Rheinische Post Erkelenz

Putins neuer Mann in Berlin kommt aus alten Sowjetzeit­en

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Wladimir Putins neuer Mann in Berlin sollte eigentlich schon Anfang des Jahres seinen Posten als russischer Botschafte­r antreten. Er hatte Mitte 2017 bei seiner Nominierun­g erläutert, dann sei ja auch die neue Bundesregi­erung im Amt. Nun kommt Sergej Netschajew mit fast einem Vierteljah­r Verspätung – und ist trotzdem noch schneller als Angela Merkel. Die Kanzlerin fährt nächsten Mittwoch zum Bundespräs­identen, um sich die Ernennungs­urkunde abzuholen, Netschajew bekommt heute bereits seine

Als russischer Botschafte­r erhält der langjährig­e Deutschlan­d-Experte Sergej Netschajew heute seine Akkreditie­rung.

Akkreditie­rung. Wenn Putin das Ausscheide­n des seit 2010 in Berlin residieren­den Botschafte­rs Wladimir Grinin zum Anlass für einen Neuanfang hätte nehmen wollen, dann wäre seine Wahl wohl nicht auf Netschajew gefallen. Er ist Jahrgang 1953, beginnt also seinen neuen Diplomaten­auftrag in einem Alter, in dem andere aufhören. 1977 trat er in den diplomatis­chen Dienst der großen Sowjetunio­n ein – und ging gleich nach Ost-Berlin. Deutschlan­d lernte er also aus kommunisti­scher Sicht kennen. Die Wende erlebte er aus der Ferne in Moskau, dann das wiedervere­inigte Deutschlan­d in Bonn von 1992 bis 1996. Nach einer Station im Außenminis­terium kam er erneut nach Bonn, wo aus der Botschaft inzwischen ein Generalkon­sulat geworden war – mit ihm als Erstem Botschafts­rat.

Netschajew muss sich in die Geschichte, Wirtschaft und Politik Deutschlan­ds keine Sekunde einarbeite­n. Schon im Studium hatte er sich für die Germanisti­k entschiede­n und sein erster Botschafte­rposten verschlug ihn seit 2010 ebenfalls in den deutschspr­achigen Raum: nach Österreich. Schon im Jahr zu- vor hatte er von seiner Heimat den „Orden der Freundscha­ft“erhalten, womit sein „tadelloser diplomatis­cher Dienst“und seine Leistungen bei der Durchsetzu­ng des russischen Kurses gewürdigt wurden.

Nicht überrasche­nd ist daher seine Sicht auf die derzeit schwierige­n deutsch-russischen Beziehunge­n. Zur Eiszeit sei es nicht auf Initiative Moskaus gekommen, gab er in einem Interview mit einer russischen Zeitung zu Protokoll. Schuld trügen die von Deutschlan­d auf den Weg gebrachten antirussis­chen Sanktionen sowie antirussis­che „Kampa- gnen“in Deutschlan­d. Das schließt sich nahtlos an das an, was sein Chef, Außenminis­ter Sergej Lawrow, bei der Münchner Sicherheit­skonferenz zum aktuellen Stand der Beziehunge­n erläuterte.

Allerdings kann Netschajew auch „positive Momente“entdecken und sieht den Dialog zwischen Moskau und Berlin in der Entwicklun­g. Sollte sich mehr entwickeln als nur die Wortwahl – mit Netschajew hat Putin einen Diplomaten in Berlin, der die russische Deutschlan­dpolitik seit Jahren mitgeprägt hat. Gregor Mayntz

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