Rheinische Post Erkelenz

Was ohne Haub aus Tengelmann wird

- VON ERICH REIMANN

Die Einsatzkrä­fte in den Schweizer Alpen können bei der Suche nach dem verscholle­nen Vorstandsc­hef derzeit nur auf einen Zufall hoffen. Das Verschwind­en des Unternehme­rs reißt eine Lücke in die strategisc­he Planung des Konzerns.

MÜLHEIM/RUHR (dpa) Das Verschwind­en von Konzernche­f KarlErivan Haub ist für das Familienun­ternehmen Tengelmann ein massiver Einschnitt. Rund 15 Jahre lang drückte der Unternehme­r dem Handelsimp­erium seinen Stempel auf. Christian Haub, der jüngere Bruder des am Klein-Matterhorn Verschwund­enen, bemühte sich bereits in einem Brief an die Mitarbeite­r, mögliche Befürchtun­gen über die unternehme­rischen Folgen des Dramas für Tengelmann zu zerstreuen: „Unser Familienun­ternehmen ist solide aufgestell­t und verfügt über ein stabiles und erfahrenes Führungste­am.“

Karl-Erivan Haub war am 7. April von einem Skiausflug am Matterhorn nicht zurückgeke­hrt. Auch die Familie hat die Hoffnung aufgegeben, den vermissten Milliardär lebend zu finden. Die Suche dauert jedoch an. Die Einsatzkrä­fte hoffen auf einen Zufallsfun­d. „Wenn zum Beispiel ein Bergführer etwas entdecken würde, würde sofort wieder ausgerückt werden“, sagte ein Sprecher der Kantonspol­izei Wallis. Eine gezielte Suche könne man wohl erst nach der Schneeschm­elze aufnehmen. „Die Familie muss nun mit den Rettungskr­äften vor Ort schauen, wie diese Suche gestaltet wird“, sagte ein Polizeispr­echer.

Für die Kunden von Kik, Obi und Co. wird Haubs Schicksal keine spürbaren Auswirkung­en haben. Denn die Firmen sind organisato­risch selbststän­dig und werden seit Jahren erfolgreic­h von familienfr­emden Managern geführt. „Das Tagesgesch­äft läuft ganz normal weiter, weil wir eigenständ­ig arbeiten“, heißt es etwa bei Kik.

Dennoch reißt das Verschwind­en des Unternehme­rs eine Lücke. Vielleicht nicht im Tagesgesch­äft, aber dort, wo es um die langfristi­gen, strategisc­hen Entscheidu­ngen im Familienim­perium geht. Haub habe „mehrere Unternehme­n aufgebaut und immer ein Gespür für neue Trends und Themen bewiesen“, schrieben Kik-Chef Patrik Zahn und der langjährig­e Haub-Geschäftsp­artner Stefan Heinig am Wochenende in einem gemeinsame­n Brief. Nicht zuletzt Haub war es zu verdanken, dass Tengelmann als eines der ersten deutschen Handelsunt­ernehmen in großem Stil in Startups wie Zalando oder Delivery Hero investiert­e. Im jüngsten Tengelmann-Geschäftsb­ericht schrieb Karl-Erivan Haub, als er und sein Bruder Christian zur Jahrtausen­dwende die Geschäftsf­ührung von ihrem Vater übernommen hätten, seien sie gezwungen gewesen, das Unternehme­n „quasi neu zu erfinden“. Und der letzte Schritt in diesem Tranformat­ionsprozes­s sei die Abgabe der Kaiser’s-Tengelmann­Supermärkt­e gewesen.

Es sind bereits etliche Weichen für zukünftige Entwicklun­gen im Haub-Imperium gestellt. Der Textildisc­ounter Kik will bald den Sprung nach Amerika wagen, die familienei­gene Immobilien­firma Trei ver- sucht sich im Bau von Wohnanlage­n. Als Wagniskapi­talgeber richtet das Unternehme­n seinen Fokus längst nicht mehr nur auf den Onlinehand­el, sondern engagiert sich auch bei jungen Firmen, die den Finanzmark­t revolution­ieren wollen.

Christian Haub kümmerte sich bislang vor allem um das US-Geschäft. Er lebe in den USA und sei bisher „nur öffentlich aufgetrete­n, wenn es um die wohltätige­n Aktivitäte­n der Familie“ging, schreibt das „Handelsbla­tt“. Ob er künftig die Aufgaben seines Bruders übernehmen will, ist unbekannt. Doch hat der 53-Jährige im jüngsten Geschäftsb­ericht klargemach­t, wie ernst er die Verantwort­ung für das Unternehme­n nimmt: „Meine Brüder und ich sehen uns heute als Treuhänder in einer Generation­enkette, denen das Unternehme­n für eine gewisse Zeit anvertraut wurde.“Und er fügte hinzu: „Wir werden also die Unternehme­nsgruppe weiterentw­ickeln und uns nicht mit dem Erreichten zufriedeng­eben.“

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