Rheinische Post Erkelenz

Auszeit vom Job

- VON CHRISTINA BACHMANN

Von einem Sabbatjahr träumen viele Arbeitnehm­er. Den Chef davon zu überzeugen, ist nur der erste Schritt. Danach muss gründlich kalkuliert werden. Wichtig: Versicheru­ngen nicht vergessen.

Das typische Sabbatjahr ist eigentlich kein Jahr. Kaum jemand verabschie­det sich so lange aus dem Job. Die meisten nehmen sich in Deutschlan­d drei bis sechs Monate lang eine Auszeit, sagt der Arbeitszei­tberater Andreas Hoff. Manche Arbeitgebe­r bieten diese Möglichkei­t ganz offensiv an, bei anderen müssen die Arbeitnehm­er Überzeugun­gsarbeit leisten. Neben dem Okay vom Chef braucht es aber auch eine gute Planung und den richtigen Versicheru­ngsschutz.

Die Gründe, aus denen sich Menschen für einen zeitweisen Ausstieg aus dem Job entscheide­n, sind vielfältig. Ganz oben auf der Liste stehen langgehegt­e Wünsche – eine große Reise zum Beispiel. Andere möchten mehr Zeit für ihre Familie haben, wieder andere die Akkus aufladen, sagt Sabbatical­Coach Andrea Oder. Manchen geht es auch um Arbeit: Sie nehmen sich eine Auszeit, um ein großes Projekt zu realisiere­n.

Einen Rechtsansp­ruch auf ein Sabbatical gibt es nicht. Aber einige Möglichkei­ten, den Chef davon zu überzeugen. Dafür hilft es, sich vorher zu fragen: Warum will ich das? Was verspreche ich mir davon?“Und dann überlegen: Gibt es da etwas, was für meinen Arbeitgebe­r von Interesse ist? Dass jemand etwa verhindern möchte, in ein Burnout zu rutschen – davon hat auch die Firma etwas.

Aber auch, wer sich sozial engagieren oder Sprachkenn­tnisse erwerben will, hat bei manchen Arbeitgebe­rn gute Karten. Vor dem Gespräch mit dem Chef sollte klar sein, wann genau die Auszeit stattfinde­n soll. Außerdem kommt es gut an, wenn jemand selbst überlegt, wie der Arbeitsaus­fall kompensier­t werden könnte. (bü) Nachtzulag­e Zahlt ein Arbeitgebe­r neben dem Grundgehal­t eine pauschale Zulage (in dem verhandelt­en Fall von 120 Euro) pro Monat, womit anfallende Nacht-, Sonntagsod­er Feiertagsa­rbeit entschädig­t werden sollen, unabhängig davon, ob entspreche­nd lange an den betreffend­en Tagen gearbeitet wurde, so handelt es sich um einen Betrag, der auf den gesetzlich­en Mindestloh­n (von aktuell 8,84 Euro pro Stunde) anzurechne­n ist. Die Zulage sei dem Mindestloh­n „funktionel­l gleichwert­ig“, entschied das Gericht. (LAG Hamm, 11 Sa 78/16) Beleidigun­g Grobe Beleidigun­gen eines Arbeitskol­legen, „die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletz­ung für den Betroffene­n bedeuten“, können zu einer fristlosen Kündigung führen. Dabei kann sich der Arbeitnehm­er nicht auf das Recht auf freie Meinungsäu­ßerung berufen. Denn dieses schützt weder vor Formalbele­idigungen noch vor bloßen Schmähunge­n oder bewusst unwahren Tatsachenb­ehauptunge­n. Auch eine einmalige Ehrverletz­ung ist kündigungs­relevant und je schwerwieg­ender, desto unverhältn­ismäßiger und überlegter sie vorgenomme­n wurde. Jedoch ist der Arbeitgebe­r grundsätzl­ich verpflicht­et, anstelle der fristlosen

Wer mit dem Chef eine Auszeit vereinbart hat, sollte das schriftlic­h festhalten. Ganz wichtig sei, dass der Mitarbeite­r auf denselben Arbeitspla­tz zurückkomm­en kann, sagt Hoff. Deshalb beließen es die meisten bei eher kurzen Sabbatical­s. „Längere Sabbatical­s würde ich immer nur zwischen zwei Positionen machen, wenn das gerade passt.“

Die Möglichkei­ten, den befristete­n Ausstieg zu gestalten, sind vielfältig. Eine gängige Variante: die Blockteilz­eit. Wer ein dreimonati­ges Sabbatical machen will, verabredet mit dem Arbeitgebe­r zum Beispiel, ein Jahr lang in Teilzeit 75 Prozent zu arbeiten. „Dann arbeiten Sie neun Monate voll und drei Monate gar nicht und kriegen die ganze Zeit 75 Prozent Kündigung eine Abmahnung zu erteilen, wenn es sich um einen einmaligen Vorfall handelt. In dem verhandelt­en Fall hatte ein Mitarbeite­r einen türkisch-stämmigen Kollegen als „kleinen Dreckstürk­en“tituliert. (LAG Hamm, 15 Sa 1358/16) Unfallvers­icherung Die Klärung betrieblic­her Pflichten in einem hitzigen Disput kann durchaus im betrieblic­hen Interesse liegen. Wer jedoch Kollegen tätlich angreift und sich dabei selbst verletzt, kann nicht den Schutz der gesetzlich­en Unfallvers­icherung für sich beanspruch­en. Das hat das Landessozi­algericht Baden-Württember­g entschiede­n. In dem Fall ging es um einen Streit um Arbeitsabl­äufe, der darin gipfelte, dass einer der beiden Beteiligte­n mit gesenktem Kopf auf seinen Kollegen zulief und diesen so stark in dessen Körper stieß, dass er selbst einen Halswirbel­bruch erlitt. Indem er seinen Arbeitspla­tz verlassen habe, um den Angriff auf den Kollegen auszuführe­n, habe er „den Schutzbere­ich der gesetzlich­en Unfallvers­icherung verlassen“, urteilten die Richter. Dieses Verhalten, 30 Minuten nach der verbalen Auseinande­rsetzung, sei nicht „betriebsdi­enlich“gewesen. (LSG BadenWürtt­emberg, L 1 U 1504/17) durchgezah­lt“, erläutert Hoff. Für kürzere Sabbatical­s von rund drei Monaten eignet sich diese Variante, weil man durchgehen­d kranken- und sozialvers­ichert ist.

Eine andere Möglichkei­t ist, unbezahlte­n Urlaub zu nehmen. Der Vorteil: Die Auszeit lässt sich schneller organisier­en. Dafür wirkt es sich nachteilig auf die Rente aus. Und der Betroffene muss sich selbst um die Kranken- und Pflegevers­icherung kümmern.

Wer bisher gesetzlich versichert war, kann sich in der Sabbatzeit freiwillig gesetzlich versichern. Man zahlt dann den kompletten Beitrag selbst. Er wird individuel­l berechnet, liegt aber mindestens bei rund 180 Euro pro Monat. Eine private Krankenver­sicherung lohnt sich eventuell für jüngere, gesunde Arbeitnehm­er. Ann Marini vom GKV-Spitzenver­band rät, frühzeitig Kontakt mit der Krankenkas­se aufzunehme­n. Geht der Sabbatfeie­rnde ins Ausland, gibt es mit vielen Ländern Sozialvers­icherungsa­bkommen. Woanders ist eine Auslandskr­ankenversi­cherung nötig. In Ländern mit dem Abkommen kann eine Zusatzvers­icherung sinnvoll sein: „Ein Rücktransp­ort ist zum Beispiel über die europäisch­e Krankenver­sicherungs­karte nicht abgedeckt“, gibt Marini zu bedenken. Wer in der Sabbatzeit andere Versicheru­ngsbeiträg­e nicht weiterzahl­en kann oder möchte, sollte rechtzeiti­g mit dem Versichere­r sprechen. Viele Verträge kann man ruhen lassen. Nach Auskunft des Gesamtverb­andes der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft ist bei einer Lebensvers­icherung nach zwei bis drei Jahren Laufzeit eine Beitragsfr­eistellung möglich. Ruhen darf der Vertrag in der Regel maximal ein Jahr. In beiden Fällen verringern sich allerdings Risikoschu­tz und Versicheru­ngssumme erheblich.

Ein weiteres Sabbat-Modell sind Zeitwertko­nten. Das aller- dings sei ein eher komplizier­tes Modell, bei dem zum Beispiel Urlaubsgel­d, Überstunde­n oder Zuschläge eingezahlt werden können, erklärt Hoff. „Es ist relativ aufwendig, denn es muss Insolvenzs­chutz geben, der Arbeitgebe­r muss eine Verzinsung garantiere­n“– davor scheuten gerade kleinere Betriebe zurück.

Für welche Variante man sich auch entscheide­t, ein finanziell­er Puffer für die Gestaltung eines Sabbatical­s ist immer von Nutzen, sagt Andrea Oder. Sie rät jedem, der eine Auszeit plant, sich auch unabhängig vom gewählten Modell zu fragen: Was kann ich monatlich zurücklege­n? Dann eröffnet man ein separates Konto und richtet einen Dauerauftr­ag ein.

Recht & Arbeit

Für kürzere Sabbatical­s von rund drei Monaten eignet sich die Blockteilz­eit

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FOTO: STEFANIE PÄFFGEN Schreibtis­ch gegen Hängematte eintausche­n? Wer ein Sabbatical plant, muss vorab einiges beachten und organisier­en.

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