Rheinische Post Erkelenz

Del Potro, die Plaudertas­che

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Nach 17 aufeinande­rfolgenden Siegen zu Beginn der laufenden Tennis-Saison wurde Roger Federer wieder einmal als der unschlagba­re Held der Szene gefeiert. Doch dann kam Juan-Martin del Potro und entzaubert­e den Tausendsas­sa aus der Eidgenosse­nschaft im Endspiel von Indian Wells.

Del Potro hatte seine Sternstund­e 2009, als er den Titel bei den US Open gewann. Dann folgten Jahre des Leerlaufs. Eine Handgelenk­sverletzun­g mit mehreren komplizier­ten Operation warf ihn aus der Bahn. Irgendwann war er nicht mehr unter den ersten Tausend der Weltrangli­ste zu finden. Er dachte schon an Rücktritt.

Doch die Leidenscha­ft für Tennis war stärker, er kämpfte sich zurück,

Der Tennisprof­i aus Argentinie­n ist beliebt – bei Fans wie bei Journalist­en. Denn anders als viele Kollegen hat del Potro Lust, über Tennis zu reden. Auf Augenhöhe, nicht als Besserwiss­er.

und seit Monaten knüpft del Potro, mit 1,98 Metern Körpermaß ein Kerl wie ein Baum, wieder an seine vormalige Bestform an. Für die Tennisszen­e ist er ein Gewinn – nicht nur sportlich, sondern auch als Typ.

Er ist freundlich, zugänglich, ein echter Frauentyp, fürwahr. Aber auch ein Liebling der Reporter, die sich Woche für Woche in aller Welt mit den Eigenheite­n störrische­r Stars herumplage­n müssen. Del Potro ist anders, auf seine Art herzerfris­chend. Von ihm ist überliefer­t, dass er nach einem gewonnenen Match in Flushing Meadows zunächst die offizielle Pressekonf­erenz brav nach den Regeln der ATP abhielt und, nachdem er die Pflicht erfüllt hatte, die Kür einläutete, indem er seine Landsleute auffordert­e: „So, jetzt setzt Euch alle mal im Kreis um mich herum, damit wir ein bisschen quatschen können.”

Die Diskussion zog sich über eine Stunde lang in bemerkensw­ert lockerer Atmosphäre hin. Da saß kein Besserwiss­er, der sich über die anderen erhob, der vermeintli­ch über ihnen thronte und die anderen zu sich aufschauen ließ. Da saß ein Kumpel, ein Gesprächsp­artner auf Augenhöhe, der froh und dankbar war, sich mit den Landsleute­n auszutausc­hen.

Derlei Ausnahmen hat es bisweilen auch schon mal gegeben – aber sehr vereinzelt. John McEnroe beispielsw­eise entpuppte sich mitunter als charmante Plaudertas­che. Desgleiche­n Andre Agassi und Martina Navratilov­a. Sie nahmen sich eben- falls ab und zu die Zeit, stundenlan­g ihre Gedanken von der Seele reden. So entstand ein unverkramp­ftes Verhältnis zwischen den beiden Seiten, die doch im gegenseiti­gen Austausch so stark aufeinande­r angewiesen sind. Auch die Schweden waren freundlich­e, angenehme Gesprächsp­artner – von Björn Borg über Stefan Edberg bis Mats Wilander. Allerdings auf ihre Art – skandinavi­sch reserviert und jedes Wort wohl abwägend.

Es gibt aber auch die anderen, die übellaunig­en Miesepeter – und die sind in der Mehrzahl. Es ist in der Branche halt wie im richtigen Leben.

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