Polizist wird Held in Geiseldrama
Bei einem Terrorakt in der südfranzösischen Kleinstadt Trèbes sterben drei Menschen – der Täter wird erschossen.
CARCASSONNE (dpa) Schwerbewaffnete Elitepolizisten, abgesperrte Straßen, Sirenengeheul, Hubschrauberlärm: Frankreich ist mit dem Terroranschlag gestern in einem Supermarkt im Süden des Landes wieder im Krisenmodus. Die sonst beschauliche Kleinstadt Trèbes unweit der mittelalterlichen Touristenmetropole Carcassonne im Département Aude ist Schauplatz einer dramatischen Geiselnahme, die das Land für Stunden in Atem hält. Dabei tötet der Angreifer zwei Menschen, ein weiterer stirbt bereits vorher bei der Attacke mit einem Auto. Der Täter wird von der Polizei erschossen.
In Trèbes, einer 5000-EinwohnerGemeinde, drang der 25-Jährige in den Supermarkt der Kette Super U ein, es fielen Schüsse. Der Angreifer Radouane L., geboren in Marokko, war den Sicherheitskräften für kleinere Delikte bekannt, aber nicht als Terrorist. Bei der Attacke berief er sich auf die IS-Terrormiliz, die den Anschlag später auch für sich reklamierte. Er habe sich als „Soldat“der Terrormiliz Islamischer Staat bezeichnet, sagte der Anti-TerrorStaatsanwalt François Molins gestern Abend in Carcassonne. Der Mann habe zudem „Gott ist groß“auf Arabisch gerufen und gesagt, dass er bereit sei, für Syrien zu sterben. Eine Frau aus dem Umfeld des von der Polizei erschossenen Täters sei zudem am Abend in Polizeigewahrsam genommen worden.
Vor dem Überfall auf den Supermarkt griff der Mann in Carcassonne mit einem Auto Menschen an und verletzte einen Polizisten an der Schulter. Am Ende wurde der mutmaßliche Terrorist beim Zugriff der Polizei erschossen. „Ich habe Schüsse gehört, aber ich habe ihn nicht gesehen“, erzählte ein Metzger dem Nachrichtensender BFMTV. Der Handwerker konnte sich über einen Hintereingang des Supermarkts in Sicherheit bringen. Andere Geiseln retteten sich in eine benachbarte Autowerkstatt. Einige Kunden und Mitarbeiter des Supermarkts hätten sich in der Werkstatt versteckt, berichtete eine Angestellte dem Radiosender RTL. Die Menschen seien ruhig geblieben, denn sie hätten gewusst, dass sie in Sicherheit waren. Sicherheitskräfte riegelten die Kleinstadt ab. Eltern wurden aufgerufen, ihre Kinder nicht aus der Schule abzuholen. Die Schüler seien in Sicherheit und würden versorgt, versicherten die Behörden. Sie befürchteten, dass der Angreifer Komplizen haben könnte.
Im Supermarkt gab es während der Stunden der Angst mindestens einen Helden: Ein Polizist ließ sich gegen eine Geisel austauschen. Der Beamte ließ sein Telefon mit einer offenen Verbindung auf einem Tisch liegen. So hätten die Einsatz- kräfte hören können, was sich im Supermarkt abspielte. Als Schüsse fielen, seien sie eingeschritten, berichtete Innenminister Gérard Collomb an Ort und Stelle.
Es war eine trügerische Ruhe in Frankreich in den vergangenen sechs Monaten. Es wurden Attentate vereitelt, unter anderem auf Armeekräfte und eine Sportstätte, aber es gab keine Opfer. Nach dem Anschlag in Trèbes bilanzierte Ressortchef Collomb: „Wir sind in einer kleinen, ruhigen Stadt. Leider ist die Bedrohung überall.“Einen tödlichen Anschlag hatte es im Oktober gegeben, vor dem riesigen Bahnhof St. Charles in Marseille. Ein 29-Jähriger hatte zwei Frauen getötet und wurde dann getötet. Auch diese Tat nahm der IS für sich in Anspruch.
Seit Jahren ist Frankreich Ziel islamistischen Terrors, mehr als 240 Menschen wurden dabei getötet. Der Kampf gegen den Terror ist eine der Hauptaufgaben der französischen Mitte-Regierung von Premier Edouard Philippe. Staatspräsident Emmanuel Macron meldete sich gestern mit ernster Miene vom EUGipfel in Brüssel: Es gebe inzwischen viele Menschen, die sich selbst radikalisiert hätten. „Wir sind nicht mehr in einer Lage wie vor zwei oder drei Jahren“, resümierte der Präsident. Damals seien Anschläge vom irakisch-syrischen Kriegsgebiet gesteuert worden. Er hatte dabei auch die verheerende Attacke während eines Konzerts im Bataclan-Theater im November 2015 in Paris im Blick, bei der 130 Menschen getötet worden waren.