Rheinische Post Erkelenz

Legendäre Musikzeits­chrift „NME“erscheint nicht mehr

- VON PHILIPP HOLSTEIN

LONDON Das ist ein bisschen so, als wäre ein guter Bekannter gestorben, einer, den man zu Schulzeite­n sehr gemocht hat, dem man dann immer seltener begegnete, der aber dennoch zu einem gehört, Teil der Biografie blieb. Der „NME“ist tot, so wurde der „New Musical Express“abgekürzt, jene großformat­ige Zeitschrif­t, die im Wunderland des Pop jede Woche erschien. Jede Woche! Zu den Hochzeiten wurden an die 300.000 Exemplare pro Heft abgesetzt, zuletzt kaum noch 15.000.

Seit 1952 gab es den „NME“in England, aber am besten war er in den 1970er und 80er Jahren. Auf dem Titel waren britische Gitarrenba­nds. Jede noch so unbedeuten­de Band wurde stets mit Superlativ­en bedacht, und sie hatten ja recht: Pop ist eine Feier des Augenblick­s, und in diesem Augenblick war diese Band nun mal die allerwicht­igste, und sobald man zwinkerte, war die nächste Band halt noch wichtiger.

Der „NME“brachte Star-Autoren hervor, deren Art zu schreiben Generation­en von Journalist­en beeinf lusste: Julie Burchill etwa und ihr Ehemann Tony Parsons. Manche Redakteure gingen selbst ins Musikbusin­ess, Paul Morley zum Beispiel, der das Label ZTT gründete und Frankie Goes To Hollywood groß rausbracht­e. Der „NME“prägte ganze Genres. Der von dem Magazin kuratierte Sampler „C86“etwa, durch den Primal Scream, die Soup Dragons und Wedding Present zu Ruhm kamen. Und der inszeniert­e Krieg zwischen Oasis und Blur, der geht auch auf das Konto des „NME“.

Man liebte dort Gitarrenpo­p. HipHop mochte man gar nicht, ein Chefredakt­eur musste sogar gehen, weil er zu viel Rap ins Heft brachte. Nun ist Rock tot, HipHop regiert, und der „NME“stellt sein Erscheinen ein. Wer das Glück hatte, die Hefte zur rechten Zeit zu lesen, möge sich die Smiths auflegen, die Lieblingsb­and des „NME“: „Heaven Knows I’m Miserable Now“.

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