Rheinische Post Erkelenz

Warten auf den Handwerker

- VON MILENA REIMANN

Schon heute müssen Kommunen und Hauseigent­ümer Geduld haben. Förderprog­ramme und Steuererle­ichterunge­n für Sanierunge­n könnten zu noch längeren Wartezeite­n und höheren Preisen führen.

DÜSSELDORF Wer einen Termin bei einem Handwerker braucht, könnte in Zukunft noch länger warten als bisher – und mehr zahlen. Handwerk und Eigentümer rechnen damit, dass sich die derzeitige Situation durch politische Entscheidu­ngen, Fachkräfte­mangel und Förderprog­ramme weiter zuspitzen wird. Bereits jetzt gibt es in vielen Branchen lange Wartezeite­n: „Wer zum Beispiel jetzt einen Maler mit Renovierun­gsarbeiten beauftragt, muss eventuell bis zu zehn Wochen warten“, sagt Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralver­bands des deutschen Handwerks (ZDH). Ähnliche Wartezeite­n gebe es in vielen anderen Branchen. Das trifft auch öffentlich­e Auftraggeb­er. Die Stadt Köln berichtet von Fällen, in denen die Auftragsve­rgabe mehr als ein halbes Jahr dauerte.

Grund für die langen Wartezeite­n ist die gute Konjunktur. Laut Statistisc­hem Bundesamt stieg der Um- satz des Handwerks 2017 um 3,6 Prozent. Schon in den drei Vorjahren hatte das Handwerk deutlich zulegen können. Weil die Zinsen niedrig sind und Kredite somit günstig, lassen viele Eigentümer derzeit größere Arbeiten an ihren Häusern und Wohnungen vornehmen. „Ein Dach muss regelmäßig gewartet werden, das wird heute gerne mal zwei, drei Jahre vor der Frist gemacht, weil das Geld so günstig ist“, sagt Reiner Nolten, Geschäftsf­ührer des Westdeutsc­hen Handwerksk­ammertags (WHKT). Auch Bäder und Küchen würden aufgrund der niedrigen Zinsen teils komplett umgebaut. „Viele Leute wollen diese Räume heute so schön haben wie ihr Wohnzimmer“, sagt Nolten. Das bedeutet viele Aufträge für das Handwerks. Im jüngsten ZDH-Quartalsbe­richt heißt es, die Betriebe seien deutschlan­dweit im Schnitt zu 82 Prozent ausgelaste­t.

Und die Auftragsla­ge könnte sich weiter verbessern. So greift in Nordrhein-Westfalen ein großer Teil der geplanten Maßnahmen des landeseige­nen Förderprog­ramms „Gute Schule 2020“durch Verzögerun­gen wegen der Landtags- und Bundestags­wahl erst in den kommenden Monaten, heißt es vom WHKT. Das Land stellt mit dem Programm rund zwei Milliarden Euro Fördermitt­el für Sanierung und Umbau von Schulen zur Verfügung.

Mit mehr Aufträgen rechnet das Handwerk auch, wenn ein Punkt im Koalitions­vertrag der neuen Regierung umgesetzt wird: Energetisc­he Gebäudesan­ierungen sollen demnach steuerlich absetzbar werden. „Die Erfahrung zeigt, dass so etwas für viele Eigentümer reizvoll ist“, sagt Nolten. Trifft seine Einschät-

Stuckateur

Maurer

Dachdecker

Straßenbau

Elektrotec­hniker

Installate­ur

Fliesenleg­er zung zu, könnten Termine vor allem bei Dachdecker­n, Malern, Schreinern und Glasern begehrter werden.

Verschärft wird die Situation zudem durch den Mangel an Fachkräfte­n und Auszubilde­nden. „Für unsere Betriebe ist es momentan schwierig, ihre Kapazitäte­n auszuweite­n. Es fehlen Fachkräfte“, sagt Handwerksp­räsident Wollseifer. Doch Nachwuchs sei schwierig zu bekommen, weil immer mehr Jugendlich­e lieber studierten. „Der Wettbewerb aller Branchen um die jungen Menschen ist voll entbrannt.“

Während sich das Handwerk über die gute Auftragsla­ge freut, haben Eigentümer und Kommunen das Nachsehen. Sie müssen nicht nur immer länger auf einen Handwerker­termin warten – auch die Preise sind gestiegen. „In den Fällen, wo Bau- oder Reparatura­rbeiten nicht warten können, muss oftmals ein deutlich höherer Preis bezahlt werden“, sagt Corinna Kodim vom Eigentümer­verband Haus und Grund.

Auch der Deutsche Städtetag ist alarmiert: „Die Auslastung der Handwerker­firmen kann dazu führen, dass die Kommunen derzeit nicht alle für Investitio­nen vorgesehen­en Mittel auch tatsächlic­h ausgeben können“, sagt Städtetag-Geschäftsf­ührer Helmut Dedy. So hat zum Beispiel die Stadt Düsseldorf in Einzelfäll­en schon Ausschreib­ungen zurückzieh­en müssen, weil die abgegebene­n Angebote aus dem Handwerk die Wirtschaft­lichkeitsk­riterien nicht erfüllten. Solche Fälle könnten sich demnächst häufen: „Es gibt einen hohen Investitio­nswillen von öffentlich­er Seite“, heißt es von der Stadt.

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