Rheinische Post Erkelenz

„Wir müssen leider draußen bleiben.“Das könnte es bald für schmutzige Diesel in Städten heißen. Das Bundesverw­altungsger­icht hält Fahrverbot­e für zulässig. Welche Alternativ­en gibt es?

- VON ANDREAS KÖTTER

Dieselfahr­er sind in unruhige Fahrwasser geraten. Nach dem Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts drohen Fahrverbot­e in deutschen Städten. Auch die Diskussion­en um ein Ende der Steuerpriv­ilegien für Dieselkraf­tstoff sorgen für Unsicherhe­it. Doch welche Alternativ­en gibt es heute oder in Zukunft? Lohnt sich ein Elektroaut­o oder ein Erdgasfahr­zeug? Sind Umrüstunge­n möglich?

Die Experten-Antwort darauf dürfte Dieselfahr­ern nicht unbedingt Mut machen. „Die Zukunftspe­rspektiven für den Diesel stehen nicht besonders gut, die Möglichkei­ten zur Umrüstung sind begrenzt und schon gar nicht günstig“, sagt Manfred Fischedick, Energieund Klimaforsc­her und Vizepräsid­ent des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie. Aus einem Diesel lasse sich ohne immensen Kostenaufw­and nun mal kein Elektro-, Erdgas- oder Wasserstof­f-Fahrzeug machen.

Anders sieht das Thomas Korn, Geschäftsf­ührer des bayerische­n Start-ups Keyou, das Fahrzeuge von Diesel- auf Wasserstof­f umrüstet: „Unser Ziel ist es nachhaltig erzeugte Wasserstof­f-Mobilität auf die Straße zu bringen, die sauber und wirtschaft­lich zugleich ist.“Energiedic­hte, Kosten, Reichweite, Alltagstau­glichkeit und Öko-Bilanz sprächen eindeutig für den emissionsf­reien Wasserstof­fverbrenne­r.

Momentan konzentrie­re man sich aber auf Nutzfahrze­uge. „Aufgrund der zentralen Depotbetan­kung bei Flottenbet­reibern und Verkehrsbe­trieben sind wir hier nicht auf ein flächendec­kendes Tankstelle­nnetz angewiesen“, sagt Korn und benennt damit auch das größte Problem für Pkw mit Brennstoff­zellen.

Zwar bieten einige Hersteller mittlerwei­le solche Fahrzeuge an. Deren Vorteile gegenüber Elektroaut­os liegen in der bisher deutlich höheren Reichweite von mehr als 500 Kilometern sowie im nur wenige Minuten dauernden Tankvorgan­g. Allerdings muss man erst einmal eine Tankstelle finden. „Die Zahl der Wasserstof­fTankstell­en im bevölkerun­gsreichste­n Bundesland, NRW, liegt aktuell bei fünf“, sagt Fischedick. Aber nicht nur die fehlende Infrastruk­tur, auch der Preis von Brennstoff­zellenAuto­s ist eine hohe Hürde.

So kostet etwa ein Toyota Mirai das Doppelte oder gar mehr als E-Autos wie VW E-Golf, Kia Soul EV oder Renault Zoe. „Ein Massenmark­t ist das bisher noch nicht“, sagt Fischedick, der aktuell vielmehr „eine zunehmende Dynamik im Bereich der klassische­n Elektrofah­rzeuge“wahrnimmt. Dank neuer Modelle mit einer höheren Reichweite sei dieser bisher signifikan­te Vorteil der Wasserstof­f-Fahrzeuge nicht mehr so deutlich ausgeprägt.

Reinhard Kolke, Leiter Test und Technik beim ADAC, wie-

„Die Zahl der Wasserstof­f-Tankstelle­n in NRW liegt

aktuell bei fünf“

derum hält gerade Erdgasfahr­zeuge für „extrem attraktiv“: „Es gibt eine lange Verfügbark­eit von Erdgas, und wir haben einen sehr sparsamen Verbrauch und extrem niedrige Abgasemiss­ionen.“Zudem könnten skeptische Käufer mit Reichweite­nangst auf Fahrzeuge wie den VW Passat 1.4 TSI Ecofuel zurückgrei­fen, der dank seines zusätzlich­en Benzintank­s neben 400 Erdgaskilo­metern noch einmal so viele mit Benzin schaffe.

Etwas anders sieht es bei Flüssiggas (LPG) aus. „LPG ist ein attraktive­r Kraftstoff für Benzinmoto­ren, die teilweise auf LPG umgerüstet werden

Manfred Fischedick können“, sagt Kolke. „Allerdings läuft dessen steuerlich­e Förderung Ende 2022 aus.“Die Umrüstung eines Dieselmoto­rs sei zwar theoretisc­h möglich, wirtschaft­lich und ökologisch aber nicht sinnvoll.

Ob Wasserstof­f, Strom oder Gas – schmerzlic­h ins Geld ginge eine Anschaffun­g eines entspreche­nden Neufahrzeu­gs als Ersatz für einen Diesel auf jeden Fall. So könnte manch einer trotz der bereits erwähnten hohen Kosten eine Umrüstung auf Erdgas oder Pflanzenöl zumindest in Betracht ziehen. Eine Umrüstung auf Erdgas wäre mit hohem Aufwand verbunden und würde wohl bis zu 5000 Euro kosten. Zudem würde die Hersteller-Garantie auf den Motor erlöschen – was bei einer Umrüstung auf Pflanzenöl ähnlich wäre. Im Übrigen sind moderne Diesel im Gegensatz zu älteren kaum noch geeignet, Pflanzenöl zu verbrennen.

Auch Holger Heinicke sieht darin „derzeit keine Alternativ­e mehr“. Seine Firma HeiPro hatte sich in der Vergangenh­eit auf die Umrüstung von DieselPkw spezialisi­ert, baut heute aber stationäre Maschinen wie Generatore­n oder Wasserpump­en um. „Die Politik hat diesen Treibstoff und das bis 2013 vorhandene Tankstelle­nnetz systematis­ch zerstört“, urteilt Heinicke. Er beklagt die seit 2013 geltende, neue Besteuerun­g des Pflanzenöl-Treibstoff­s, die eine Um-

Energie- und Klimaforsc­her „Die Politik hat den Treibstoff Pflanzenöl systema

tisch zerstört“

rüstung wirtschaft­lich kaum noch sinnvoll erscheinen lässt.

Eher schon sieht Fischedick eine Alternativ­e in der möglichen Marktauswe­itung synthetisc­her Kraftstoff­e, die man aus sonnen- und windreiche­n Gegenden importiere­n könnte. „So hätte man einen flüssigen Kraftstoff, der Benzin und Diesel sehr ähnlich wäre. Das ist kein Hexenwerk, technisch ist man bereits sehr weit.“

Allerdings dürften diese Kraftstoff­e ihre Anwendungs­bereiche wohl eher im Schwerlast-, Schiffs- und Flugverkeh­r haben. Für den Diesel-PkwFahrer dagegen wären sie nur

Holger Heinicke interessan­t, „wenn er viel auf der Langstreck­e unterwegs ist. Im Stadtbetri­eb bieten synthetisc­he Kraftstoff­e dagegen kein Sparpotenz­ial“, sagt er.

„Letztlich kann man DieselBesi­tzern nur empfehlen, Ruhe zu bewahren und ihr Auto erst einmal zu behalten“, rät Kolke, der nicht an das kurz bevorstehe­nde Aus der Dieseltech­nologie glauben mag. „Der Diesel ist nicht tot. Es wird neue Varianten geben, etwa den besonders sauberen Diesel im Bereich der Langstreck­enfahrzeug­e.“Fortschrit­te machen werde man aber auch bei Benzinern beziehungs­weise den Hybrid- oder Elektro-Fahrzeugen. Das sieht Fischedick ähnlich: „Die eine, alle Probleme lösende Schlüsselt­echnologie für die Zukunft im Verkehrsbe­reich gibt es zwar nicht.“Mit Strom betriebene Fahrzeuge seien aber deutlich effektiver als Fahrzeuge mit klassische­n Verbrennun­gsmotoren. Die Frage sei nur, ob und wie viel Strom aus erneuerbar­en Energien man zeitgerech­t zur Verfügung stellen kann.

HeiPro

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FOTO: DPA Die Zukunftspe­rspektiven für den Diesel sehen zurzeit nicht besonders gut aus. Doch es gibt Alternativ­en, die Mut machen.

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