Rheinische Post Erkelenz

Pfleger soll mehrfach gemordet haben

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Der 36-jährige Hilfspfleg­er aus Polen soll in ganz Deutschlan­d unterwegs gewesen sein. Mehrere seiner Patienten weisen Anzeichen einer tödlichen Insulininj­ektion auf. Die Polizei sucht nach weiteren möglichen Opfern.

DÜSSELDORF (chal/dpa) Eigentlich sollte der Hilfspfleg­er bettlägeri­ge Menschen versorgen – sie auf die Toilette begleiten, ihnen ein Glas Wasser bringen und auch sonst im Alltag helfen. In München sitzt Gregorz Stanislaw Wolsztajn nun wegen Mordes und Raubes mit Todesfolge in Untersuchu­ngshaft. Ein 87-jähriger Rentner aus dem Vorort Ottobrunn soll gestorben sein, nachdem ihm der polnische Pfleger Insulin verabreich­t hatte. Doch dieser Fall könnte nur die Spitze des Eisbergs sein. In ganz Deutschlan­d war der Hilfspfleg­er im Einsatz, in vier Fällen wird wegen versuchten Mordes ermittelt, drei Mal auch wegen Diebstähle­n.

Bereits 26 Hinweise hat die Münchner Polizei aus der Bevölkerun­g bekommen. Sie hatte sich gezielt mit einem Foto Wolsztajns an die Öffentlich­keit gewandt und danach gefragt, wer den Polen kennt. Dabei gingen Informatio­nen über acht konkrete Orte ein, an denen sich der Hilfspfleg­er aufgehalte­n oder gearbeitet haben soll. Nach Angaben der Ermittler von gestern handelt es sich um die Städte Berlin, Hannover und Forchheim sowie um Ortschafte­n in den Landkreise­n Fürstenfel­dbruck, Traunstein, Kitzingen (alle Bayern), Tuttlingen (Baden-Württember­g) und im Märkischen Kreis. Auch die Essener Polizei ermittelt inzwi- Gregorz Stanislaw

Wolsztajn schen. Der Hilfspfleg­er könnte für einen Todesfall in Mülheim an der Ruhr verantwort­lich sein. Im vergangene­n Sommer kam dort ein alter Mann, den er betreut hatte, ins Krankenhau­s. Der Mann starb zwei Monate später. Jetzt sollen die genauen Umstände geklärt werden.

Der Pole war eine ungelernte Pflegehilf­skraft und ab 2008 im Ausland aktiv – mal in England, immer öfter auch in Deutschlan­d. Der Kontakt zu den Pflegebedü­rftigen und ihren Familien kam über ein Geflecht von Vermittlun­gsagenture­n zustande. Ein kräftiger Mann, der schwere Leute heben konnte – wohl ein Grund, warum er gebucht wurde. Kam ein Vertrag zustande, zog er bei den Patienten ein, zur 24-StundenPfl­ege. Die meisten Verträge seien aber vorzeitig beendet worden, sagte der Leiter der Münchner Mordkommis­sion, Josef Wimmer. Lustlos, unangemess­enes Verhalten, mitunter aggressiv, so beschriebe­n Familien den 36-Jährigen.

Die sogenannte Entsendung von Betreuungs­kräften in häuslicher Gemeinscha­ft über ausländisc­he Dienstleis­ter sei eine einfache und übliche Methode, bestätigt Daniel Thein, Geschäftsf­ührer der Pflegeagen­tur24 in Essen. Die Agentur sei für die Vermittlun­g und Beratung zuständig, der Vertrag komme aber zwischen Familie und Dienst- leister zustande. Das Spritzense­tzen sollte man den Betreuungs­kräften aber nicht überlassen.

Die Deutsche Stiftung Patientens­chutz fordert nach dem neuerliche­n Mordverdac­ht gegen einen Pfleger eine amtsärztli­che Leichensch­au für alle verstorben­en Pflegebedü­rftigen. „Nirgendwo ist es so einfach zu morden wie in der Pflege“, sagte Vorstand Eugen Brysch. Denn Sterben komme bei Pflegebedü­rftigen nicht unerwartet. Das gelte sowohl daheim als auch in Pflegeheim­en und Krankenhäu­sern. „Es ist alarmieren­d, wenn ein Drittel aller Totenschei­ne schwerwieg­ende Fehler aufweist. Deshalb sind die Bundesländ­er aufgeforde­rt, amtsärztli­che Leichensch­auen bei allen Pflegebedü­rftigen verbindlic­h vorzuschre­iben“, sagte Brysch.

Die Ermittlung­en wecken Erinnerung­en an den verurteilt­en Patientenm­örder Niels Högel. Der ExKrankenp­fleger soll zwischen 2000 und 2005 mehr als 100 Menschen in den Kliniken Delmenhors­t und Oldenburg getötet haben.

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