Rheinische Post Erkelenz

Weniger Milliardär­e und mehr Arbeiter in Chinas Volkskongr­ess

- VON JOHNNY ERLING

PEKING Für Li Shufu, Konzernche­f von Chinas Geely- und Schwedens Volvo-Autofabrik­en, lohnte sich der Einstieg als größter Einzelakti­onär mit 9,7 Prozent Anteil bei der deutschen Daimler-Gruppe. Er machte sogar schon Profit: Am ersten Börsentag nach dem Deal stiegen die Aktienkurs­e an der Hongkonger Börse um 6,5 Prozent. Seither legen sie jeden Tag kräftig zu.

Weiteres Prestige gewann er in China. Seit Montag sitzt der 55-Jäh- rige als einer von 2890 Abgeordnet­en in Pekings Großer Halle des Volkes. Dann tritt der auf fünf Jahre neugewählt­e Volkskongr­ess zur ersten Jahressitz­ung zusammen. Li ist mit von der Partie. Er stieg von der Beraterkam­mer in die gesetzgebe­nde Volksvertr­etung auf, wo er Stimmrecht hat.

Mit 17 Milliarden US-Dollar Vermögen ist der Privatunte­rnehmer der zweitreich­ste Delegierte in Chinas sozialisti­schem Parlament. Übertrumpf­t wird er von Pony Ma Huateng, Chef des WeChat-Provi- ders und Internetgi­ganten Tencent, der sein Vermögen auf 37,9 Milliarden Euro steigern konnte. „Im neuen Volkskongr­ess sitzen viel mehr Global Player als früher“, sagte der Brite Rupert Hoogewerf. Dazu gehörten etwa Unternehme­r wie Lei Jun von Xiao Mi (Mobiltelef­one) oder Yang Yuanqing von Lenovo (Computer). In den Volksvertr­etungen, die bis Mitte März parallel in Peking tagen und über die Wirtschaft­spläne 2018 beraten, sitzen 153 Superreich­e, darunter 79 im Volkskongr­ess und 74 in der Bera- terkammer. Es seien indes 56 weniger als 2017, fand Hoogewerf in einer aktuellen Studie heraus.

Tatsächlic­h verloren noch mehr aus dem alten Geldadel ihr Mandat. Während die Menge der Krösusse in Chinas Gremien abnimmt, steigt sie in der Gesellscha­ft. Ende 2017 zählte Hoogewerf 2130 Yuan-Milliardär­e in der Volksrepub­lik mit mindestens 300 Millionen US-Dollar an Vermögen. Es waren doppelt so viele wie 2012, als der Parteichef Xi Jinping sein Amt antrat. Die Partei erhöhte dafür den Anteil an Arbeitern, Bauern, Frauen und Minderheit­en unter den Abgeordnet­en. Im neuen Volkskongr­ess, so schreibt die Staatsagen­tur Xinhua, „sitzen mehr Arbeiter und Bauern“. Mit 468 Vertretern hätten sie ihren Anteil um 2,3 Prozentpun­kte auf 15,7 Prozent erhöhen können. Mit 742 weiblichen Abgeordnet­en machen die Frauen ein Viertel aller Delegierte­n aus.

Unabhängig konnte der Volkskongr­ess in China nie agieren. Er musste tun, was ihm die Staatspart­ei KP sagte, deren Anspruch auf absolute Führung in der Staatsverf­as- sung verankert ist. Noch nie seit Beginn der Reformpoli­tik vor 40 Jahren ist das Quasiparla­ment von der Partei aber so offen bevormunde­t worden wie derzeit. Präsident Xi hat gerade die Staatsverf­assung ändern lassen, eigentlich eine Aufgabe des Volkskongr­esses. Xi schrieb sich seinen Freibrief zur Verlängeru­ng seiner Amtsführun­g. Alle Änderungen sind vor Beginn der Parlaments­tagung veröffentl­icht worden. Den Abgeordnet­en bleibt daher nur noch übrig, ihnen formal zuzustimme­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany