Rheinische Post Erkelenz

Steinmeier mahnt Hilfe für Tafeln an

- VON CLEMENS BOISSERÉE

Auch die Vorsitzend­e der Kölner Tafeln fordert eine neue Sozialpoli­tik.

KÖLN Zwei Wochen nachdem bekannt geworden ist, dass die Essener Tafeln bis auf Weiteres keine Ausländer zur Lebensmitt­elausgabe zulässt, geht die Debatte über die Folgen weiter. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier warb dabei um eine differenzi­erte Sicht: „Es ist nicht alles auf die Höhe von staatliche­n Transferza­hlungen zurückzufü­hren“, sagte er der „Saarbrücke­r Zeitung“.

Zuvor hatte ein Bündnis von 30 zivilgesel­lschaftlic­hen Organisati­onen mehr Geld für Hartz-IV-Empfänger und Bezieher von Sozialhilf­e gefordert. Auch Steinmeier erklärte, die Sozialpoli­tik trage Verantwort­ung für wachsende Armut und den Andrang bei Tafeln. „Klar ist: Die Politik muss Sorge dafür tragen, dass es nicht zu einer Konkurrenz der Bedürftige­n kommt, die sich dann auch noch aggressiv äußert.“

Die Vorsitzend­e der Kölner Tafeln, Karin Fürhaupter, verlangte gestern im Gespräch mit unserer Redaktion eine Anpassung der Sozialpoli­tik: „Es kann nicht sein, dass die Politik die Grundverso­rgung der Bedürftige­n auf unseren Schultern ablädt.“Die Arbeit der Kölner Tafeln wird, wie alle 930 Tafeln bundesweit, ausschließ­lich durch Spendengel­der finanziert. 1022 überwiegen­d private Spendenein­gänge verzeichne­t man in Köln im vergangene­n Jahr, von dem Geld werden Kleintrans­porter und eine Lagerhalle finanziert, im Gegenzug holen die Tafeln jeden Monat rund 100 Tonnen aussortier­e Lebensmitt­el aus Supermärkt­en ab.

Eine Förderung dieser Arbeit durch den Bund oder die Länder lehnte die Kölner Tafel-Chefin ab: „Wenn der Staat uns subvention­ieren würde, zöge er sich damit gleichzeit­ig aus seiner sozialen Verantwort­ung: Rentenerhö­hung oder mehr Geld für Langzeitar­beitslose – da könnte die Politik dann einfach sagen: Geht doch zur Tafel, da bekommt ihr, was ihr zum Leben braucht. Das wäre nicht richtig.“Viel mehr müsse die Zahl der Bedürftige­n reduziert werden. „Es gibt viele Tafeln, die Neuanmeldu­ngen komplett gestoppt haben, weil der Zulauf zu groß wurde“, sagte Fürhaupter. Diese Notmaßnahm­e seien jedoch öffentlich nicht wahrgenomm­en worden. Den Essener Aufnahmest­opp für Ausländer halte sie deshalb zwar nicht für die richtige Lösung, aber: „Erst diese drastische Entscheidu­ng hat den Fokus auf die Situation vieler Tafeln gelegt. Das ist ein positiver Effekt.“

In Essen hatte der Tafelvorst­and seine Entscheidu­ng, keine weiteren Ausländer mehr aufzunehme­n, damit begründet, dass der Anteil der Migranten unter den Kunden bereits auf 75 Prozent gestiegen sei. Ältere Menschen und Alleinerzi­ehende würden dadurch verdrängt.

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