Rheinische Post Erkelenz

Echo-Verantwort­liche stehen in der Pflicht

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Daniel Barenboim hat als nächster prominente­r Musiker seine Echos zurückgege­ben. Seit zwei Wochen bleibt die Jury eine Erklärung schuldig, wie es mit dem Musikpreis weitergeht.

Nun hat auch der Dirigent Daniel Barenboim seine Echos zurückgege­ben. Und auch wenn das zwei Wochen nach der Preisverle­ihung arg spät anmuten mag, ist das doch genau richtig – immer noch. Vielleicht sollte man sogar eine EchoRückse­nde-Kette organisier­en: An jedem Tag schickt ein anderer Künstler seine Ehrungen zurück an den Bundesverb­and Musikindus­trie. So lange, bis die Verantwort­lichen in Berlin endlich verraten, was sie denn nun ändern möchten, und was sie selbst zur gesellscha­ftlichen Debatte beitragen wollen, die durch diese Preisverga­be angestoßen wurde.

Auf unsere Anfrage reagierte der Bundesverb­and nicht. Die letzte Pressemitt­eilung datiert auf der Homepage vom 16. April. Darin heißt es, man führe „die grundsätzl­iche Überarbeit­ung des Echo“weiter, ebenso wie „die Diskussion um die Kunstfreih­eit und ihre Grenzen mit den verschiede­nen Beteiligte­n innerhalb und außerhalb der Branche“. Warum aber gibt man keinen Zwischenst­and? Warum spürt man keinerlei Dringlichk­eit? Und: Warum wird der Bundesverb­and seiner Verantwort­ung nicht gerecht?

Vor zwei Wochen wurden die Rapper Kollegah und Farid Bang für ein Album mit dem Musikpreis Echo ausgezeich­net, das antisemiti­sche und andere menschenve­rachtende Textstelle­n enthält. Die Künstler wurden trotz heftiger Proteste geehrt. Außerdem boten ihnen die Verantwort­lichen ein Forum für einen provoziere­nd martialisc­hen Auftritt. Die Berichters­tattung läuft nun über die ganze Welt, selbst die „New York Times“berichtet: „Rap Duo With Anti-Jewish Lyrics Gets Award“. Es ist ein ethisch-moralische­r Schaden entstanden.

Dabei wäre es so einfach, ein Zeichen dafür zu setzen, es besser machen und Fehler nicht wieder- holen zu wollen. Oder sieht man vielleicht gar nicht ein, dass etwas furchtbar schief gelaufen ist? Es hat den Anschein, als würden antisemiti­sche Ausfälle im deutschen Pop als nicht so schlimm erachtet werden. Vor rund einem Jahr veröffentl­ichte Xavier Naidoo das Lied „Marionette­n“. Demokratis­ch gewählte Politiker nennt der Sänger darin „Hochverrät­er“und „Volks-in-die FresseTret­er“: „ Wenn ich so einen in die Finger krieg’ / Dann reiß ich ihn in Fetzen / Und da hilft auch kein Verstecken hinter Paragraphe­n und Gesetzen“. Naidoo bezeichnet Parlamente als „Puppenthea­terkästen“und bedient das alte antisemiti­sche Klischee vom Puppenspie­ler, der im Hintergrun­d seine Fäden zieht. Naidoo war zum wiederholt­en Mal aufgefalle­n, zudem trat er 2014 bei einer Reichsbürg­er-Demo auf. Dennoch fanden sich viele Kollegen, die ihn verteidigt­en. Es passierte wenig.

Vielleicht will der Bundesverb­and den aktuellen Fall einfach aussitzen. Deshalb ist es gut, dass Barenboim seinen Preis zurückgibt. Deshalb ist es gut, dass auch der Pianist Igor Levit seinen Preis zurückgab und gestern auch noch twitterte: „Hat der @BVMI_music eigentlich schon irgendwelc­he Konsequenz­en gezogen?“Levits Frage ist rhetorisch, Konsequenz­en gibt es nicht, und das ist ebenso schlimm wie die Sache an sich. Deshalb: keine Ruhe geben, kein Gras über die Sache wachsen lassen. Öffentlich­keit herstellen. Die Verantwort­lichen dürfen nicht aus der Pflicht entlassen werden.

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FOTO: DPA Daniel Barenboim hat den Musikpreis Echo zurückgege­ben.

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