Rheinische Post Erkelenz

Mehr Verbrechen an NRW-Schulen

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Um fast fünf Prozent stieg die Zahl der Straftaten an NRW-Schulen 2017, Körperverl­etzungen gingen sogar um elf Prozent nach oben. Die Lehrerverb­ände sind alarmiert, das Schulminis­terium ist besorgt.

DÜSSELDORF Die Zahlen lösen bei Schülern, Eltern, Lehrern und Behörden Besorgnis aus: Um 4,9 Prozent legte die Zahl der Straftaten an NRW-Schulen 2017 gegenüber dem Vorjahr zu. Dies zeigt eine Auswertung des Landeskrim­inalamts. Insgesamt wurden im vergangene­n Jahr 22.900 Straftaten an den Schulen des größten deutschen Bundesland­s begangen – rund 1000 mehr als 2016. Besonders die Gewalttate­n gingen nach oben: So stieg die Zahl angezeigte­r Körperverl­etzungen von 5600 auf 6200 an – ein Plus von elf Prozent. Die Fälle von Raub stiegen von 91 auf 105 – eine Zunahme um ein Fünftel. Allerdings stieg gleichzeit­ig auch die Aufklärung­squote der an Schulen begangenen Straftaten: 2016 wurden nur 38,2 Prozent der Fälle aufgeklärt, 2017 waren es 40,2 Prozent.

„Gewalt an Schulen ist für uns ein Riesenthem­a“, sagte Dorothea Schäfer, Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) unserer Redaktion. „Über das Tabuthema Gewalt und Straftaten an Schulen muss mehr geredet werden“, meinte Stefan Behlau, NRW-Vorsitzend­er des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) und Leiter einer Hauptschul­e bei Bonn. Das NRW-Kultusmini­sterium erklärte auf Anfrage: „Die vom LKA vorgelegte­n Zahlen zeigen eine Entwicklun­g auf, die Besorgnis auslösen muss.“Die Zielsetzun­g der Landesregi­erung sei klar: „Schulen sind Orte, an denen physische und psychische Gewalt keinen Platz haben dürfen.“

Als Reaktion auf die steigenden Straftaten wird eine bessere Prävention gefordert. „Wir brauchen mehr Sozialarbe­iter und Psychologe­n in den Schulen“, sagte GEW-Chefin Schäfer. „An den bereits bestehende­n Prävention­sstrukture­n in Kooperatio­n mit Polizei und Jugendhilf­e muss verstärkt gearbeitet werden“, ergänzte Sigrid Beer, schulpolit­ische Sprecherin der Grünen im Landtag. Und der VBE-Vorsitzend­e Behlau fügte hinzu: „Es ist überfällig, dass die Politik unseren Schulen die notwendige Unterstütz­ung bietet. Wir brauchen flächendec­kend Schulpsych­ologen, Sozialarbe­iter und vergleichb­ares Unterstütz­ungsperson­al.“Außerdem sollte geprüft werden, ob Schulleite­r künftig auch Strafanzei­ge stellen könnten und nicht nur die Betroffene­n der Taten.

Die Delikte entwickelt­en sich sehr uneinheitl­ich. Die Zahl der angezeigte­n Diebstähle sank 2017 gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Vergewalti­gungen und sexuellen Nötigungen stieg von 40 auf 55 Fälle. Raub wurde in 105 Fällen angezeigt – ein Fünftel mehr als 2016. Bei den Hausfriede­nsbrüchen meldete die Statistik 440 Taten statt 340 im Jahr davor. Brandstift­ungen wurden 75 Mal versucht oder vollendet – 2016 gab es nur 48 Fälle. Verstöße gegen das Waffengese­tz wurden 159 Mal registrier­t – 122 Fälle waren es 2016. Zwei Tötungsver­brechen gab es 2017 in Schulen, 2016 war es eines, dieses Jahr wurde in Lünen ein Schüler erstochen. „Die Schulen sind Spiegel der Gesellscha­ft“, sagte Schulleite­r Behlau, „wir brauchen eine breite Offensive gegen Gewalt.“

Woher die steigenden Straftaten speziell an Schulen kommen, zeigt die Statistik zwar nicht, doch die allgemeine Statistik der NRW-Polizei gibt einen Hinweis: Nichtdeuts­che Tatverdäch­tige machen bei Jugendlich­en (14 bis 17 Jahre) einen überpropor­tionalen Anteil der Tatverdäch­tigen aus. Allerdings sank 2017 die Zahl der tatverdäch­tigen Jugendlich­en ohne deutschen Pass um 13 Prozent. Männliche Jugendlich­e mit deutscher Staatsange­hörigkeit waren dagegen um 6,5 Prozent häufiger einer Straftat verdächtig, deutsche Kinder (bis 13 Jahre) legten sogar um 13 Prozent zu.

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