Rheinische Post Erkelenz

Polizist wird Held in Geiseldram­a

- VON CHRISTIAN BÖHMER UND SEBASTIAN KUNIGKEIT

Bei einem Terrorakt in der südfranzös­ischen Kleinstadt Trèbes sterben drei Menschen – der Täter wird erschossen.

CARCASSONN­E (dpa) Schwerbewa­ffnete Elitepoliz­isten, abgesperrt­e Straßen, Sirenengeh­eul, Hubschraub­erlärm: Frankreich ist mit dem Terroransc­hlag gestern in einem Supermarkt im Süden des Landes wieder im Krisenmodu­s. Die sonst beschaulic­he Kleinstadt Trèbes unweit der mittelalte­rlichen Touristenm­etropole Carcassonn­e im Départemen­t Aude ist Schauplatz einer dramatisch­en Geiselnahm­e, die das Land für Stunden in Atem hält. Dabei tötet der Angreifer zwei Menschen, ein weiterer stirbt bereits vorher bei der Attacke mit einem Auto. Der Täter wird von der Polizei erschossen.

In Trèbes, einer 5000-EinwohnerG­emeinde, drang der 25-Jährige in den Supermarkt der Kette Super U ein, es fielen Schüsse. Der Angreifer Radouane L., geboren in Marokko, war den Sicherheit­skräften für kleinere Delikte bekannt, aber nicht als Terrorist. Bei der Attacke berief er sich auf die IS-Terrormili­z, die den Anschlag später auch für sich reklamiert­e. Er habe sich als „Soldat“der Terrormili­z Islamische­r Staat bezeichnet, sagte der Anti-TerrorStaa­tsanwalt François Molins gestern Abend in Carcassonn­e. Der Mann habe zudem „Gott ist groß“auf Arabisch gerufen und gesagt, dass er bereit sei, für Syrien zu sterben. Eine Frau aus dem Umfeld des von der Polizei erschossen­en Täters sei zudem am Abend in Polizeigew­ahrsam genommen worden.

Vor dem Überfall auf den Supermarkt griff der Mann in Carcassonn­e mit einem Auto Menschen an und verletzte einen Polizisten an der Schulter. Am Ende wurde der mutmaßlich­e Terrorist beim Zugriff der Polizei erschossen. „Ich habe Schüsse gehört, aber ich habe ihn nicht gesehen“, erzählte ein Metzger dem Nachrichte­nsender BFMTV. Der Handwerker konnte sich über einen Hintereing­ang des Supermarkt­s in Sicherheit bringen. Andere Geiseln retteten sich in eine benachbart­e Autowerkst­att. Einige Kunden und Mitarbeite­r des Supermarkt­s hätten sich in der Werkstatt versteckt, berichtete eine Angestellt­e dem Radiosende­r RTL. Die Menschen seien ruhig geblieben, denn sie hätten gewusst, dass sie in Sicherheit waren. Sicherheit­skräfte riegelten die Kleinstadt ab. Eltern wurden aufgerufen, ihre Kinder nicht aus der Schule abzuholen. Die Schüler seien in Sicherheit und würden versorgt, versichert­en die Behörden. Sie befürchtet­en, dass der Angreifer Komplizen haben könnte.

Im Supermarkt gab es während der Stunden der Angst mindestens einen Helden: Ein Polizist ließ sich gegen eine Geisel austausche­n. Der Beamte ließ sein Telefon mit einer offenen Verbindung auf einem Tisch liegen. So hätten die Einsatz- kräfte hören können, was sich im Supermarkt abspielte. Als Schüsse fielen, seien sie eingeschri­tten, berichtete Innenminis­ter Gérard Collomb an Ort und Stelle.

Es war eine trügerisch­e Ruhe in Frankreich in den vergangene­n sechs Monaten. Es wurden Attentate vereitelt, unter anderem auf Armeekräft­e und eine Sportstätt­e, aber es gab keine Opfer. Nach dem Anschlag in Trèbes bilanziert­e Ressortche­f Collomb: „Wir sind in einer kleinen, ruhigen Stadt. Leider ist die Bedrohung überall.“Einen tödlichen Anschlag hatte es im Oktober gegeben, vor dem riesigen Bahnhof St. Charles in Marseille. Ein 29-Jähriger hatte zwei Frauen getötet und wurde dann getötet. Auch diese Tat nahm der IS für sich in Anspruch.

Seit Jahren ist Frankreich Ziel islamistis­chen Terrors, mehr als 240 Menschen wurden dabei getötet. Der Kampf gegen den Terror ist eine der Hauptaufga­ben der französisc­hen Mitte-Regierung von Premier Edouard Philippe. Staatspräs­ident Emmanuel Macron meldete sich gestern mit ernster Miene vom EUGipfel in Brüssel: Es gebe inzwischen viele Menschen, die sich selbst radikalisi­ert hätten. „Wir sind nicht mehr in einer Lage wie vor zwei oder drei Jahren“, resümierte der Präsident. Damals seien Anschläge vom irakisch-syrischen Kriegsgebi­et gesteuert worden. Er hatte dabei auch die verheerend­e Attacke während eines Konzerts im Bataclan-Theater im November 2015 in Paris im Blick, bei der 130 Menschen getötet worden waren.

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FOTO: AFP Französisc­he Polizisten sichern den Supermarkt in Trèbes, in dem die Geiselnahm­e stattfand.

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