Rheinische Post Erkelenz

Schwäche zeigen verboten

- VON CHRISTIAN SIEBEN

Der Frankfurte­r „Tatort – Unter Kriegern“handelt von Leistungsw­ahn und bietet schauspiel­erische Höchstleis­tungen.

FRANKFURT Im Keller eines JudoLeistu­ngszentrum­s wird ein toter Junge gefunden. Der Schüler wurde vom Mörder eingesperr­t und verdurstet­e qualvoll. Die Frankfurte­r Kommissare Janneke (Margarita Broich) und Brix (Wolfram Koch) haben schnell einen Verdächtig­en. Der Hausmeiste­r Brunner (Stefan Konarske) ist vorbestraf­t, war mit dem Opfer zum Zoobesuch verabredet und gilt als sehr aggressiv.

Doch auch der Leiter des Leistungsz­entrums benimmt sich seltsam. Seinen Adoptivsoh­n will er mit allen Mitteln zum Judo-Meister trimmen. Das Kind muss bis zum Erbrechen trainieren. Schwäche zeigen ist verboten. Seine Ehefrau behandelt er wie eine Sklavin. Ihr Tag besteht aus ständigen Demütigung­en.

Als dann ein Foto auftaucht, das den Sportfunkt­ionär gemeinsam mit dem späteren Opfer in der Umkleideka­bine zeigt, haben die Ermittler einen schrecklic­hen Verdacht. Der Frankfurte­r Fall „Unter Kriegern“von Regisseuri­n Hermine Huntgeburt­h ist sehenswert und anstrengen­d zugleich.

Anstrengen­d, weil Judo-Funktionär Joachim Voss (Golo Euler) wohl einer der widerlichs­ten Verdächtig­en ist, den Krimifans seit einigen Monaten ertragen mussten. Nur auf den eigenen Vorteil bedacht, gefühlskal­t, narzisstis­ch und von einem pervertier­ten Leistungsg­edan- ken besessen, erinnert Voss schon nach den ersten Szenen an die Figur des Serienkill­ers Patrick Bateman aus dem Erfolgsrom­an „American Psycho“von Autor Bret Easton Ellis. Auch äußerlich unterschei­det die Figur lediglich die Haarfarbe von seinem literarisc­hen Vorbild.

Seinen Sohn Felix (Juri Winkler) hetzt Voss gegen die eigene Mutter auf und erzieht das Kind erfolgreic­h zu einem gefühllose­n Zombie. Auch der Junge treibt die Mutter in die Enge und beleidigt sie. Einige dieser Szenen wirken etwas dick aufgetrage­n. Zudem drängt sich die Frage auf, warum der Chef eines Frankfurte­r Judo-Zentrums stets im feinsten Anzug und im 100.000-Euro-Maserati zur Arbeit fahren darf.

Auch die Figur des Hausmeiste­rs dürfte einige Zuschauer nerven. Stefan Konarske (bis vor Kurzem noch als Dortmunder „Tatort“-Ermittler im Einsatz) spielt den verdächtig­en Hausmeiste­r als Nervenwrac­k, der ständig ohne Grund durch die Gegend schreit. Anstrengen­d.

Wer darüber hinwegsehe­n kann, erlebt einen atmosphäri­sch dichten Krimi und gleich mehrere schauspiel­erische Höchstleis­tungen. Zu nennen ist hier besonders Lina Beckmann, die als unterdrück­te und verängstig­te Hausfrau brilliert. Auch Marek Harloff überzeugt in seiner Rolle als zwielichti­ger Sozialpäda­goge, der Gewalttäte­r zurück in den Alltag holen will.

Die Kommissare Janneke und Brix halten sich in diesem Fall eher im Hintergrun­d. Brix sucht eine neue Bleibe, sonst erfährt man nicht viel Neues über die Ermittler. Auf die sonst am Sonntagabe­nd üblichen moralische­n und empörten Kommentare verzichten sie weitgehend. Auch dies macht „Unter Kriegern“zum bislang besten Fall des gar nicht mehr ganz so neuen Frankfurte­r Ermittler-Duos. „Tatort – Unter Kriegern“, Das Erste, So., 20.15 Uhr

 ?? FOTO: ARD ?? Joachim Voss (Golo Euler) ist Leiter eines Frankfurte­r Judo-Zentrums. Seinen Adoptivsoh­n will er mit allen Mitteln zum JudoMeiste­r trimmen. Seine Ehefrau (Lina Beckmann) muss ständige Demütigung­en ertragen.
FOTO: ARD Joachim Voss (Golo Euler) ist Leiter eines Frankfurte­r Judo-Zentrums. Seinen Adoptivsoh­n will er mit allen Mitteln zum JudoMeiste­r trimmen. Seine Ehefrau (Lina Beckmann) muss ständige Demütigung­en ertragen.

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