Gefährlich – mit Gesten unterhalten
Fast drei Stunden dozierte, referierte, improvisierte und verblüffte Comedian Bernhard Hoecker mit rhetorischer Gewandtheit. Sein Erkelenzer Publikum machte erkenntnisreiche und amüsante Erfahrungen.
ERKELENZ „Sie liegen richtig falsch“, behauptet Bernhard Hoecker in seinem Programm, mit dem er in der Erkelenzer Stadthalle gastierte. „Sie sitzen richtig richtig“, sagten viele der knapp 400 Besucher nach fast drei Stunden, in denen sie kurzweilige, zum Teil erkenntnisreiche, aber auf jeden Fall amüsante Erfahrungen machten.
Der wohlwollend geschätzt 1,60 Meter große Comedian aus Bonn dozierte, referierte, improvisierte und verblüffte mit rhetorischer Gewandtheit, wenn er etwa in sein Abschlusslied Dinge einbaute, die ihm erst während des Auftritts bekannt geworden waren, wie etwa die Liebesgeschichte eines Paars aus Titz oder der Schulring und das Kölner Tor.
Vorurteile sind Hoecker am liebsten. „Wir müssen Vorurteile abbauen, damit wir Platz für neue bekommen.“Wer Vorurteile hege, liege richtig falsch. Sie zu zerlegen und neue oder tatsächliche Zusammenhänge herzustellen, macht ihm Spaß: „Am Anfang waren alle Menschen, weil aus Afrika stammend, schwarz, wir Deutschen haben nur eine starke Pigmentstörung“, wirft er fast beiläufig in den Saal. Dass die Walküre erst zu der wurde, die jedermann glaubt zu kennen, nämlich eine Frau mit „großer erotischer Bearbeitungsfläche“, sei ein Verdienst von Richard Wagner. Der Komponist, „für alle jüngeren im Publikum aus der Smartphone-Generation also ein Songwriter“hätte Opern („Mottoalben“) geschrieben, in denen die Walküre als dicke Frau erschien, tatsächlich sei sie ein elfenhaftes Wesen gewesen.
Immer wieder verband Hoecker seine Programmpassagen mit Improvisationen, die sich aus dem Dialog mit dem Erkelenzer Publikum ergaben oder aus der (fiktiven?) interaktiven Befragung, die er während der Show im Saal mittels Smartphone durchführte. Warum steht der Mensch im Supermarkt immer in der Schlange, in der er am Längsten warten muss? Warum benutzt er bei öffentlichen Toiletten immer die am weitesten entfernte? Warum hat ausgerechnet „immer“mein Zug Verspätung? Fragen über Fragen, auf die keiner Antworten weiß – fast keiner: Hoecker liefert sie.
Ob als Klugscheißer oder Oberlehrer, ob als Besserwisser oder Märchenerzähler, das muss jeder mit sich selbst ausmachen. Ob Hoeckers Antworten richtig richtig oder richtig falsch sind, spielt keine Rolle, sie sind auf jeden Fall witzig und teilweise kurios. Wie er am Beispiel von Fingerzeichen erklärte, bedeutet eine Geste in Deutschland oft genau das Gegenteil von dem, was sie in Peru bedeutet. Der erhobene Daumen hierzulande als Zustimmung ist in anderen Ländern eine Beleidigung. So kommt es zu grotesken Situationen, wenn Menschen aus unterschiedlichen Ländern nur mit Zeichen versuchen, sich zu verständigen. Da kann aus der vermeintlichen Liebeserklärung schnell ein wüster Streit werden.
Aber auch die Sprache birgt Fallstricke, wie etwa das hierzulande beliebte Public Viewing als Rudeljubeln beim Fußball, das in Amerika als das öffentliche Aufbahren eines Verstorbenen verstanden wird. „Und nun sagen Sie mal Ihrem amerikanischen Gast, er solle sich in Erkelenz bunt kostümiert, grölend und fähnchenschwenkend an einem Public Viewing beteiligen.“Das Public Viewing habe nichts mit Fußball zu tun, „es sei denn, man ist HSV-Fan“, sagt der 47-jährige Effzeh-Fan, für den der 1. FC Köln eine „Jesus-Mannschaft“ist: Er versinkt in der Gruft und steigt wieder auf.