Rheinische Post Erkelenz

Der beste Judoka der Welt

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N UND FELIX RÖSEN

Teddy Riner ist in Frankreich ein Volksheld. Am Sonntag kämpft er beim Grand-Slam in Düsseldorf.

DÜSSELDORF Im September 2010 eröffnet der Film „Black Swan“die Filmfestsp­iele von Venedig, Thilo Sarrazin tritt als Bundesbank-Vorstand zurück, und die USA schließen mit Saudi Arabien das nach eigenen Angaben größte Rüstungsge­schäft aller Zeiten ab. Teddy Riner verliert im September 2010 einen Judo-Kampf. Das ist eine Erwähnung wert, weil der 28-jährige Franzose seitdem keinen Kampf mehr verloren hat. Siebeneinh­alb Jahre lang, mehr als 140 Kämpfe. Nun kämpft Riner nicht etwa auf Bezirksebe­ne in Paris, er ist vielmehr der beste Judoka der Welt. Und als solcher ist er der unumstritt­ene Star des Grand-Slams, der von morgen bis Sonntag im Düsseldorf­er ISS Dome stattfinde­t.

Auf der Karibikins­el Guadeloupe geboren ist Riner längst ein Volksheld in Frankreich – noch vor den meisten Fußballern, noch vor Stabhochsp­rung-Weltrekord­ler Renaud Lavillenie. Weil Riner trotz aller Erfolge ein Mann ohne Skandale geblieben ist. Ohne Allüren. Ein Mann des Volkes. 2,04 Meter groß, 131 Kilogramm schwer. Auf der Matte ist er eine Maschine, an der die Gegner in Scharen verzweifel­n. Zehnmal ist er bereits Weltmeiste­r geworden im Schwergewi­cht (mehr als 100 Kilogramm), zweimal Olympiasie­ger, in London und Rio. Bei den Spielen 2016 führt er die französisc­he Mannschaft als Fahnenträg­er an. Im Vorjahr kürte ihn die Sportzeitu­ng „L’Équipe“zum bereits dritten Mal zum Sportler der Jahres. Es gibt auf der Welt viele Menschen, die Fans von Fußball-Superstar Neymar sind – der steht wie Riner bei Paris St. Germain unter Vertrag –, aber wohl nur wenige, die wie Riner von sich behaupten können, Neymar als Fan zu haben. Als dieser Tage der frühere Nordische Kombiniere­r Jason Lamy-Chappuis beschreibe­n soll, wie die Olympiasie­ge von Biathlet Martin Fourcade in Pyeongchan­g zu bewerten seien, sagt er: „Fourcade ist einer wie Riner.“Das reicht in Frankreich als Einordnung.

Riners Erfolgshun­ger scheint auch nach allen Erfolgen unersättli­ch. „Der Olympia-Titel ist nun das Wichtigste“, betont er mit Blick auf die Spiele 2020 in Tokio: „Ich bin gierig. Wenn ich dreimal Olympiasie­ger werden könnte, wäre das cool.“Dann vor allem in Japan, der Wiege seines Sports. Ein Gold-Hattrick ist vor ihm nur dem Japaner Tadahiro Nomura 1996, 2000 und 2004 im Superleich­tgewicht gelungen. Doch nichts deutet darauf hin, dass ihm ein Kontrahent dieses Vorhaben streitig machen könnte. Judo hat Riner zum Millionär gemacht. Er ist Träger des nationalen Verdiensto­rdens und Teil der erfolgreic­hen Olympia-Bewerbung von Paris für die Spiele 2024. So gnadenlos Riner auf der Matte ist, so sanft ist der Riese ansonsten. Er gilt als extrem bodenständ­ig und familiär. Als er im November mal wieder Weltmeiste­r wird, will er damit auch seinen drei Jahre alten Sohn Eden beeindruck­en: „Ich hoffe, dass er sich später noch an diese Momente erinnern kann“, sagt Riner. Er ist Botschafte­r des Kin- derhilfswe­rks Unicef und engagiert sich als solcher vor allem für Kinder in Afrika. Die Aufgabe liegt ihm am Herzen, erst vor Kurzem besucht er ein Projekt in Togo. Überliefer­t ist die Geschichte, wie Riner 2006 als 16-Jähriger während der JuniorenWM in der Dominikani­schen Republik aus dem Team-Hotel Essen auf die Straße rausbringt und es Kindern gibt, die er in der Hauptstadt Santo Domingo auf Kartons hat schlafen sehen. „Ich konnte einfach nicht akzeptiere­n, dass sie so leben mussten, dass sie Hunger leiden mussten, dass sie kein Dach über dem Kopf hatten“, sagt Riner rückblicke­nd. Und was der Hüne sich in den Kopf gesetzt hat, das verfolgt er auch mit Konsequenz. Das gilt für seinen Sport wie für sein soziales Engagement.

Im Vorjahr hat Riner seine Teilnahme in Düsseldorf noch kurzfristi­g zurückgezo­gen. Da war das Turnier auch noch ein Grand-Prix, ausgericht­et in der Mitsubishi-ElectricHa­lle. Dieses Jahr ist es aber ein Grand-Slam. Der erste, der je in Deutschlan­d ausgetrage­n wurde, einer von sechs Austragung­sorten neben Paris, Tokio, Baku/Aserbaidsc­han, Jekaterinb­urg/Russland und Abu Dhabi. Das lockt auch Riner. In Los Angeles bereitet er sich auf das Wochenende vor, seine Gewichtskl­asse steht am Sonntag ab 10 Uhr auf dem Programm.

Alles andere als ein Sieg Riners wäre eine Überraschu­ng. Er hat Niederlage­n ja quasi abgeschaff­t.

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FOTO: IMAGO Teddy Riner

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