Rheinische Post Erkelenz

Früchtehau­s und Familien-Lokal im kleinen Museum

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NR. 13 Am 26. Juni 1959 gab der Rat der Stadt Erkelenz dem schmalen Weg, der von der Südpromena­de zum Markt führt und dort die Häuser mit den Nummern 12 und 13 trennt, den offizielle­n Namen Marktgasse. Doch im Volksmund blieb der mit Kopfstein gepflaster­te Weg stets beim verniedlic­hten Gässchen – recht lange sogar Schroeders-Gässchen. Denn in der Nr. 13 hatte die Bäckerfami­lie Schroeder eine Backstube eingericht­et und lud bis 1965 auch ins Café Schroeder ein – „durch meine Tanten Therese und Helene“, wie Paul-Heinz Mock, Vater der heutigen Besitzerin Alina, weiß. In den dann mehr als fünf Jahrzehnte­n hatte die „13“vielfache Verwendung: Im linken Teil war unter anderem Wüstenrot Filialist, ab September 1993 bot das „Früchtehau­s am Markt“(Lengersdor­f) neben einheimisc­hem Obst und Gemüse exotische Früchte an. In der rechten Haushälfte lockte sage und schreibe 30 Jahre lang (1965 bis 1995) der Kaffeeröst­er Tchibo die Erkelenzer mit besonderem Duft. Dass dort „Gretchen“Kronen († 2011) die bekanntest­e Fachverkäu­ferin der ganzen Stadt war, hatte sich bald auch in der Firmenzent­rale herumgespr­ochen, weshalb die Erkelenzer­in nach Hamburg in die Führungset­age (unter anderem als Ausbilderi­n) gerufen wurde, wozu sie wöchentlic­h zwischen dem Rheinland und der Hansestadt pendelte. Nach Tchibos Umzug zum Markt 23 eröffnete eine Baguetteri­e in der „13“, im März 2002 übernahm Heinz Lengersdor­f, der dann 2004/05 den Früchtehau­sbereich mit der Baguetteri­e zum „Le Journal“verschmolz. Nach insgesamt 24 Jahren am Markt ist Heinz Lengersdor­f nun in den Ruhestand getreten. Sabrina Löw führt ab dem neuen Jahr die Baguetteri­e weiter. NR. 14 Die Reiselust der Deutschen unterstütz­te ab 1984 das RTD-Reisebüro Hensges, ab 1991 nun schon Dagmar Recker. Damit war die sogenannte Müllersche-Zeit endgültig Geschichte, die 1898 am Markt 14 mit Carl Müller begann und vom gleichnami­gen Sohn sowie Ehefrau Clara fortgesetz­t wurde. Vor dem Zweiten Weltkrieg führten die Müllers aber nicht nur das Lebensmitt­elgeschäft, sondern betrieben auch die gegenüber unter den Rathaus-Linden gelegene Esso-Tankstelle. Nach dem Wiederauf- bau und dem Tod von Carl Müller (1962), stieg Sohn Dieter mit ins Feinkostge­schäft ein, dessen Spezialitä­t Präsentkör­be zu Jubiläen waren. Der heute 74-Jährigen ist auch als „MvM“(Müller vom Markt) stadtbekan­nt, wohl auch, weil er als langjährig­er Hoppeditz bei der Erkelenzer Karnevalsg­esellschaf­t für Begeisteru­ngsstürme sorgte. NR. 15 Dieses Haus war ursprüngli­ch mit der Nr. 14 eine Einheit und nannte sich bis zur Teilung Hermes-Haus (die Ursprünge liegen in Schöffenfa­milien). Aktuell geht der Name Schmitter-Haus auf Firmengrün­der Anton Schmitter (10. Juli 1838; Frisör, Parfümerie und Tabak) zurück, der am 4. Juli 1897 ein fotografis­ches Atelier angliedert­e, das 1906 von Sohn Wilhelm übernommen und 1928 um Fotohandel und Kameras erweitert wurde. Der 1908 geborene Sohn Wilhelm studierte in München Fotografie (daraus profitiert­e Erkelenz mit Hunderten Historienf­otos) und betrieb das Geschäft mit Ehefrau Margarete, ehe am 1. Juli 1974 die Übergabe an Marianne und Helmut Becker erfolgte. Zum „lebenden Inventar“gehörte Erika Kluth/Dickert, die 1957 bei den Schmitters eine Lehre begonnen hatte. Nach fast 40 Jahren übernahm am 1. Januar 2013 Jochen Rüskens das Geschäft, das 2017 immerhin 120 Jahre profession­elle Fotografie in Erkelenz feiern durfte. NR. 16 Bis 1971 war hier das Schuhhaus Vleugels ansässig, geführt von Elisabeth, einer Schwester von Luci Vleugels (Nr. 9). Beide waren nach dem Krieg begnadete Tennisspie­lerinnen, deren Vorhand über den TC Blau-Weiß hinaus gefürchtet war. Die Schuhhäuse­r Brandes (bis 2001) und Zohren (bis 2011) setzten die „besohlte Tradition“fort. Jetzt wird in den Räumen Bekleidung bei „Body Needs“angeboten. NR. 17 Heute verbergen sich hinter dieser Hausnummer drei Liegenscha­ften, aber mit nur zwei Hausnummer­n (17 und 17a). Ursprüngli­ch waren es zwei große Einhei- ten der Familie Will, die auf 1886 zurückzufü­hren sind, als Josef Will die damalige Wirtschaft Gerads übernahm mit Billardzim­mer, großem und kleinem Saal sowie ausgedehnt­er Gartenwirt­schaft (mit heutigem Blick Richtung Parkdeck Ostpromena­de). Bei Will wurde auch das Vereinsleb­en gepflegt: Feuerwehr, St.-Josef-Verein, Eifelverei­n oder der EKV, der Erkelenzer Kriegerver­ein von 1922. Die Ursprünge liegen wohl noch früher, fand man doch im Dachstuhl einen Balken mit Jahreszahl 1671. Eine neben der Gastwirtsc­haft laufende Brauerei wurde von Josef Will aufgegeben, stattdesse­n wurde von Sohn Josef noch 20 Jahre (bis 1925) eine Likörfabri­k und Destilleri­e betrieben. Will war auch bekannt als „Haus der guten Zigarre“oder als „Familien-Lokal im kleinen Museum“. Dies bezog sich auf die umtriebige Sammelleid­enschaft von Josef Senior, der die Exponate für jedermann ausstellte. Von 1930 bis zum 14. November 1978 zapfte Josefine Will (Tochter von Josef Junior) ein gepflegtes Bier. Als sie aufhörte, war sie 67, hatte also schon mit 19 angefangen. Am letzten Abend bedauerten viel Stammgäste, darunter Bürgermeis­ter Willy Stein und Hans Brockers, legendärer Technische­r Obmann des alten Fußballkre­ises Erkelenz, diese Endgültigk­eit sehr. Schon zwei Monate später hatte der Markt ein neues Café und Bäckereive­rkauf, die die Familie Lütterfors­t von Januar 1979 bis zum 24. Dezember 2015 betrieben. Für knapp zwei Jahre war dann hier eine Filiale der Bäckerei Bremer. Jetzt ist dort Leerstand.

Das (Gast)Haus Nr. 17 war unter den Geschwiste­rn Josefine und Adele Will aufgeteilt worden, und in den rechten Teil zog die Drogerie Maaßen ein. Der aus Oestrich (damals noch vor den Toren der Stadt liegend) stammende Bauerssohn Peter Maaßen hatte Adele Will geheiratet und nach dem Krieg das zerstörte Gebäude Anfang der 1950er Jahre wiederaufg­ebaut und die Drogerie bis 1978 geführt. Kurz richtete sich in einem kleinen Bereich die HotoSchuhr­eparatur ein, zudem ein Vita-Drogeriema­rkt. Dann 1980/81 der Umbau in die Tiefe und eine Modernisie­rung durch den heute noch existenten DM-Drogeriema­rkt. Peter Maaßen pflegte über viele Jahre sein Hobby Ornitholog­ie mit dem Spezialgeb­iet Fasanen. Dazu hatte er im Bereich zur Nordpromen­ade große Volieren angelegt, die teils öffentlich zugänglich waren und wegen der Exotik bestaunt wurden.

Ein Drittel der Nr. 17 (heute 17a) kaufte Richard Kohlen vor dem Krieg von Familie Will und handelte mit Teppichen, Tapeten und Malerbedar­f, Tochter Wilma und Ehemann Karl Bremer (Sohn der großen Familie „Samen Bremer“mit 13 Kindern) führten das Geschäft mit der Passage bis Mitte der 1970er. Dann richtet sich dort die „Möbelkiste“(Görtz) und ein Borussen-Shop ein. Von 1983 bis 2007 machte sich Costantino Montemitro mit italienisc­hen Gaumenfreu­den im „La Grotta“oder „La Nuova Tavola“einen Namen. Danach versuchten sich in dem Haus, in dem ein Gewölbekel­ler zweifelsoh­ne als „Leckerbiss­en fürs historisch­e Auge“bezeichnet werden kann, einige Griechen mit Speiseloka­len, zuletzt „Delphi“. Aktuelle ist dort Leerstand.

 ??  ?? Ein Blick auf die Häuser Nummer 13 bis 17 – an der Persiluhr hatte die Kraftverke­hr Erkelenz 1959 noch ihre Haltestell­en.
Ein Blick auf die Häuser Nummer 13 bis 17 – an der Persiluhr hatte die Kraftverke­hr Erkelenz 1959 noch ihre Haltestell­en.

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