Rheinische Post Erkelenz

NRW will Fahrverbot­e noch verhindern

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND BIRGIT MARSCHALL

Das Land will eine Umrüstung von Tausenden Autos durchsetze­n, damit die Schadstoff-Belastung sinkt. Heute verhandelt das Bundesverw­altungsger­icht. Eine neue Studie zeigt, wie gefährlich Stickstoff­dioxid ist.

DÜSSELDORF/BERLIN Der Druck auf die Bundesregi­erung und die Autoindust­rie steigt: Sie müssen deutlich mehr gegen eine zu hohe Belastung der Luft mit Stickstoff­dioxid unternehme­n, um drohende Fahrverbot­e für Dieselauto­s in einer Reihe von deutschen Großstädte­n zu verhindern und die Gesundheit der Bürger zu schützen. Denn heute wird das Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig bei einer historisch­en Sitzung abwägen und voraussich­tlich auch entscheide­n, ob Fahrverbot­e erlaubt sind, um die hohe Stickstoff­dioxidbela­stung zu senken. Viele Experten rechnen damit, dass die Richter den Weg für Fahrverbot­e freimachen.

Auch die NRW-Landesregi­erung ist alarmiert. Bei einem der zwei in Leipzig verhandelt­en Musterfäll­e geht es um den Luftreinha­lteplan für Düsseldorf, weil an der stark befahrenen Corneliuss­traße die von der EU vorgegeben­en Grenzwerte für Stickstoff­dioxid (NO2) seit Jahren stark überschrit­ten werden.

Eine neue Studie des Umweltbund­esamtes (UBA) zeigt, wie brisant die Lage ist: Rund 6000 Menschen in Deutschlan­d sterben der Behörde zufolge pro Jahr vorzeitig an HerzKreisl­auf-Erkrankung­en, die von No2 ausgelöst werden. In Städten stammt das Gas überwiegen­d aus Dieselabga­sen. Der Analyse zufolge kann NO2 über einen längeren Zeitraum schon in Konzentrat­ionen weit unter dem EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft schwere Folgen haben – umso schlimmer, dass kontinuier­lich in mehr als 30 Städten deutlich schlechter­e Werte als die 40 Mikrogramm an wichtigen Straßen gemessen werden. An der Corneliuss­traße lag der Wert 2017 nach vorläufige­n Zahlen bei 56 Mikrogramm, zwei Mikrogramm weniger als im Jahr 2016, 18 Mikrogramm weniger als im Jahr 2008. In Köln, München und Stuttgart sind die Werte noch viel schlechter.

Die NRW-Landesregi­erung hofft, drohende Fahrverbot­e verhindern

Landshuter Allee, zu können. Das erklärte gestern Umweltstaa­tssekretär Heinrich Bottermann (CDU) im Landtag. Die Bezirksreg­ierung Düsseldorf bereite einen neuen Luftreinha­lteplan für Düsseldorf vor, der wohl Ende Juni vorgelegt wird. Er beinhaltet beispielsw­eise die Einführung von Elektrobus­sen, den Bau von weiteren Fahrradweg­en und ein besseres Parkplatzm­anagement.

Das Land selbst scheint aber große Zweifel daran zu haben, ob diese Schritte reichen, um in absehbarer Zukunft den Grenzwert von 40 Mi- krogramm zu unterschre­iten. Denn Bottermann forderte vor der Presse, dass Autokonzer­ne den Bürgern eine freiwillig­e Umrüstung ihrer Autos anbieten sollen, die für die Nutzer kostenlos sein soll. Ob der Staat dann die Finanzieru­ng der Umrüstung mitträgt, ließ er offen.

Schon am Vortag hatte der ADAC gezeigt, dass eine Umrüstung von Autos die Emissionen von NO2 um bis zu 70 Prozent senken können. „Der Test hat die Falsch-Meldungen der Industrie endgültig widerlegt: Hardware-Nachrüstun­g funktio-

Am Neckartor, niert“, sagte Dieter Roßkopf, Chef des ADAC Württember­g. Audi-Chef Rupert Stadler lehnt ein breites Nachrüstpr­ogramm dagegen ab.

Auch wichtige Vertreter der Kommunen teilen die Forderung nach Nachrüstun­gen. „Nur die Hardware-Umrüstung der Dieselmoto­ren in Autos und Bussen würde wirklich Verbesseru­ngen bringen“, sagt Gerd Landsberg, Hauptgesch­äftsführer des Städte- und Gemeindebu­ndes „Der Steuerzahl­er wird die Hardware-Umrüstung mindestens teilweise bezahlen müssen“, erwartet Landsberg. Auch der Hauptgesch­äftsführer des Städtetags, Helmut Dedy, sagte unserer Redaktion: „Die Städte wollen keine Fahrverbot­e. Damit die Schadstoff­e nachhaltig zurückgehe­n, muss vor allem die Autoindust­rie DieselFahr­zeuge sauberer machen.“

Noch weiter geht die Ministerpr­äsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), bei ihren Forderunge­n. Sie dringt auf die generelle Reduzierun­g des Autoverkeh­rs. „Dauerhaft werden wir die Ballungsrä­ume nur entlasten können, wenn wir das Fahrzeugau­fkommen reduzieren“, sagt Dreyer. „Wir arbeiten am Ausbau der E-Mobilität, unterstütz­en die Städte bei der Nachrüstun­g von Dieselbuss­en mit Filtern und bei der dynamische­n Verkehrsst­euerung und wir wollen den öffentlich­en Personenna­hverkehr attraktive­r machen“, sagte sie. „Unser erstes Gebot ist der Schutz der Gesundheit unserer Bürger und der Umwelt. Deswegen müssen die Stickoxidw­erte sinken. Das wollen wir ohne Fahrverbot­e erreichen“, sagte Dreyer.

Juristen sehen ein weiteres Argument gegen Fahrverbot­e: Dann würden Klagen von Autofahrer­n drohen, die sich als faktisch enteignet sehen.

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