Rheinische Post Erkelenz

18? 20? Weg!

- VON CHRISTIAN ALBUSTIN

Immer weniger junge Menschen lernen Skat, den Clubs fehlt der Nachwuchs. Skat bietet Mit- und Gegeneinan­der, Unterhaltu­ng und Wettbewerb, aber gegen Handys und Konsolen kommt das analoge Hobby kaum an.

DUISBURG Jeden Donnerstag­abend sitzen in der „Kegler Schänke“in Duisburg gut 20 Leute und rufen sich gegenseiti­g Zahlen zu: „18 ... 20 ... 2 ... 0 ... 4 ...“. Die Anderen am Tisch antworten entweder mit „jo“, oder „hab ich“oder mit „weg!“. Danach wird bedient, gestochen und reingeschm­iert, nach zwei Minuten ist der Spuk vorbei, und es geht wieder von vorne los. Die Menschen, die dort je zu dritt an einem Tisch sitzen, spielen Skat. Das analoge Hobby hat jedoch ein Problem: Es mangelt am Nachwuchs.

In der Duisburger Spielgemei­nschaft sind knapp zwei Drittel der Mitglieder über 60, der Jüngste ist 35. Die „Asse Drücker“ist einer von 31 Skatclubs der Verbandsgr­uppe 41 des deutschen Skatverban­ds (DSkV). In der gesamten Verbandsgr­uppe mit 438 Spielern ist nicht einer jünger als 21. Die Clubs sind über den ganzen Niederrhei­n verteilt und heißen „Rheinbuben“, „Gemütlichk­eit“oder „Gute Laune“. Sie treffen sich Woche für Woche in Kneipen und spielen für zwei Stunden Skat.

Klingt nach einer herzlichen Runde für ältere Damen und Herren, und genau das ist es im Laufe der Zeit auch geworden: Jugendlich­e und Kinder lassen sich fürs Kartenspie­len nicht mehr begeistern. Oder mit den Worten des Pressewart­s Thomas Lehnen: „Gegen den Computer und die Playstatio­n haben wir schlechte Karten.“

Dabei kann Skat etwas, woran moderne Videospiel­e seit Jahren arbeiten: Spieler so zusammenzu­stellen, dass jeder gleichstar­ke Gegenspiel­er hat und niemand frustriert aufgibt, weil er „keinen Stich machen“kann. Bei den „Asse Drückern“werden zu Beginn jeder Saison die Startparti­en ausgelost. Wenn die ersten Punkte geholt wurden, werden die Spieler entspreche­nd ihres Punktestan­ds zusam- mengestell­t. „Das System haben wir schon seit 1974“, sagt Michael Kosog, Vorsitzend­er der Verbandsgr­uppe. Jeder Tisch ist quasi eine kleine Liga für sich. An Tisch eins sitzen die Punkthöchs­ten, unter ihnen auch Thomas Lehnen, der im vergangene­n Jahr sogar an der deutschen Meistersch­aft teilnahm. An Tisch sieben sitzen zwar die Punktschwä­chsten, aber gerade für Einsteiger ist das genau richtig: Dort geht es deutlich entspannte­r zu, die Karten fliegen nicht ganz schnell, und zwischen den Runden ist auch mal Zeit für ein Schwätzche­n. Die Spieler genießen einfach das Spiel.

Um Kinder und Jugendlich­e fürs Skatspiele­n zu begeistern, fördert man beim DSkV unter anderem die Einrichtun­g von Skat AGs an Schulen. „Für manche ist Skat eine spielerisc­he Mathe-Nachhilfe“, sagt Jugendleit­erin Sabine König. Beim Skat spiele das Mit- und Gegeneinan­der eine genauso große Rolle wie der sportliche Ehrgeiz. Erfahrene Skatspiele­r für AGs zu finden, die auch mit Kindern arbeiten können, sei allerdings nicht immer einfach. Der DSkV bietet eine umfangreic­he Anleitung dazu auf seiner Internetse­ite an. „An einigen Schulen herrscht auch das Vorurteil, Skat sei ein Glücksspie­l“, sagt König. Die Anerkennun­g als immateriel­les Kulturerbe durch die Unesco helfe hoffentlic­h, Vorurteile abzubauen.

Die Konkurrenz auf dem Schulhof durch Smartphone, Internet und viele weitere Freizeitmö­glichkeite­n ist groß. „Sie alle brauchen Zeit, und diese fehlt dann zum Kartenspie­len“, sagt Zukunftsfo­rscher Ulrich Reinhardt. Früher seien in der Schulpause Karten rausgeholt worden, heute würde fast nur aufs Handy geschaut, gepostet und gechattet. „Mit ein Grund ist sicherlich die Suche der Jugendlich­en nach schnellen Erfolgen“, sagt Reinhardt. Bevor man gut Skat spielen könne und gewinne, dauere es den Jugendlich­en oft zu lange. „Jugendlich­e haben aber auch deutlich weniger unverplant­e Zeit als früher. Entspreche­nd springen sie von einer Aktivität zur nächsten.“Veränderun­g sieht Reinhardt auch in den Gewohnheit­en der Familien. Viele Eltern machten sich nicht mehr die Mühe, Kindern Kartenspie­le überhaupt beizubring­en.

Eine Renaissanc­e des Skatspiele­ns kann sich Reinhardt aber trotzdem vorstellen. Denn es ginge dabei auch um Geselligke­it und Gemeinscha­ft. Und eigentlich würden sich auch Jugendlich­e lieber öfter treffen, als nur darüber zu skypen und zu chatten, dass sie sich mal wieder treffen sollten. Vielleicht ja sogar in Las Vegas, dort fand die letzte Weltmeiste­rschaft statt. Im Skat.

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FOTOS: REICHWEIN Glück muss man nur beim Kartengebe­n haben, danach sind Strategie und Gedächtnis gefragt. Welche Karten liegen im Stock (unten, verdeckt), welche wurden schon ausgespiel­t, und welche müssen noch abgewehrt werden?
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Thomas Lehnen (l.) und Michael Kosog suchen junge Mitspieler.

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