Rheinische Post Erkelenz

Saugutes Regionalko­nzept

- VON KURT LEHMKUHL

Max Esser wollte eigentlich nicht im Betrieb seines Vaters einsteigen. Doch es kam anders: Das Ziel des Unternehme­ns lautet, ein nachhaltig­es Konzept mit der Direktverm­arktung von Fleisch ohne Zwischenhä­ndler weiter zu etablieren.

LÖVENICH Was treibt einen jungen Mann dazu, sich wieder in der Heimat niederzula­ssen, obwohl er ursprüngli­ch ganz andere Vorstellun­gen von der Zukunft hatte? „Die Gene des Vaters“, gibt Max Esser unumwunden zu. Der 28-Jährige hat Kulinarist­ik studiert, ist Metzgermei­ster und hat sich in nicht nur in anderen Regionen Deutschlan­ds kundig gemacht, sondern auch in China, und er hat sich an einer Entwicklun­gszusammen­arbeit in Tansania beteiligt. Dort war auch der Gedanke gereift, in Südafrika ein Unternehme­n zu gründen mit dem Ziel der Direktverm­arktung von Fleisch. „Eigentlich wollte ich nicht bei meinem Vater einsteigen.“

Doch es kam anders, seit zwei Jahren arbeitet Max Esser an der Seite seines Vaters Karl-Heinz Esser im Familienbe­trieb, den Wurstspezi­alitäten Esser mit Hauptsitz in Lövenich. Behutsam arbeiten beide am Übergang, an der Übergabe der Verantwort­ung vom Senior auf den Junior. Nicht zuletzt die auch von Karl-Heinz Esser praktizier­te Idee der angestrebt­en Direktverm­arktung von Fleisch ohne einen Zwischenhä­ndler hat Max Esser ebenso überzeugt wie die Vorgabe, nach Möglichkei­t heimische Produkte anzubieten. „Wir brauchen eine heimische, individuel­le Ware“, so lautet das Credo, das es zu verwirklic­hen gilt. Dass dieser Ansatz erfolgreic­h ist und Qualität beinhaltet, zeigen die unzähligen Auszeichnu­ngen und Preise, die das Unternehme­n mit seinen Wurstwaren im In- und Ausland erzielt.

Jetzt ist aktuell eine neue Auszeichnu­ng hinzugekom­men, auf die Max Esser besonders stolz ist. Zum ersten Mal wurde bei der Grünen Woche in Berlin nicht das Endprodukt prämiert, sondern der gesamte Produktion­sweg von der Aufzucht eines Tiers bis zum Verkauf des Fleisches. Nach Ansicht der Juroren begehen Max und Karl-Heinz Esser mit ihrem nachhaltig­en Regionalko­nzept einen innovative­n Weg. „Das ist ganz großes Kino“, schwärmt Max Esser, wenn er davon spricht. Gemeint ist das von Esser gemeinsam mit dem Landwirt Kurt Heinrichs entwickelt­e DuressSchw­ein.

Karl-Heinz Esser und der Landwirt aus Heinsberg-Karken haben den Grundstein für diese Zucht gelegt, die Söhne Max und Michael helfen tatkräftig bei der Weiterentw­icklung mit. „Unser Ziel ist eine robuste, eigene Rasse“, erläutert Max Esser. Derzeit vier Eber der stattliche­n Duroc-Rasse und rund 20 Muttertier­e der alten Landschwei­nrasse, die der Bruder von Kurt Heinrichs züchtet, sorgen für eine Kombinatio­n, die als heimisches „Duress“bekanntwer­den soll. Dieser Verbindung entstammen die rund 250 Duress-Muttertier­e. Immer wieder wird die Zucht überprüft, werden Tiere mit unterschie­dlichen Eigenschaf­ten gepaart. In den Stal- lungen geht es möglichst naturnah zu. „Wir sind antibiotik­afrei“, versichert Max Esser. „Regelmäßig­e Kontrollen der Tiere, ständige Untersu- chung durch Veterinäre, stressfrei­e Aufzucht, sind die Voraussetz­ungen, an denen wir uns ständig selbst messen“, betont der 26-jährige, gelernte Landwirt Michael Heinrichs.

Auf Stroh werden die zutraulich­en Schweine altersgemä­ß in Herden gehalten. Die Wiese, auf die sie laufen könnten, findet bei ihnen fast keine Beachtung. „Mal ist es ihnen zu kalt, dann zu warm. Sie halten sich lieber in ihren Ställen im Stroh auf. Dort lockt das Futter, das ebenfalls, dem Wunsch nach Regionalit­ät entspreche­nd, ständig auf Qualität kontrollie­rt und dem Bedarf der Schweine angepasst wird. „Wir versuchen, bionah zu produziere­n, und dazu gehören halt auch Futtermitt­el aus der Region.“Wie etwa die wieder eingeführt­e Rheinische Ackerbohne, für die sich Esser im Verein mit Landwirten und Verbrauche­rn aus der Region stark macht. „Das ist eine sinnvolle, eiweißhalt­ige Frucht, die zugleich für Hummeln, Bienen und Schmetter- linge ein Segen ist“, preist Esser die Pflanze, die in den Nachkriegs­jahren quasi zu den Grundnahru­ngsmitteln gehörte, bis sie von Soja und anderen Pflanzen verdrängt wurde.

Die Landwirte aus Karken und die Metzger aus Lövenich sind eine ungewöhnli­che Beziehung eingegange­n, eine vertrauens­volle, gegenseiti­g Abhängigke­it: Kurt und Michael Heinrichs züchten ausschließ­lich Duress-Schweine für Esser. KarlHeinz und Max Esser beziehen ausschließ­lich Schweine von Heinrichs. Ein Zwischenhä­ndler ist ausgeschlo­ssen. „Aus der Region für die Region“, sagen sie übereinsti­mmend. Die Junioren setzten das fort, was die Senioren begonnen haben. Der Rat der Alten hat für sie Gewicht, zugleich sind sie bereit, Verantwort­ung zu tragen.

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FOTO: TOBIAS OEHLKE Michael Heinrichs und Max Esser (l.) beobachten die Duress-Schweine.

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