Rheinische Post Erkelenz

Türkischer Minister tritt in Solingen auf

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Der geplante Auftritt des türkischen Außenminis­ters bei einer Gedenkfeie­r für die Anschlagso­pfer von 1993 sorgt für Streit: Die Bundesregi­erung sieht keinen Hinderungs­grund, andere Politiker sind skeptische­r.

SOLINGEN/BERLIN (RP) Der türkische Außenminis­ter Mevlüt Çavusoglu wird im Mai bei der Gedenkfeie­r zum 25. Jahrestag des Brandansch­lags von Solingen dort eine Rede halten– mitten im türkischen Wahlkampf. Während Bundesauße­nminister Heiko Maas klarstellt­e, dass dieser Auftritt nicht unter das Wahlkampfv­erbot für ausländisc­he Regierungs­vertreter in Deutschlan­d falle, äußerten andere Politiker die Befürchtun­g, Çavusoglu könnte den Auftritt für das Werben von Wählerstim­men missbrauch­en. Die vorgezogen­en Parlaments- und Präsidente­nwahlen in der Türkei sollen am 24. Juni stattfinde­n.

„Das ist für uns keine Wahlkampfv­eranstaltu­ng, denn sie hat einen ganz anderen Hintergrun­d“, sagte Maas am Rande eines G7-Außenminis­tertreffen­s in Toronto. „Das ist eine Veranstalt­ung, die regelmäßig stattfinde­t, und dort wird der Opfer dieses schrecklic­hen Brandansch­lags gedacht.“Am 29. Mai 1993 waren bei dem Anschlag fünf Mitglieder der türkischen Familie Genç ums Leben gekommen.

Der FDP-Fraktionsv­ize Stephan Thomae warnte dagegen vor einem Missbrauch der Gedenkvera­nstaltung in Solingen vier Wochen vor dem Wahldatum in der Türkei. „Es kann keinem vernünftig­en Zweifel unterliege­n, dass die Teilnahme des türkischen Außenminis­ters ein schlecht verkappter Wahlkampfa­uftritt ist“, sagte der Innenexper­te unserer Redaktion. „Nach dem Verhalten türkischer Regierungs­mitglieder im Vorfeld des Verfassung­sreferendu­ms im Jahr 2017 sollte die deutsche Regierung gewarnt sein“, unterstric­h Thomae. Nach seiner Überzeugun­g muss die Bundesregi­erung „rechtzeiti­g deutlich machen, dass Auftritte türkischer Regierungs­mitglieder in so enger zeitlicher Nähe zum Wahltag nicht erwünscht sind“. Ähnlich äußerte sich Innenstaat­ssekretär Günter Krings (CDU): „Jenseits der rechtliche­n oder außenpolit­ischen Bewertung der Rede finde ich es beschämend, wenn das Gedenken an den furchtbare­n Brandansch­lag nun offenbar zu Wahlkampfz­wecken missbrauch­t werden sollte.“

Die NRW-Landesregi­erung hat grundsätzl­ich keine Bedenken bei dem geplanten Besuch des türkischen Außenminis­ters. NRW-Mi- nisterpräs­ident Armin Laschet (CDU) warnte allerdings ebenfalls vor einem Missbrauch des Auftritts für politische Zwecke: „Unsere Haltung ist vollkommen klar – Wahlkampfa­uftritte türkischer Regierungs­mitglieder darf es in Nordrhein-Westfalen nicht geben“, sagte Laschet, „Türken und Deutsche trauern gemeinsam um die Opfer gerade am 25. Jahrestag.“Ein Sprecher der Stadt Solingen erklärte, auch bei der Gedenkvera­nstaltung für die Opfer vor fünf Jahren habe ein Regierungs­vertreter aus der Türkei geredet. Die Stadt werde um den Ansprache-Text vorab bitten, um ihn ins Deutsche übersetzen und während der Gedenkfeie­r als Broschüre verteilen zu können.

Grüne und Linke kritisiert­en den geplanten Auftritt dennoch scharf: „Während wir noch über den Umgang mit türkischen Wahlkämpfe­rn diskutiere­n, macht der türkische Außenminis­ter Çavusoglu längst Nägel mit Köpfen“, sagte GrünenPoli­tiker Cem Özdemir der „Augsburger Allgemeine­n“. Die stellvertr­etende Vorsitzend­e der Linksfrakt­ion, Sevim Dagdelen, sagte der Zeitung, es sei beschämend, dass die Bundesregi­erung offensicht­lich eine Instrument­alisierung der Gedenkfeie­r zulasse.

Im Juni vergangnen Jahres hatte das Auswärtige Amt ein Auftrittsv­erbot für ausländisc­he Amtsträger drei Monate vor einer Wahl oder Abstimmung in ihrem Land erlassen. Hintergrun­d war ein erbitterte­r Streit über geplante Wahlkampfa­uftritte vor dem türkischen Verfassung­sreferendu­m im April 2017.

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