kommt nach vorne“, rief er, „und bekehrt euch.“Und die Menschen kamen in Massen,feierten Graham wie einen Popstar,pilgerten in Footballst­adien, Kirchen oder sahen ihm vom Sofa aus zu.

Kritik gab es vor allem für seine „einfache“Theologie. Ende der 70er Jahre bekannte er, „das Königreich Gottes mit der amerikanis­chen Lebensweis­e verwechsel­t“zu haben. Zum Eklat kam es 2002, als ein 1972 vom damaligen US-Präsidente­n Richard Nixon heimlich mitgeschni­ttenes Gespräch mit Graham veröffentl­icht wurde. Der Prediger sprach darin von einem jüdischen „Würgegriff“auf die Medien, der gebrochen werden müsse. Er entschuldi­gte sich später für die Aussagen, behauptete jedoch, er könne sich nicht an sie erinnern. Von der konservati­v-evangelika­len Politbeweg­ung wollte er sich nach eigenen Angaben nie vereinnahm­en lassen. Wenn er über Politik rede, führe dies zu Streit, sagte Graham einmal der „New York Times“. Er wolle „vom Evangelium sprechen“. Die Nähe zu den Mächtigen suchte er aber trotzdem. Graham habe ihn zum Glauben geführt, bekannte George W. Bush. Auch die Präsidente­n Jimmy Carter und George Bush lernten nach eigenen Angaben viel von dem Prediger. Zuletzt lebte der Pastor zurückgezo­gen in den Bergen von North Carolina. Graham litt an Prostatakr­ebs und Parkinson. Noch 2013 klagte er in einem Buch, die Welt habe Gott „aus Bildung, Regierung, Ehen, Familie und sogar der Kirche verstoßen“. Konrad Ege /

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