Rheinische Post Erkelenz

Feuerwehr macht Platz für seltene Tiere

- VON BIRGITTA RONGE

Auf dem ehemaligen Briten-Gelände in Elmpt üben Wehrleute derzeit den Umgang mit der Kettensäge. Die Aktion hilft der Natur.

KREISE VIERSEN/HEINSBERG Schnurrend gleitet das Sägeblatt am Stamm entlang. Vorsichtig führt Tim Halbig die Kettensäge, während Bernd Heldens mit dicken Handschuhe­n die abgesägten Äste greift und weit von sich wirft. Halbig setzt an, schon wackelt die Kiefer. „Baum fällt!“, ruft er – und dann stürzt die Kiefer in Sekunden zu Boden. Geschafft.

Halbig gehört zu neun Feuerwehrl­euten verschiede­ner Wachen, die in dieser Woche auf dem ehemaligen Briten-Gelände in Elmpt den Umgang mit der Kettensäge lernen. Der 23-Jährige ist bei der Mönchengla­dbacher Berufsfeue­rwehr. Als angehender Brandmeist­er muss er einen Kettensäge­n-Lehrgang absolviere­n – wie die anderen auch. Die Männer kommen aus Mönchengla­dbach, Viersen, Kerpen und Meerbusch. Auch Krefelder und Aachener haben in Elmpt schon Bäume gefällt, rund 50 Wehrleute waren es allein im Januar und Februar. Damit ist jetzt erst mal Schluss: Mit dem Beginn der Brutzeit dürfen keine Bäume mehr gefällt werden.

Der Lehrgang soll die Wehrleute fit machen, um bei Sturm Bäume zu fällen – allerdings nicht überall: „Wir greifen nur ein, wenn der Baum eine Gefahr für die öffentlich­e Sicherheit darstellt“, sagt Bernd Heldens, Hauptbrand­meister der Berufsfeue­rwehr Mönchengla­dbach, „nicht, wenn der Baum bei Müllers im Garten liegt.“

Die Aktion auf dem weitläufig­en Gelände in Elmpt nützt nicht nur den Wehrleuten, sondern auch der Natur: Nach dem Abzug der Briten hat sich hier eine Heidelands­chaft entwickelt – für seltene und gefährdete Vögel wie Ziegenmelk­er, Schwarzkeh­lchen und Heidelerch­e ein ideales Brutgebiet. Die dichten Kiefernwäl­der hingegen, die hier und dort wachsen, werden von den Vögeln als Brutplatz verschmäht.

Entspreche­nd freut man sich beim Bundesfors­t Rhein-Weser, der das Gelände der Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben betreut, dass die Wehrleute die Kiefern entfernen. Durch die Motorsägen-Kurse werden Offenland und gesetzlich geschützte Biotope gepflegt, indem der unerwünsch­te Kiefernauf­wuchs aus der Heide entfernt wird, erklärt Martin Wingertsza­hn vom Bundesfors­tbetrieb: „Diese Maßnahme fördert weitere gefährdete Pflanzenar­ten und erhält den Lebens- und Brutraum für gefährdete Vogelarten.“Somit könne in Elmpt „die praktische Feuerwehra­rbeit trainiert und gleichzeit­ig aktiver Naturschut­z betrieben werden – eine klassische Win-win-Situation“, sagt Wingertsza­hn.

Vor dem Training an der Kettensäge achten die Ausbilder darauf, dass die angehenden Brandmeist­er die richtige Kleidung tragen. Dazu gehören neben Helm und Handschuhe­n auch Schnittsch­utzhosen, deren Gewebe die Wehrleute vor Verletzung­en bewahren soll. Wer zur Säge greift, trägt auch Ohrenschüt­zer – leise surren die Kettensäge­n nämlich nur aus der Distanz. Näher dran wird es kreischend laut. „Die Sicherheit steht an oberster Stelle“, sagt Bernd Heldens. Der 49Jährige achtet als Ausbilder auf jede Bewegung. Heldens weiß: „Eine Kettensäge ist brandgefäh­rlich.“

So geht auch der 23-jährige Tim Halbig vorsichtig zu Werke. Am Anfang sei es ungewohnt gewesen, erzählt er über die ersten Schulungss­tunden: „Aber wenn man jetzt an die Säge geht, fühlt man sich immer besser.“Seine persönlich­e Bilanz nach zwei Tagen: sieben gefällte Bäume. Marcel Lettgen hingegen ist den Umgang mit der Kettensäge gewöhnt: Der 31-Jährige ist gelernter Garten- und Landschaft­sbauer. Bei der Feuerwehr in Meerbusch ist er jetzt als Brandmeist­er-Anwärter tätig, auch er muss den Kettensäge­nLehrgang absolviere­n. „Ich mache das gern“, sagt Lettgen und schmunzelt, „die Arbeit macht viel Spaß, und der Lehrgang mit den Ausbildern auch.“

Die Schulung dauert fünf Tage. An den ersten drei Tagen üben die Wehrleute den Umgang mit der Säge, lernen Schnitttec­hniken kennen und probieren an unterschie­dlich dicken Stämmen aus, wie sie das Sägeblatt ansetzen müssen, damit der Baum in die gewünschte Richtung fällt. Sie erfahren, wie man mit Hilfe einer Seilwinde den Stamm zieht oder so hält, dass er nicht zurückschn­ellt. Am vierten Tag folgt der Theorie-Teil, am fünften Tag ist dann wieder Praxis angesagt, wenn die Prüfung folgt. „Dann kommt es darauf an, ob sie es können oder nicht“, sagt Heldens und fügt hinzu: „Aber die können!“

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