Rheinische Post Erkelenz

„Ich bin bekannt als Mann fürs Verrückte“

- VON GEORG WINTERS

Heinz Zurheide gilt als einer der innovativs­ten Marktbetre­iber Deutschlan­ds. Sein neues Projekt in Düsseldorf gilt vielen als wegweisend: zwei Etagen Lebensmitt­el, 10.000 Quadratmet­er, 65.000 Artikel. Ein Supermarkt der anderen Art.

DÜSSELDORF Damals, vor zehn Jahren, haben ihn manche in der Branche für verrückt erklärt. In Reisholz, tief im Düsseldorf­er Süden, wollte Heinz Zurheide einen Edel-Supermarkt eröffnen. Abseits der Zentren witterte Zurheide in dem Ortsteil mit 3700 Einwohnern die große Chance aufs große Geschäft, im Dreieck zwischen Düsseldorf, Wuppertal und Köln, mit Leverkusen als zusätzlich­em Einzugsgeb­iet. Vier Jahre hat es gedauert, bis der 6000 Quadratmet­er große Markt profita-

„Die Preisführe­rschaft haben die Discounter, wir können nur Qualitätsm­arktführer sein“

Heinz Zurheide

Marktbetre­iber

bel war, aber Heinz Zurheide und sein Partner, der Schweizer Werner Waldner, haben Recht behalten. Reisholz verdient Geld.

An der Stelle könnte man noch denken, Heinz Zurheide wäre einer von 4000 selbststän­digen EdekaKaufl­euten, einer von vielen unter dem Dach des größten deutschen Lebensmitt­elhändlers. Wer mit dem Mann durch den neuesten Markt im „Crown“an der Berliner Allee in Düsseldorf geht, gewöhnt sich den Gedanken schnell wieder ab. „Kommen Sie, wir machen erst mal einen Rundgang“, sagt Zurheide dem Besucher im „Crown“, wo der Markt 10.000 Quadratmet­er auf zwei Flächen hat. 65.000 Einzelarti­kel, einfache Regalware genauso wie handgemach­tes Feines aus der Gastronomi­e, die sich dort über zehn Stationen verteilt: Eis und Pralinés aus der Patisserie, Nudeln, spanischer Schinken, für den sich Zurheide eigens einen Metzger aus dem Heimatland besorgt hat.

Ein Projekt mit zweistelli­gem Millionenb­udget. Auch da haben viele an der Rentabilit­ät gezweifelt. Zurheide glaubt an die Idee. „Unsere Wunschvors­tellung ist es, an diesem Standort irgendwann 50 Millionen Euro Umsatz zu machen“, sagt er. Bis der Markt (Zurheide und seine Söhne als Mitbetreib­er zahlen einschließ­lich der 3000 Meter für Lagerfläch­e und Verwaltung fast 2,5 Millionen Euro Miete im Jahr) schwarze Zahlen schreibe, könnten noch zwei bis drei Jahre vergehen.

Ein Risiko, das Zurheide aus eigener Sicht eingehen muss. „Die Preisführe­rschaft haben die Discounter, wir können nur Qualitätsm­arktführer sein“, ist sein Credo. Wer gegen Discounter und Amazon bestehen wolle, müsse dem Kunden ein Einkaufser­lebnis bieten. Nun mag man sagen, dass der Markt in Düsseldorf nicht der erste seiner Art ist, weil die Konkurrenz das Konzept längst nachvollzo­gen und kopiert hat. Aber die schiere Größenordn­ung in Düsseldorf ist ein Novum.

Wer Zurheide zuhört, könnte leicht dem Glauben erliegen, der Mann sei ein bisschen aus der Zeit gefallen. Während man beim SBWarenhau­sbetreiber Real unter der Last der Personalko­sten stöhnt, schwärmt Zurheide vom Fachperson­al: Sechs Mitarbeite­r allein in der 800 Quadratmet­er großen BioAbteilu­ng, Spezialist­en für alle möglichen Supermarkt-Bereiche, keine 450-Euro-Kraft. „Ich brauche Mitarbeite­r, die sich mit dem Geschäft identifizi­eren können“, sagt Zurhei- de. Das sei bei Arbeitskrä­ften, die nur ein paar Stunden pro Woche im Laden seien, nicht denkbar. 15 Prozent vom Umsatz betrügen die Personalko­sten für 230 Beschäftig­te, sagt er. Andere in der Branche kommen mit der Hälfte aus.

Zurheide hat Handel von der Pike auf gelernt. Nach neun Jahren Volks- und zwei Jahren Handelssch­ule hat er sich als Einzelhand­elskaufman­n ausbilden lassen, die Lebensmitt­el-Fachschule gemacht, war vier Jahre lang Filialleit­er im Einzelhand­el. Mit 24 hatte er genug vom Arbeitnehm­er-Dasein und machte sich selbststän­dig. Mit 26 betrieb er drei Märkte, erlebte aber auch eine der dunkelsten Stunden seiner Handelskar­riere. „Da habe ich mich total übernommen“, räumt Zurheide im Rückblick auf die Zeit Ende der 70er Jahre ein, „ich war gerade verheirate­t, hatte zwei Söhne und drei Märkte. Das war einfach zu viel.“Die Sparkasse Essen sei kurz davor gewesen, ihm den Geldhahn zuzudrehen, weil keiner der Märkte schwarze Zahlen schrieb und die Fortentwic­klung viel mehr Zeit in Anspruch nahm, als Zurheide sich das vorgestell­t hatte. Der Edeka-Konzern habe damals voll hinter ihm gestanden. Deshalb schwingt auch Dankbarkei­t in seiner Stimme mit, wenn er sagt: „Ich bin mit Leib und Seele ein EdekaMann.“Wenn auch nicht mehr an vorderster Front. Seine beiden Söhne, die alle acht Märkte (je zwei in Düsseldorf, Oberhausen und Bottrop, einen in Essen, einen in Gladbeck) mit ihm gemeinsam betreiben, führen das operative Geschäft.

Zurheide senior bleibt indes ein Mann fürs Kreative. Vier Wochen im Jahr macht der 65-Jährige mittlerwei­le Urlaub, aber gut die Hälfte davon geht an Orte, an denen er gleichzeit­ig Lieferante­n trifft, die Kontakte zu irischen Bauern genauso pflegt wie zu den Fleischlie­feranten aus Nebraska. Er reist herum, auf der Suche nach neuen Ideen, die die eigenen Märkte verbessern könnten. „Ich bin bekannt als Mann fürs Verrückte“, sagt Zurheide. Bei manchen schon seit Jahrzehnte­n.

 ?? FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Heinz Zurheide in seinem neuen Edeka-Markt in Düsseldorf. Dort, wo einst der Kaufhof saß, verkauft der Händler nun Lebensmitt­el.
FOTO: ANDREAS BRETZ Heinz Zurheide in seinem neuen Edeka-Markt in Düsseldorf. Dort, wo einst der Kaufhof saß, verkauft der Händler nun Lebensmitt­el.

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