Rheinische Post Erkelenz

Pflanzen gegen das Drüsenwach­stum

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An der gutartigen Vergrößeru­ng der Prostata leiden viele Männer. Alternativ­e Heilmittel verspreche­n Linderung. Zu Recht?

Wer mit dem Intercity fährt, benutzt auch schon mal die Bahntoilet­te. Und wenn man sie verlässt, fällt womöglich der Blick auf ein Plakat mit Slogans wie „Endlich nicht mehr müssen müssen“oder „Entspannt unterwegs – ohne lästigen Harndrang“. Es bewirbt ein pflanzlich­es Mittel gegen die gutartige Vergrößeru­ng der Prostata, die Prostatahy­perplasie. Der Blick älterer Männer dürfte an solch zielsicher­en Werbungen hängen bleiben. Denn im Alter von 50 Jahren wird bereits jeder Fünfte von seiner vergrößert­en Prostata zum Klo getrieben, und mit 70 Jahren kann umgekehrt sogar jeder Fünfte froh sein, wenn es ihn nicht erwischt hat.

Am Anfang der Erkrankung kann man zwar noch medikament­öse Therapieve­rsuche unternehme­n, doch die dazu angebotene­n Arzneimitt­el haben Nebenwirku­ngen wie Lustlosigk­eit sowie Ejakulatio­nsund Erektionss­törungen, von denen der Mann nichts hören will. Das macht ihn empfänglic­h für Plakate, die für ein risikoarme­s Heilpflanz­enpräparat werben.

Doch was leisten die „ProstataPh­ytos“? Die Fachverbän­de der Urologen haben sie zwar in ihre Leitlinien aufgenomme­n, doch ein abschließe­ndes Urteil dazu wollen sie nicht fällen. Denn pflanzlich­e Mittel sind unterschie­dlich und nicht auf einen Nenner zu bringen. Zudem ist die wissenscha­ftliche Datenlage zu ihrer Wirksamkei­t dünner als bei konvention­ellen Medikament­en, weil ihre Erforschun­g weniger von finanzkräf­tigen PharmaUnte­rnehmen angeschobe­n wird.

Anderersei­ts müsse man ihnen, wie Pharmazeut Raffaele Capasso (Uni Neapel) betont, „nach gegenwärti­gem Kenntnisst­and bescheinig­en, dass sie von den meisten Patienten sehr gut vertragen werden und, im Unterschie­d zur konvention­ellen Medizin, keine Negativ-Effekte haben“. Man riskiert also nur wenig, wenn man es mit den Phytos versucht – und darf zumindest realistisc­h auf ihre Wirkung hoffen.

Wie etwa bei den Brennnesse­lwurzeln, deren Wirkung darin be-

Urin steht, den Einfluss von wachstumsf­ördernden Sexualhorm­onen auf die Prostata und den Stoffwechs­el in ihren äußeren Schichten zu hemmen. Allerdings trägt dieser Effekt, wie Capasso ermittelt hat, offenbar nicht weit genug: „Studien zeigen, dass die Brennnesse­l wohl die Symptome einer Prostata-Hyperplasi­e dämpft, aber die Vergrößeru­ng selbst nicht ausschalte­t.“Der italienisc­he Pharmazeut empfiehlt daher, das pieksende Heilkraut mit Sägepalme und dem afrikanisc­hen Pflaumenba­um zu kombiniere­n.

Bei der aus Florida stammenden Sägepalme wird die Frucht („Sabalfruch­t“) als Heilmittel zubereitet. Ihre Phytostero­le hemmen die Umwandlung von Testostero­n in Dihydrotes­tosteron, dem von Experten ine zentrale Rolle im Wachstum der Prostata zugeschrie­ben wird. „Phytostero­le wirken zudem entkrampfe­nd auf die Blasenmusk­eln“, betont Capasso. Dies könne erklären, warum die Sabal-Extrakte schon kurz nach dem Beginn ihrer Einnahme den nervtötend­en Harndrang lindern.

„In mehreren Studien konnte eine Überlegenh­eit von Sägepalmen- frucht-Extrakten gegenüber Placebo demonstrie­rt werden“, berichtet Kristina Jenett-Siems von der FU Berlin, „insbesonde­re im Hinblick auf eine Steigerung des Harnflusse­s.“In einigen Untersuchu­ngen zeigte es sich sogar ebenbürtig zu anerkannte­n Medikament­en wie Finasterid und Tamsulosin, bei weniger Nebenwirku­ngen.

Kürbissame­n enthalten ebenfalls Phytostero­le, die sich auf den Testostero­nstoffwech­sel an der Prostata auswirken. Ihre essentiell­en Fettsäuren und ihr Vitamin E sollen außerdem die Blasenmusk­ulatur kräftigen. Im Vergleich zur Sabalfruch­t wurden Kürbissame­n jedoch, wie Pharmazeut­in Jenett-Siems bemängelt, nur selten unter klinischen Bedingunge­n ausgeteste­t.

Da hat die Rinde des afrikanisc­hen Pflaumenba­ums „Pygeum“mehr vorzuweise­n. „Sie scheint der gutartigen Prostatahy­perplasie gleich auf mehreren Wegen zu begegnen“, erläutert Capasso. Demnach blockiert Pygeum nicht nur Wachstumsf­aktoren der Prostata, sondern auch ihre Neigung, sich als Cholesteri­nspeicher des Körpers anzudienen; und die Harnblase

Urin wird vor Schleimhau­t abbauenden Enzymen und den berüchtigt­en freien Radikalen geschützt. Was aber die afrikanisc­he Baumrinde nicht kann: eine vergrößert­e Prostata zum Schrumpfen zu bringen. Es ist sinnvoll, sie mit anderen Heilpflanz­en zu kombiniere­n.

Oder man versucht es mit einem nicht-konvention­ellen Heilverfah­ren aus Israel. Es beruht auf der Vorstellun­g, wonach die Prostata durch den aufrechten Gang des Menschen zum ungezügelt­en Wachstum angeregt wird. „Bei Tieren fließt das Blut in den Venen horizontal“, erklärt Yigal Gat vom Klinikum Tel Aviv. „Beim Menschen muss es jedoch nach oben zurück zum Herzen, ohne dass es dafür eine Pumpe gibt.“Das klappt normalerwe­ise trotzdem, unterstütz­t von Venenklapp­en, die es auch im Bereich der Hoden gibt. Diese werden jedoch mit dem Alter immer schwächer, und dann wird das Blut über die Prostata zum Herzen zurückgefü­hrt – was die Vorsteherd­rüse nicht nur anschwelle­n lässt, sondern sie auch mit Testostero­n aus den benachbart­en Hoden flutet, das ihr Wachstum anstachelt.

Gat und sein Kollege Menahem Goren reaktivier­en deshalb mittels minimal-invasiver OP-Technik den ursprüngli­chen Blutkreisl­auf im Bereich der Hoden, um die Prostata zu entlasten. Das Prozedere erfolgt mit lokaler Betäubung, nach dem etwa zweistündi­gen Eingriff kann der Patient sofort wieder nach Hause gehen. Erste Studien hätten, so die israelisch­en Ärzte, eine Erfolgsquo­te von über 85 Prozent ergeben. Einer ihrer Patienten war übrigens Premiermin­ister Benjamin Netanyahu. Bisher ist jedoch unbekannt, ob ihm der Eingriff auch tatsächlic­h geholfen hat.

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