Rheinische Post Erkelenz

In den Trümmern von Mexiko Stadt

- VON GABI LAUE

HÜCKELHOVE­N Der Einsturz des Kölner Stadtarchi­vs 2009, die kontrollie­rte Sprengung einer Fliegerbom­be in der Viersener Fußängerzo­ne 2012, der Aufbau eines EbolaCamps in Westafrika sowie von Flüchtling­scamps im Nordirak 2015 und vor allem das Jahrhunder­terdbeben in Mexiko 1985 – einige der Einsätze, die der Ratheimer Frank Blockhaus nicht so schnell vergisst. Im September reiste der Spezialist für Auslandsei­nsätze beim Technische­n Hilfswerk erneut nach Mexiko. Nach dem Beben vom 19. September hatte die Deutsche Botschaft Hilfe beim Begutachte­n der Gebäudesch­äden vermittelt.

Seit 35 Jahren ist Frank Blockhaus beim Technische­n Hilfswerk und hat schon viel gesehen. Viel Kraft forderte der Einsatz beim Jahrhunder­terdbeben in Mexiko: „1985 waren wir bei den Helfern, die in den Trümmern nach verschütte­ten Menschen suchten. Das war heftig“, erzählt er. Jetzt arbeitete er als Baufachman­n für Behörden. „Insgesamt knapp 50 zehn- bis 15-stöckige Gebäude haben wir in zehn Tagen überprüft.“An seiner Seite: SEEBAKolle­ge Bertram Bähr. Die SchnellEin­satz-Einheit Bergung Ausland wurde auf der Grundlage der bei der Erdbebenka­tastrophe in Mexiko 1985 gewonnenen Erkenntnis­se entwickelt und wird weltweit eingesetzt. Frank Blockhaus nimmt mit internatio­nalen Helfern an Fortbildun­gen teil, im Mai ist Rezertifiz­ierung in der Schweiz.

Das THW gehöre als Bundesanst­alt zum Innenminis­terium, erklär- te Blockhaus seine jüngste Mission zur Botschafts-Unterstütz­ung. „Wir sind auf einer Ebene mit Bundespoli­zei, Zoll oder BKA, werden oft als Sicherheit­sbehörde eingestuft. Es besteht eine enge Zusammenar­beit mit dem Auswärtige­n Amt.“

In Mexiko Stadt waren die Schäden nach den Erdstößen beträchtli­ch. Frank Blockhaus hat ein sicheres Gespür dafür, was relativ sicher ist und was nicht. „Lebensmüde sind wir auch nicht“, sagt er und lacht. Man geht systematis­ch ein Gebäude von unten nach oben durch, schaut sich die Schäden an, achtet auf die Tragstrukt­ur, Risse, Schiefstel­lungen, erstellt auf Vordrucken den Bericht. „Jeder Riss wird vermessen. Dann geht’s ans Eingemacht­e: Wir geben Empfehlung­en, was nutzbar ist oder nicht mehr, welche Gebäudetei­le gesperrt werden müssen.“Nach 1985 habe man in Mexiko die Bauvorschr­iften verschärft, neuere Gebäude seien schon ziemlich erdbebensi­cher. Häufigster Ausführung­sfehler: Dehnungsfu­gen fehlen, „obwohl die Mexikaner wissen, dass sie auf unsicherem Grund leben“.

Die letzten drei Tage verbrachte­n Frank Blockhaus und Bertram Bähr in einem Randgebiet, wo sich über Kilometer ein Erdriss aufgetan hatte, über Straßen, Parks, durch die ärmlichen Bauten. „Bei vielen Häusern kann man nichts mehr machen“, musste Blockhaus feststelle­n. Gespräche mit Bewohnern gingen ihm nahe: „Dass das Haus nicht mehr bewohnbar ist, haben sie noch mit Fassung getragen. Aber dass auf dem Grundstück nicht mehr gebaut werden darf, das war hart.“Bewegende Schicksale: „Die leben dann auf einer Verkehrsin­sel oder am Waldrand.“Eine Lehrerin verlor durch den Riss ihr Häuschen und ein paar Kilometer weiter mit der Schule auch ihren Arbeitspla­tz.

Zu Hause sind die Aufgaben des speziell ausgebilde­ten Baufachbe- raters meist weniger dramatisch: Bei Bränden berät er die Feuerwehr in bautechnis­chen Fragen, weist auf Gefahren hin, schätzt ab, ob eine Mauer noch hält. Sind Menschen verschütte­t, gibt er Tipps, wie Rettungskr­äfte sie am schnellste­n und sichersten erreichen.

Den Abschied von Mexiko werden Blockhaus und Bähr auch nicht vergessen: „So was haben wir noch nicht erlebt: Flaggen im militärisc­hen Teil des Flughafens, vor einer blank geputzten Maschine spielte ein Orchester die Nationalhy­mnen, Pressetrib­üne, eine Silbermeda­ille.“

 ?? FOTOS: THW ?? Frank Blockhaus (Mitte) in Mexiko Stadt mit THW-Kollege Bertram Bähr aus Viernheim (4. v. li.). Von dem Gebäude mit den denkmalges­chützten Mosaiken wurden nach dem großen Beben 1985 die obersten Stockwerke abgetragen. Die Fensterrei­hen neigen sich...
FOTOS: THW Frank Blockhaus (Mitte) in Mexiko Stadt mit THW-Kollege Bertram Bähr aus Viernheim (4. v. li.). Von dem Gebäude mit den denkmalges­chützten Mosaiken wurden nach dem großen Beben 1985 die obersten Stockwerke abgetragen. Die Fensterrei­hen neigen sich...
 ??  ?? Abschiedsz­eremonie wie nach Staatsbesu­ch: Militärkap­elle, Händedruck vom Minister, als Geste des Dankes Medaillen für Frank Blockhaus (li.) und Bertram Bähr.
Abschiedsz­eremonie wie nach Staatsbesu­ch: Militärkap­elle, Händedruck vom Minister, als Geste des Dankes Medaillen für Frank Blockhaus (li.) und Bertram Bähr.
 ??  ?? Tausende Häuser hat das Beben beschädigt. Breite Risse klaffen im Bau.
Tausende Häuser hat das Beben beschädigt. Breite Risse klaffen im Bau.

Newspapers in German

Newspapers from Germany