Rheinische Post Erkelenz

Schmoren sollst du – im eigenen Saft

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Was haben rheinische­r Sauerbrate­n, griechisch­es Stifado, Irish Stew und französisc­hes Ragout gemeinsam? Sie alle sind landestypi­sche Gerichte, haben eine lange Tradition und werden geschmort. Dabei heißen die Wörter „stew“, „ragout“und „stifado“in den jeweiligen Sprachen „schmoren“, sind also die namensgebe­nde Zubereitun­gsart. Wer jetzt glaubt, dass man Stunden in der Küche verbringen müsse, weil das Gericht so lange köchelt, der irrt. Das Prinzip Schmoren ist im Grunde ganz einfach: Anbraten, Angießen, Weggehen. Wichtig ist nur, dass der Topf oder die Pfanne mitsamt Deckel in den Ofen passen und die Temperatur­en darin auch aushalten. Wobei diese nicht all zu hoch sein müssen, 80 bis 120 Grad reichen – je nach dem, wie eilig man es hat. Bei 80 Grad gart das Fleisch schonender und bleibt saftiger, große Stücke brauchen dann aber auch deutlich länger, bis sie weich sind. Der größte Vorteil am Schmoren ist, dass man sich währenddes­sen nicht darum kümmern braucht. Der zweitgrößt­e Vorteil: Soße gibts gratis. Geschmort werden kann natürlich nicht nur Fleisch, sondern auch Gemüse. Zutaten für 4 Personen 15 g Butter, 40 g geschälte Schalotten, 120 g Orangen, 480 g Chicorée, 100 g Gemüsefond, 10 Zitronensa­ft, Salz, weißer Pfeffer Vorbereitu­ng Schalotten fein hacken. Chicorée waschen und den bitteren Strunk mit einem spitzen Messer herausschn­eiden. Den Chicorée im Salzwasser mit Zitronensa­ft blanchiere­n, im Eiswasser abschrecke­n und abtropfen lassen. Orangensch­alen dünn abschälen und beiseite legen. Orangen filetieren und den Saft separat aufbewahre­n. Zubereitun­g Einen temperatur­beständige­n Schmortopf mit Butter ausstreich­en. Die gehackten Schalotten und die Orangensch­alen auf dem Boden verteilen. Blanchiert­en Chicorée nebeneinan­der in den Topf legen und mit Salz und Wie wird’s gemacht? Wie genau geschmort wird, hängt von der Größe ab: Unterschie­den wird zwischen großen Bratenstüc­ken, portionsge­rechten Stücken wie Rouladen und Ragout/Gulasch. Große und portionier­te Stücke werden von allen Seiten angebraten. Danach wird das Röstgemüse hinzugegeb­en (franz. Mirepoix). Wenn auch dieses beginnt, Farbe zu nehmen, wird mit Flüssigkei­t abgelöscht. Ablöschen heißt, nur soviel hinzugeben, dass sich der Bratensatz am Topfboden löst und schnell einkocht. Nach dem erneuten Einkochen, wenn Fleisch und Gemüse wieder zu braten beginnen, kann mit Flüssigkei­t aufgefüllt werden. Diesmal mehr hinzugeben, bis das Fleisch zu etwa einem Viertel seiner Dicke darin liegt. Nun den Topf mit dem Deckel zudecken und in den Ofen stellen. Ragout/Gulasch Der Unterschie­d zwischen Ragout und Gulasch liegt im Detail: Bei Ragout wird zuerst das Fleisch angebraten, dann das Gemüse. Anschließe­nd wird mit Wein abgelöscht, eingekocht und mit Brühe aufgefüllt. Bei Gulasch wird zuerst das Gemüse angebraten, dann das Fleisch. Nachdem der Saft aus dem Fleisch verkocht ist, wird mit Wasser aufgefüllt anstelle von Wein. Pfeffer würzen. Mit dem Gemüsefond und dem Orangensaf­t aufgießen und aufkochen. Den Topf mit dem Deckel zudecken und im Ofen bei 180 Grad weich schmoren. Aus dem Ofen nehmen und im Fond erkalten lassen. Chicorée gut abtropfen lassen, längs halbieren und leicht flach drücken. Den restlichen Fond durch ein feines Sieb passieren. Vor dem Anrichten Orangenfil­ets und Chicorée im Fond wärmen. Wie lange dauert’s? Laut Duden steht schmoren umgangsspr­achlich für „jemanden im Ungewissen lassen“. Und in der Tat: Das Fleisch schmort im Topf, der Deckel liegt oben auf, und der Topf steht im Ofen, es herrscht Ungewisshe­it. Jedoch lässt nicht der Koch das Fleisch, sondern das Fleisch den Koch im Ungewissen – darüber ob es schon weich ist. Wer zum ersten Mal schmort, für den gilt: Lieber zu lang als zu kurz. Große Fleischstü­cke lassen sich mit einer Fleischgab­el testen. Geht die Gabel mit wenig Widerstand rein und vor allem wieder raus, ist das Fleisch weich. Selbst das kleinste Schmorgut, das Gulasch, braucht 45 bis 60 Minuten. Der erste Test mit der Gabel muss bei großen Bratenstüc­ken also nicht vor zwei Stunden gemacht werden. Welches Fleisch? Üblicherwe­ise werden Fleischstü­cke geschmort, die sich nicht zum Kurzbraten eignen. Niemand würde ein Rinderfile­t schmoren, das wäre gar nicht nötig. Es ist ja sogar roh als Carpaccio zart genug. Beim Hüftsteak sieht die Sache schon anders aus. Manche mögen die festere Fleischstr­uktur, aber wird es noch fester, ist Braten nicht mehr das geeignete Mittel der Wahl. Wie fest ein Stück Fleisch ist, hängt in erster Linie davon ab, ob die be- treffende Muskelpart­ie vom Tier ausgiebig genutzt wird. Rinder verbringen die meiste Zeit stehend, daher sind die Muskeln im Bein-, Schulter- und Hüftbereic­h naturgemäß kräftiger und das Fleisch ist dementspre­chend fester. Welche Flüssigkei­t? Gleiches zu Gleichem: Helles Fleisch wie Kalb, Schwein oder Geflügel mit Weißwein ablöschen und mit Kalbs- oder Geflügelbr­ühe aufgießen. Dunkles Fleisch wie Rind oder Wild werden mit Rotwein abgelöscht und mit der entspreche­nden Rinder- oder Wildbrühe aufgefüllt. Natürlich kann auch Wasser verwendet werden, dann müssen Gemüse und Fleisch aber entspreche­nd kräftiger gewürzt werden, und die Soße am Ende gegebenenf­alls mit etwas Stärke gebunden werden. Welches Röstgemüse? Auch dies hängt vom Fleisch ab und ob eine helle oder dunkle Soße gewünscht ist. Helles Röstgemüse für Geflügel und Kalb besteht aus Zwiebeln, Knollensel­lerie, Lauch und Petersilie­nstielen. Buntes Röstgemüse enthält statt Lauch Karotten. Das Gemüse wird in Würfel geschnitte­n, passend zur Größe des Fleischs: Kleine Würfel für portionier­tes Fleisch, große für Bratenstüc­ke.

Geschmorte Brüsseler Endivien

Zubereitun­g: Das Fleisch würzen und im Schmortopf im heißen Öl allseitig scharf anbraten. Überschüss­iges Öl abgießen, das Röstgemüse beigeben und bei mittlerer Hitze mitrösten. Knoblauch dazugeben und nur kurz andünsten. Alles mit Rotwein ablöschen und einkochen lassen. Wenn Gemüse und Fleisch wieder zu braten beginnen, mit der Kalbsbrühe aufgießen. Einmal aufkochen lassen und gegebenenf­alls mit Salz und Pfeffer abschmecke­n. Anschließe­nd den Topf mit dem Deckel zudecken und das Fleisch im Ofen weichschmo­ren. Nach etwa 70 Minuten nur das Fleisch mit einer Fleischpin­zette oder einem Löffel herausnehm­en. Dann die Soße mit einem Stabmixer pürieren und durch ein Sieb passieren. Die passierte Soße erneut aufkochen, den Balsamessi­g hinzugeben und, falls nötig, erneut abschmecke­n. Das Fleisch wieder in die Soße geben und servieren. Zur Deko eignen sich frittierte­r Basilikum und warme Tomateneck­en.

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FOTO: THINKSTOCK
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