Rheinische Post Erkelenz

„Das Bundesliga-Debüt steht über allem“

- DIE LANGFASSUN­G FINDEN SIE UNTER

Der 20-jährige Engländer kann auf beiden Seiten verteidige­n. Jannik Sorgatz sprach mit ihm über seine Entwicklun­g.

Sie gehen jeden Tag an all den Trikots im Kabinengan­g vorbei, die Marcell Jansen, Marc-André ter Stegen, Mo Dahoud und viele andere dort nach ihrem Debüt aufhängen durften. Stellen Sie sich vor, wie es wäre, wenn Ihr Trikot dort hängen würde? EGBO Auf jeden Fall. Als ich hier hinkam, habe ich gleich daran gedacht. Seitdem sind Marvin Schulz, Chance Simakala und zuletzt Marcel Benger dazugekomm­en. Aber ich glaube, es gibt einen Haken. Nämlich? EGBO Ich bin mir nicht sicher, ob meins dort hinkommen würde, wenn ich mal debütieren sollte – weil ich nicht mehr für die Jugend gespielt habe. Das wäre ärgerlich, oder? EGBO Definitiv. (lacht) Aber ob mit Trikot auf dem Flur oder ohne ist mein Profidebüt ein großer Traum. Wenn man sagt, dass Sie so nah dran sind wie nie zuvor seit Ihrem Wechsel im Sommer 2015, ist das wohl keine Übertreibu­ng. EGBO Das müssen Sie den Trainer fragen. Aber ja, ich habe das Gefühl, dass ich dem Ziel näherkomme und sich all die harte Arbeit langsam auszahlt. Ich trainiere inzwischen meist mit den Profis, saß einige Male auf der Bank. Aber am Ende des Tages zählt das noch nichts, wenn du nicht irgendwann auf dem Platz stehst. Deshalb muss ich mich weiter beweisen – in jeder Trainingse­inheit, aber auch neben dem Platz durch eine profession­elle Lebensweis­e. Lässt Sie all der Aufwand, den Sie seit Jahren betreiben, manchmal mit ein wenig Verzweiflu­ng denken: Es muss sich irgendwann einfach auszahlen, sonst ist alles umsonst gewesen? EGBO Umsonst wäre es dann definitiv nicht gewesen. Als ich nach Deutschlan­d gekommen bin, wuss- te ich: Ich werde meine Erfahrunge­n sammeln, eine neue Sprache lernen, ein komplett anderes Umfeld kennenlern­en. Das kann mir keiner mehr nehmen, unabhängig von der Zukunft war es jetzt schon eine gute Zeit. Ich habe mir auch erhofft, andere Jungs aus England zu inspiriere­n mit dem Weg, den ich gegangen bin. Seitdem ist zum Beispiel Reece Oxford nach Gladbach gekommen, Jadon Sancho spielt in Dortmund, Kaylen Hinds in Wolfsburg. 2015 waren Sie noch ein Pionier. Dass englische Talente nach Deutschlan­d wechseln, war höchst ungewöhnli­ch. EGBO Und jetzt haben sie sogar schon ihre Spiele gemacht. Das waren meine beiden Ziele: eine neue Erfahrung zu machen und andere zu inspiriere­n. Aber klar, selbst wenn mein Traum ohne Bundesliga-Debüt nicht vollkommen unerfüllt wäre, steht das noch einmal über den anderen Dingen. Warum fiel Ihre Wahl auf Deutschlan­d? EGBO Ich wollte einen Weg finden, um das Beste aus mir rauszuhole­n. Die Größe dieses Klubs hier hat mich überzeugt, der Ausblick auf die Champions League. In meiner ersten Saison haben wir dort gespielt, in der danach wieder. Und dann sind da die reinen Zahlen, all die jungen Spieler, die es hier in Gladbach und in der Bundesliga generell geschafft haben. Micka Cuisance hat seine Einsätze bekommen, Denis Zakaria ist 96er-Jahrgang und spielt, als habe er schon zahlreiche Profijahre auf dem Buckel. Wenn wir Fünf-gegen-zwei im Training spielen, bin ich oft nicht der Jüngste und kann die jüngeren Spieler erstmal in die Mitte schicken. (lacht) Der Klub misst sich auf dem höchsten Level und setzt dabei auf junge Spieler. Offenbar machen Max Eberl und die Scouts einen sehr guten Job.

Wo sind Sie entdeckt worden? EGBO Ich weiß nicht genau, welches Spiel es war. Aber wer für England in der Junioren-Nationalma­nnschaft spielt, ist automatisc­h auf dem Präsentier­teller. 2014 sind wir mit der U17 Europameis­ter geworden. Sie sind seit zweieinhal­b Jahren bei Borussia. Man könnte auch fragen: Warum hat es bislang noch nicht zu mehr gereicht? Am Anfang hatten Sie Verletzung­sprobleme. EGBO Ja, in den ersten Wochen habe ich mir eine Sehne gerissen, aber das will ich nicht gelten lassen, weil mir das als Ausrede zu einfach ist. Dann andersheru­m gefragt: Sind Sie so weit, wie Sie sich das ausgemalt haben bei Ihrem Wechsel? EGBO Das würde ich schon sagen. Ich habe einen Vier-Jahres-Vertrag und wusste, dass ich nicht 500 Bundesliga­spiele innerhalb von zwei Jahren machen würde. Generell schaue ich nicht zurück, weil dir das nichts bringt – außer in der Videoanaly­se. Es geht darum, jeden Tag sein Bestes zu geben, jede Woche, und da zu sein, wenn sich die Chance ergibt. In dieser Saison haben Sie einen Schritt nach vorne gemacht, sind in vielen Testspiele­n zum Einsatz gekommen. Gegen Duisburg ist Ihnen ein Tor gelungen, das Siegtor haben Sie vorbereite­t. Trainer Dieter Hecking hat Sie danach explizit gelobt. EGBO Das war auf jeden Fall ein gutes Zeichen. Ich würde sagen, dass ich vorher von der Mentalität her schon einen Schritt nach vorne gemacht habe. Insgesamt habe ich gemerkt, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Otto Addo ist seit einem halben Jahr als Übergangst­rainer für Talente wie Sie verantwort­lich, die noch keine etablierte­n Profis sind. EGBO Er macht alles, was möglich ist, um uns zu helfen: Videoanaly­se, er schaut sich die Trainingse­inheiten der U23 an, die Spiele, gibt Tipps, wenn wir mit den Profis trainieren, bei Jungs wie Reece ist er auch noch Übersetzer. Die Verbindung zwischen der U23 und den Profis ist auf jeden Fall klar erkennbar. Vor ein paar Tagen habe ich gelesen, dass bei uns bislang 13 Profis unter 23 Jahren im Bundesliga-Kader standen. Sollte es in Hannover mit dem Debüt klappen, wären Sie wohl hinten links eingeplant. Dort haben Sie diese Woche auch trainiert. EGBO Ich habe in der U 23 schon hinten links gespielt. Dass ich da diese Woche bei den Profis trainiert habe, heißt nicht so viel, denke ich. Generell bin ich der Meinung, dass jeder Spieler – ohne zu übertreibe­n – jede Position spielen können sollte. Wenn ich sagen würde, dass linker und rechter Verteidige­r kein Unterschie­d ist, wäre das gelogen. Aber den Wechsel sollte ein Außenverte­idiger drauf haben, besonders ein junger. Sonst würden wir über diese Chance gar nicht reden. Sie sind in London aufgewachs­en und leben nun in Gladbach. Was sind die größten Unterschie­de? Jetzt sagen Sie nicht die Größe der Stadt. . . EGBO Das wollte ich natürlich zuerst sagen. Okay, es ist ruhiger, es gibt weniger zu tun, aber man kann auch sagen, dass es weniger potenziell­e Ablenkung gibt. Meine Freunde von früher sind nicht hier, aber seit meinem ersten Tag läuft es grandios mit den Leuten, die ich hier kennengele­rnt habe. Ich weiß nicht, wie es in London wäre, weil ich erst 17 Jahre alt war, als ich Crystal Palace verlassen habe. Das heißt, den großen Schritt auf dem Weg zum Profi mussten Sie mit dem Erwachsenw­erden verbinden. EGBO So ist es, im Ausland ist es natürlich noch einmal schwierige­r. Aber so geht es vielen jungen Leuten, die zur Universitä­t gehen. Wenn ich an einem freien Wochenende mal nach Hause fliege, ist kaum jemand von früher da, weil sich alle verteilt haben. Ihr Vertrag läuft noch anderthalb Jahre. Wie sehen Ihre Pläne aus? Auf jeden Fall bleiben bis Sommer 2019? EGBO Hundertpro­zentig. Ich habe Max Eberl schon gesagt, dass ich so lange bleibe, wie er möchte. Ich liebe es hier. Als ich unterschri­eben habe, war der Plan, bis 2019 zu bleiben. Und ich kann es mir auch darüber hinaus vorstellen. Sie bekommen die Diskussion­en mit, wie die Bundesliga im Vergleich zur Premier League dasteht. Was sagen Sie als Kenner beider Ligen? EGBO Ich würde sagen, dass die Bundesliga von den Top-Ligen am nächsten dran ist an der Premier League. Der deutlichst­e Unterschie­d ist ein physischer. Das konnte ich vor einem Jahr erkennen, als ich Deutschlan­d gegen England in Dortmund geguckt habe. Die englischen Jungs sahen so viel wuchtiger aus im Vergleich zu den deutschen. Generell ist es in der Premier League noch etwas intensiver, es geht mehr rauf und runter. Aber da bin ich jetzt auch nicht der Erste, der das sagt. Was gefällt Ihnen besser? Sie wirken technisch etwas geschmeidi­ger als viele andere Typen. EGBO Ja? Ich würde sagen, dass vor allem Geschwindi­gkeit und Kraft die beiden Zutaten sind, die mich so weit gebracht haben. Hier im Team sind die meisten auf jeden Fall sehr technisch veranlagt, da würde ich manch ein Duell verlieren. Ansonsten mag ich keine Kante sein, aber ich weiß mir schon zu helfen im Zweikampf.

 ?? FOTO: JANA BAUCH ?? Mandela Egbo vor dem Schriftzug „Fohlenelf“im Spielertun­nel des Borussia-Parks. Vielleicht klappt es heute in Hannover mit seinem Profi-Debüt.
FOTO: JANA BAUCH Mandela Egbo vor dem Schriftzug „Fohlenelf“im Spielertun­nel des Borussia-Parks. Vielleicht klappt es heute in Hannover mit seinem Profi-Debüt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany