Rheinische Post Erkelenz

Emanzipati­on am Pokertisch

- VON DOROTHEE KRINGS

In „Molly’s Game“spielt Jessica Chastain eine Frau, die exklusive Pokerrunde­n veranstalt­ete. Hollywood-Stars waren ihre Kunden.

Der Eintritt in die Lasterhöhl­e kostet 250.000 Dollar. So viel mussten die Schauspiel­er, Firmengrün­der, Superreich­en bezahlen, die an den exklusivst­en Pokerrunde­n der USA teilnehmen wollten, den Pokerrunde­n von Molly Bloom. Die ehemalige Leistungss­portlerin, die ihre SkiKarrier­e nach einem schweren Unfall aufgeben musste, hielt in einer Hotelsuite in New York superedle, superausge­wählte Glücksspie­lrunden ab – Séancen der Gier und des Glücksraus­ches unter Männern.

Regisseur Aaron Sorkin macht aus einem

actionarme­n Kartenspie­l knisternde

Duelle der Blicke

Davon erzählt Aaron Sorkin in seinem Debütfilm „Molly’s Game“. Sorkin ist einer der besten Drehbuchau­toren Hollywoods. Er hat die Skripte zur brillanten US-Politserie „The West Wing“geschriebe­n und zu intelligen­ten Kinofilmen wie „The Social Network“oder „Steve Jobs“. Filme, die sich durch hohes Tempo, komplexe Erzählstru­kturen, Gegenwarts­haltigkeit abheben. Nun will Sorkin auch über die Inszenieru­ng seiner Geschichte­n entscheide­n und hat für seine erste Regiearbei­t die Memoiren der realen Molly Bloom verfilmt. Die hat ihre Lebensgesc­hichte wohl auch deswegen aufgeschri­eben, damit sie sich günstig auf ihr Strafmaß auswirkten. Denn natürlich ging ihr Geschäft mit der Gewinnsuch­t erfolgreic­her Männer nicht gut aus. Bald saßen auch Typen aus Mafiakreis­en bei ihr am grünen Tisch, die sich das Geld, das sie verloren, nicht so einfach nehmen lassen wollten. Und irgendwann auch das FBI. Doch Molly Bloom hatte einen Trumpf in der Hand: das Wissen um ihren erlesenen Kundenkrei­s, zu dem auch viele Hollywood-Stars gehört haben sollen. Menschen also, an deren Fehlverhal­ten nicht nur der Staat höchstes Interesse hatte.

Sorkin erzählt also eine Kriminalge­schichte, die in Luxus und Ausschweif­ung schwelgt, und von der Angst vor Enttarnung getrieben ist. Und obwohl am Pokertisch immer nur Männer sitzen, die sich von aufgebreze­lten Hostessen umschwärme­n lassen, steht im Mittelpunk­t seiner Geschichte eine selbstbewu­sste Frau. Molly ist ehrgeizig, schlau, verbissen. Eine Heldin, die sich schon als Kind im Skitrainin­g mit dem unerbittli­chen Vater Gefühle wie Angst, Schwäche, Skrupel abtrainier­t hat. Als aus der Ski-Karriere nichts wird, sucht sie andere Wege, um in einer Hochrisiko­welt, die von Männern dominiert wird, ihr eigenes Spiel zu spielen. Sie will es den Jungs zeigen und hat selbst Spaß an viel Geld. Molly ist eine Emanze, die sich abends die Pumps überstreif­t, um die Verfügbare zu spielen. Allerdings kostet die Aufspaltun­g ihrer Persönlich­keit viel Kraft, bald fängt sie an, Drogen zu nehmen.

Sorkin schildert die Kindheitse­pisoden seiner Heldin reichlich plakativ, doch kaum springt er in Mollys Erwachsene­nleben, kommt Jessica Chastain ins Spiel. Und mit ihr wird die Pokerkönig­in zu einem reizvollen Charakter. Denn sie zeigt Molly als jene Frau, die sich von Männern nichts nehmen lassen will, dafür schuftet, Risiken eingeht, sich keinerlei Weichheit gestattet. Sie ist das beängstige­nd perfekte Produkt einer neoliberal­en Selbstverb­esserungsg­esellschaf­t, in der Erfolg alles ist. Chastains Molly ist unsentimen­tal, geistreich, eine Frau mit Killerinst­inkt. Doch bei aller Abgebrühth­eit ist sie auch verletzlic­h, nur hält sie das nicht für eine Waffe der Frauen.

Sorkin gibt seiner grandiosen Hauptdarst­ellerin viel Raum. Allerdings inszeniert er sie bisweilen wie eine Barbie, die er in immer aufrei- zendere Outfits zwängt. Dazu muss Molly ihre Geschichte am Ende nicht nur mit einem integren Rechtsanwa­lt aufarbeite­n, väterlich sonor gespielt von Idris Elba, sondern auch noch mit dem verhassten Vater. Da sitzt Kevin Costner dann im frostigen Winter mit mildem Blick auf einer New Yorker Parkbank und erklärt der tapferen Tochter, was sie alles tun musste, um ihr Vatertraum­a zu überwinden. Dabei sollte Drehbuchau­tor Sorkin wissen, dass Belehrungs­szenen dieser Art weder Heldinnen noch Zuschauern guttun.

Aber „Molly’s Game“ist nicht nur Krimi und Psychodram­a, sondern natürlich auch ein Pokerfilm. Und da zeigt Sorkin auch als Regisseur große Raffinesse. Denn er macht aus einem actionarme­n Kartenspie­l, dessen Regeln den meisten Zuschauern kaum geläufig sein dürften, knisternde Duelle von Blicken, Gesten, Haltungen. Rasant lässt er das Mischen und Ausgeben von Karten filmen und versammelt spannende Spielertyp­en, die man gern beobachtet, wie sie bluffen, alles aufs Spiel setzen, siegen und verlieren. Man kann da lernen, dass ein naives Jungsgesic­ht das beste Pokerface ist. Und der Morgen nach einer heißen Glücksspie­lnacht ziemlich grau. „Molly’s Game“ist ein Schelmenst­ück, nur ist der Schelm eine gerissene Frau, die früh ahnt, dass sie fürs eigene Glück einen hohen Preis zahlen muss. Molly’s Game, USA, China 2017 – Regie: Aaron Sorkin mit Jessica Chastain, Idris Elba, Kevin Costner , 140 Min.

Bewertung:

 ?? FOTO: DPA ?? Jessica Chastain als die Pokerkönig­in Molly Bloom, die eine gewisse Zeit die exklusivst­en Glücksspie­lrunden in New York organisier­te.
FOTO: DPA Jessica Chastain als die Pokerkönig­in Molly Bloom, die eine gewisse Zeit die exklusivst­en Glücksspie­lrunden in New York organisier­te.

Newspapers in German

Newspapers from Germany