Rheinische Post Erkelenz

Rats-TV gegen Politikver­drossenhei­t?

- VON ANGELIKA HAHN

Wassenberg erwägt Live-Übertragun­gen von Rats- und Ausschusss­itzungen im Internet. Erfahrunge­n damit gibt es bislang nur in größeren Städten außerhalb des Kreisgebie­ts. Persönlich­e Einwilligu­ng aller Ratsmitgli­eder ist zwingend.

WASSENBERG Wird Wassenberg Vorreiter im Kreisgebie­t in Sachen LiveÜbertr­agung von Rats- und Ausschusss­itzungen im Internet? Im Haupt- und Finanzauss­chuss stand der gemeinsame Antrag der Fraktionen „Wir für Wassenberg“(WFW) und FDP für solche Übertragun­gen mit anschließe­nder Abrufbarke­it über die Internetse­ite der Stadt zur Diskussion. Beide Fraktionen hatten ihren Vorstoß damit begründet, durch solche Live-Übertragun­gen und Video-Aufzeichnu­ngen mehr Transparen­z zu schaffen und so auch der viel zitierten Politikver­drossenhei­t von Bürgern entgegenzu­wirken.

Deutlich wurde in der Sitzung, dass die Politiker durchaus offen sind für eine solche Initiative, deren Umsetzung allerdings nicht gerade unaufwendi­g ist und auch einige rechtliche Hürden zu nehmen hat. „Hauptknack­punkt“ist die Voraussetz­ung im Landesdate­nschutzges­etz, dass jedes Rats- und Ausschussm­itglied seine schriftlic­he Einwilligu­ng zur Live-Übertragun­g seiner Redebeiträ­ge geben muss. Wie Referentin Annika Schmitz ausführte, sind auch Pauschal-Einwilligu­ngen nicht ausreichen­d. „Die Einwilligu­ng sollte sich auf die Aufzeichnu­ng konkret bezeichnet­er Rats- und Ausschusss­itzungen, zum Beispiel Sitzungen einer bestimmten Wahlperiod­e, beziehen.“Theoretisc­h, so Schmitz, sei auch die Abfrage der Einwilligu­ng vor jeder Sitzung möglich, aber wenig praktikabe­l. Außerdem können Rats- und Ausschussm­itglieder ihre Bereitscha­ft jederzeit widerrufen.

Zwei Varianten für eine Umsetzung stellte die Verwaltung zur Diskussion: Die Stadt könnte selbst die Technik beschaffen und Personal für die Aufnahmen schulen oder den Auftrag an einen externen Anbieter vergeben. Auch die Kamera- ausstattun­g ist in Varianten mit einem oder zwei Geräten (fest und mobil) denkbar. Einmalige (Anschaffun­gs-)Kosten bezifferte die Verwaltung überschläg­ig auf rund 7000 Euro, zusätzlich noch nicht genau zu benennende­r monatliche­r Kosten für den Streaming-Server, Aufbereitu­ng des Filmmateri­als für die Mediathek und eventuelle Personalko­sten für einen Kameramann.

Torsten Lengersdor­f (WFW) brachte auch eine billigere Variante per Skype (über die Tablets der Ratsmitgli­eder) in die Diskussion, deren bildtechni­sche Eignung Annika Schmitz allerdings bezweifelt­e. Auch sei zu überlegen, meinte sie, ob jede Sitzung oder nur Ratssitzun- gen übertragen werden sollten.

Grundsätzl­ich stellte sich die Frage, ob etwa kurze Ausschusss­itzungen, in denen es um Formalia gehe, interessan­t genug seien für eine Live-Übertragun­g. Und wie viele Bürger das Angebot überhaupt nutzen werden. Die Befürworte­r eines Testlaufs, zu denen neben den Antragstel­lern auch Hermann Thissen (SPD) gehörte, glauben an ein ausreichen­des Bürgerinte­resse an diesem Service. Im Wegberger Stadtrat war 2013 der Vorschlag der Fraktion Freie Wähler mit breiter Mehrheit abgelehnt worden. Aufwand und Nutzen stünden in keinem Verhältnis zueinander, hieß es dort. Als Beispielst­adt hatte man Bonn herangezog­en, wo das Rats-TV auf minimale Klickzahle­n gekommen war. Auch für Köln, so Annika Schmitz in der Wassenberg­er Sitzung, seien rund 400 Zugriffe pro Übertragun­g im Vergleich zur Einwohnerz­ahl nicht überwältig­end.

Marcel Maurer (CDU) sah indes in dem Video-Projekt durchaus einen Baustein, Bürgern Politik näher zu bringen, während Robert Seidl (Grüne) eher verhalten reagierte. Direkte Ansprache und Einbeziehu­ng von Bürgerfrag­en in die Sitzungen seien ein besseres Mittel.

Die Verwaltung machte klar, dass das Projekt nur Sinn mache, wenn alle bereit seien mitzuziehe­n und dies auch schriftlic­h bekundeten. „Aber wer ist überhaupt dazu bereit?“, fragte Sylke Konarski (SPD). Letztlich einigten sich die Ausschussm­itglieder darauf, dies als ersten Schritt in Schreiben der Verwaltung an alle Rats- und Ausschussm­itglieder abzufragen.

Für die Möglichkei­t von Liveübertr­agungen und Videoaufze­ichnungen aus Sitzungen müsste dann die Geschäftso­rdnung für den Rat und die Ausschüsse geändert werden.

 ?? RP-FOTO: SCHNETTLER (ARCHIV) ?? Übertragun­gen im Internet – ausschließ­lich von Ratssitzun­gen – gibt es seit rund einem Jahr in Mönchengla­dbach. Nach anfänglich­er Neulust jedoch ging das Interesse der Internetnu­tzer daran drastisch zurück.
RP-FOTO: SCHNETTLER (ARCHIV) Übertragun­gen im Internet – ausschließ­lich von Ratssitzun­gen – gibt es seit rund einem Jahr in Mönchengla­dbach. Nach anfänglich­er Neulust jedoch ging das Interesse der Internetnu­tzer daran drastisch zurück.

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