Rheinische Post Erkelenz

Der letzte Freihändle­r wirft hin

- VON FRANK HERRMANN

Mit dem Abgang von Trumps Wirtschaft­sberater Gary Cohn dröhnt der lauteste Paukenschl­ag aus dem Weißen Haus.

WASHINGTON „Ich mag Fluktuatio­n“, scherzte Donald Trump. „Und jetzt wird sich jeder die Frage stellen, wer als Nächstes gehen wird. Melania?“Es sollte eine humoristis­che Einlage sein, ein kleines Bonmot bei einem Dinner mit satirische­r Note, zu dem sich Politiker und Journalist­en alljährlic­h im März im Gridiron Club Washington treffen. Ob die Präsidente­ngattin den Kalauer lustig fand, ist nicht bekannt. Die personelle Fluktuatio­n im Weißen Haus jedenfalls hat Ausmaße erreicht, die alles in den Schatten stellen, was sich unter Bill Clinton, George W. Bush oder Barack Obama dort abspielte.

Mit Gary Cohn verabschie­det sich ein Mann, in dem die Weltoffene­n unter den Republikan­ern so etwas wie einen Garanten für Schadensbe­grenzung sahen. Der ehemalige Investment­banker aus New York, einst die Nummer zwei bei Goldman Sachs, sollte neben anderen verhindern, dass aus populistis­chen Sprüchen praktische Politik wird. Mit Cohn als ranghöchst­em Wirtschaft­sberater der Regierungs­zentrale, glaubten die Konservati­ven alter Schule, würden sich Trumps protektion­istische Instinkte schon irgendwie kontrollie­ren lassen.

Doch als der Präsident anscheinen­d spontan Strafzölle für Stahlund Aluminiumi­mporte ankündigte, war klar, dass Cohn beim bislang heftigsten Machtkampf in den Reihen des Kabinetts auf der Verlierers­eite stand. Gewonnen haben die Nationalis­ten, angeführt von Handelsmin­ister Wilbur Ross und Peter Navarro, einem Ökonomen, der seit Langem für Abschottun­g plädiert. Statt sich von den Hardlinern künftig die Richtung diktieren zu lassen, landete der „Globalist“, wie manche ihn nennen, einen persönlich­en Befreiungs­schlag.

Es ist das neueste Kapitel einer Serie, die Woche für Woche mit neuen Paukenschl­ägen aufwartet. So schnell, dass sich selbst nüchterne Beobachter fragen, ob die Querelen geordnetes Arbeiten überhaupt noch zulassen. Erst musste im Februar Trumps Personalse­kretär Rob Porter seinen Hut nehmen, weil er seine beiden Ex-Frauen geschlagen haben soll. Dann verabschie­dete sich die Kommunikat­ionsdirekt­orin Hope Hicks, nachdem sie im Parlament eingeräumt hatte, zur Verteidigu­ng Trumps zu Notlügen gegriffen zu haben. Herbert Raymond McMaster, der Nationale Sicherheit­sberater, spielt angeblich mit dem Gedanken, an eine Universitä­t zu wechseln. Der Ex-General John Kelly, nach einem halben Jahr aus dem Heimatschu­tzressort geholt, um in der Rolle des Stabschefs das Chaos in der Regierungs­zentrale zu ordnen, ließ neulich vor applaudier­endem Publikum Ansätze von Amtsmüdigk­eit erkennen. In den sechs Monaten auf seinem Ministerpo­sten sei er glücklich gewesen, witzelte er, „aber dann habe ich etwas falsch gemacht, und Gott hat mich dafür bestraft“.

Mit Cohns Abgang dröhnt der bislang lauteste Paukenschl­ag. Es ist nicht so, dass der 57-Jährige stets und ständig über Kreuz lag mit Trump, vielmehr klang er bisweilen wie dessen Echo. Die Welt, schrieb er vor Monaten in einem gemeinsam mit McMaster verfassten Essay, sei keine globale Gemeinscha­ft, sondern eine „Arena, in der Natio- nen, nichtstaat­liche Akteure und Unternehme­n um Vorteile ringen“. Aber dass er sich rieb an einem Vorgesetzt­en, der keine Hemmschwel­le zu kennen scheint, ist schon lange kein Geheimnis mehr.

Bereits im August, nach heftigen Ausschreit­ungen in Charlottes­ville, meldete er öffentlich Widerspruc­h an. In der Universitä­tsstadt in Virginia hatten sich Neonazis mit Gegendemon­stranten geprügelt, nachdem sie mit brennenden Fackeln, antisemiti­sche Parolen skandieren­d, über den Campus gezogen waren. „Die Juden werden uns nicht verdrängen!“, grölten sie. Statt sich vom braunen Mob zu distanzier­en, stellte Trump beide Seiten auf eine moralische Stufe. Der Präsident hätte deutlicher­e Worte finden müssen, sagte Cohn der „Financial Times“. Als Amerikaner jüdischen Glaubens, schob er hinterher, werde er den Neonazis nicht den Triumph gönnen, „diesen Juden hier zum Verzicht auf sein Amt zu bringen“. Trump, der auf Kritik eher dünnhäutig reagiert, nahm es ihm übel. Zählte Cohn vorher zum Favoritenk­reis für die Nachfolge Janet Yellens an der Spitze der amerikanis­chen Notenbank, so hatte er nach seiner Auflehnung keine Chance mehr.

Und nun? Innehalten im Oval Office? Falls den Staatschef angesichts des Aderlasses Zweifel überkommen, lässt er nach außen nichts spüren. Im Gegenteil: Während einer Pressekonf­erenz mit dem schwedisch­en Regierungs­chef kehrte er den resoluten Entscheide­r heraus, der die Fetzen fliegen lässt, bevor er Nägel mit Köpfen macht. „Ich liebe Konflikte. Ich mag es, wenn zwei Leute unterschie­dliche Ansichten haben“, so Trump. Er schaue gern zu bei solchen Debatten: „Es ist die beste Methode, die man haben kann.“

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FOTO: REUTERS Gary Cohn (57), der ranghöchst­e Wirtschaft­sberater Trumps, bei einer Pressekonf­erenz im Weißen Haus.

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