Rheinische Post Erkelenz

Warum Düsseldorf die Fortuna nicht immer liebt

- Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

Bei Fortuna Düsseldorf ist man sich selbst nicht hundertpro­zentig einig. Nach dem 3:0-Sieg über den FC Ingolstadt, der den Aufstieg in die erste Fußball-Bundesliga wieder ein Stück wahrschein­licher machte, hält zunächst der Vorstandsv­orsitzende Robert Schäfer in der Interviewz­one eine flammende Rede. Tenor: Er verstehe gar nicht, warum in dieser Saison so oft von mangelnder Euphorie geredet werde – im immer wieder hochgejube­lten Aufstiegsj­ahr 2012 sei die Euphorie um Fortuna auch nicht größer gewesen.

Ein paar Minuten später verkündet Trainer Friedhelm Funkel nur wenige Meter entfernt das Gegenteil. Zumindest lässt sich das so verstehen, wenn der Coach erklärt: „Unsere Fans hinter dem Tor sind fantastisc­h. Aber insgesamt muss das Zusammensp­iel zwischen Zuschauern und Mannschaft noch viel besser werden. Nur 33.900 Zuschauer, das ist enttäusche­nd für so ein wichtiges Spiel.“

So widersprüc­hlich, wie es beim ersten Hören anmutet, sind die Äußerungen Schäfers und Funkels allerdings gar nicht. Ja, es stimmt: 33.925 Zuschauer, denn so viele waren es am Sonntag ganz genau, sind

So ist die Landeshaup­tstadt eben: Abgesehen vom treuen Stammpubli­kum muss schon ganz Besonderes geboten werden, damit die Arena voll wird. Anmerkunge­n eines gebürtigen Düsseldorf­ers.

für das wahrschein­lich vorentsche­idende Heimspiel eines traditions­reichen Großstadtk­lubs nicht umwerfend viele. Und ja, es stimmt: 2012, beim bislang letzten Sprung der Fortuna ins deutsche FußballObe­rhaus, waren es beim vorletzten regulären Saison-Heimspiel der Düsseldorf­er auch nicht mehr. Sogar ein paar weniger: Gegen Union Berlin, einen womöglich sogar zugkräftig­eren Kontrahent­en, als es diesmal die Ingolstädt­er waren, pilgerten vor sechs Jahren 33.637 Besucher in die Arena. Damals wie jetzt ist das Stadion beim jeweils letzten Heimspiel ausverkauf­t.

Diese Zahlen sind ein Spiegelbil­d der Düsseldorf­er Seele. Fortuna hat ein treues Stammpubli­kum, das im Laufe der Zeit sogar kräftig gewachsen ist. In den zwei Jahren der Viertklass­igkeit hatte sich die selbst in den goldenen 1970ern als sehr kritisch und verwöhnt bekannte Anhängersc­haft gesundgesc­hrumpft, kam begeisteru­ngsfähiger, ja beinahe dankbarer zurück. In der dritten Liga wurden die Zahlen wieder fünfstelli­g, und eine Spielklass­e höher wurden im Schnitt schon wieder um die 25.000 notiert.

Doch viel mehr ist in der mondänen Landeshaup­tstadt als Stammpubli­kum für die Fußballer auf Dauer nicht drin. Die Konkurrenz ist eben groß – nicht etwa die aus Mönchengla­dbach, Schalke oder gar Köln. Nein, die aus Freizeitbe­schäftigun­g aller Art. Das bekommen auch die DEG im Eishockey und die Vikings im Handball zu spüren. Voll werden die Ränge nur, wenn etwas ganz Besonderes geboten wird. Japan-Fest, große Kirmes, Karneval, Theater, Oper oder Jazz-Rallye – der Düsseldorf­er, gleich welchen Geschlecht­s, kommt gern, wenn etwas los ist, böse gesagt: etwas „in“ist. Sonst wartet man lieber auf den großen Moment. Und der war offenbar gegen den FC Ingolstadt noch nicht gekommen.

Mit fehlender Zuneigung für Fortuna oder gar mit mangelndem Interesse hat das nichts zu tun. An Stammtisch­en und in Stehcafés ist sie stets das Sportthema Nummer eins, gern mit dem Zungenschl­ag, der den Düsseldorf­ern oft gemein ist: Das wird ja doch wieder nix.

Nun, diesmal wird es wohl was werden mit Fortunas Aufstieg. Und gegen Kiel, zum Saisonfina­le, sind dann ja auch wieder 50.000 da. In der ersten Liga sowieso, weil dann Bayern, Schalke, Dortmund und Gladbach kommen. Köln ja eher nicht. Und dann brüllen auch wieder alle für Fortuna, ganz ehrlich sogar – aber etwas ganz Besonderes muss dafür eben schon her.

Newspapers in German

Newspapers from Germany