Rheinische Post Erkelenz

Transatlan­tischer Stresstest

- VON KRISTINA DUNZ

Während Donald Trump dem französisc­hen Präsidente­n drei Tage lang den roten Teppich ausrollt, muss die Kanzlerin in drei Stunden zur Sache kommen. Das kann eine gute Arbeitstei­lung sein. Oder ein Bedeutungs­verlust.

BERLIN Man könnte meinen, Donald Trump sei verliebt. Der bullige US-Präsident strahlt den asketisch anmutenden französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron an, er nennt ihn „perfekt“. Sie küssen sich sogar, beziehungs­weise sie begrüßen sich mit den in den USA bei Männern gar nicht beliebten französisc­hen Küsschen links, Küsschen rechts. Und scheinbar väterlich wischt der 71-Jährige dem 40-Jährigen im Oval Office vor aller Welt noch ein paar Flusen vom Revers. In Wirklichke­it ist das natürlich übergriffi­g und soll zeigen, wer hier der „Obermacker“ist, wie es die „FAZ“formuliert. Macron ist die Wirkung von Bildern klar, hatte sich der zierliche Franzose doch bei seinem ersten Treffen mit Trump am Rande des Nato-Gipfels im vorigen Jahr mit einem verblüffen­d eisernen Händedruck Respekt verschafft. Auch bei diesem riesengroß­en dreitägige­n Staatsbesu­ch mit Pomp und Pathos in Washington erwidert er Trumps Körperkont­akt schnell mit ordentlich­en Schlägen auf die Schulter des sehr viel größeren Amerikaner­s. Macron will die symbolisch­e Augenhöhe halten. Sie geben sich nicht die Hände, sie klatschen sich ab, fast sieht es nach Armdrücken aus. Männer.

All das verdeckt erst einmal den transatlan­tischen Stresstest mit den großen Irritation­en, die dieser US-Präsident auslöst. Seine Abkehr von internatio­nalen Verträgen, sein angezettel­ter Handelskri­eg, das Chaos in seiner Regierung durch Rücktritte oder Rauswürfe von Ministern und Beratern mit anschließe­ndem Rechtsruck und die Kriegsdroh­ungen gegen Russland und Nordkorea via Twitter, um danach alles wieder ins Gegenteil zu wenden.

Zumindest Bilder der Kraftmeier­ei werden Angela Merkel erspart bleiben, wenn sie Trump morgen im Weißen Haus trifft. Sie ist kein Kumpel-Typ, sie hält Distanz. Erst recht zu Trump, der alles aufkündige­n möchte, was der Vorgänger und Merkel-Fan Barack Obama ausgehande­lt hat. Weil Trump der Kanzlerin bei ihrem ersten Besuch im März vorigen Jahres nicht einmal die Hand im Oval Office für die Fotografen gab, muss sie nun auch keine große Charme-Offensive befürchten. Merkel betont zwar, dass das transatlan­tische Bündnis für sie ein „großer Schatz“sei, den sie hegen und pflegen wolle. Aber sie und Trump haben keinen Draht zueinander. Der sprunghaft­e Milliardär kann mit der bodenständ­igen Pfarrersto­chter aus der DDR wenig anfangen. Und umgekehrt. Er dürfte spüren, dass sie ihm intellektu­ell überlegen ist und sich nicht vereinnahm­en lässt. Das verletzt seine Eitelkeit.

Für Merkel war schon vor einem Jahr der Punkt gekommen, Europa zu mehr Selbstbewu­sstsein und Unabhängig­keit von den USA aufzuforde­rn, als sie in einem Bierzelt sagte: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, sie sind ein Stück weit vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt.“Sie meinte den verkorkste­n G7Gipfel mit Trump in Italien. Die Frage ist nun, wie stark sich Europa aufstellen kann und ob das Trump beeindruck­t. Etwa in der Verteidigu­ngspolitik jedenfalls kann vor allem Deutschlan­d nicht selbstbewu­sst auftreten, weil es von der vereinbart­en Nato-Verpflicht­ung, zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s für das Militär auszugeben, mit gerade mal 1,2 Prozent noch weit entfernt ist.

Für Merkel und Macron geht es erst einmal darum, nacheinand­er auf diesen US-Präsidente­n einzuwirke­n, im Sinne des Weltfriede­ns nicht nationalis­tisch zu agieren, sondern Bündnisse zu schmieden und zu pflegen. Nach seinem Ausstieg aus dem Pariser Klimaschut­zabkommen im vorigen Jahr wollen sie Trump nun von einer Abkehr von dem so mühsam ausgehande­lten Atom-Abkommen mit dem Iran abbringen. Für Trump ist es, wie sollte es anders sein, der „schlechtes­te Deal aller Zeiten“. Ferner geht es um nichts Geringeres, als einen Handelskri­eg zu stoppen. Nicht drei Tage wie Macron, sondern nur drei Stunden wird Merkel mit Trump über die großen Differenze­n im transatlan­tischen Verhältnis sprechen. Eine besondere Arbeitstei­lung. Erst Glanz und Gloria mit Macron, der Trump schmeichel­t, dann der nüchterne Arbeitsbes­uch Merkels, die Trump vor „America first“warnt.

Trump hat Strafzölle auf Stahl und Aluminium erhoben und die EU bis zum 1. Mai davon ausgenomme­n. Nun bestehen in Europa Bedenken, ob die USA diese Frist verlängern oder vielleicht zusätzlich­e Zölle erwägen wollen – etwa auf Autos. Die EU erhebt ZehnProzen­t-Zölle für Einfuhren von USFahrzeug­en, umgekehrt sind es nur 2,5 Prozent. Alle wissen, dass es Trump auch darum geht, Bündnisse wie die EU oder die Welthandel­sorganisat­ion (WTO) zu spalten, um bilaterale Vereinbaru­ngen zu treffen, bei denen die USA die Stärkeren sind. Er könnte sich einfach bei der WTO beklagen. Oder das unter Obama geplante transatlan­tische Freihandel­sabkommen TTIP wiederbele­ben. Aber so lange könnte Merkel Trumps Hand gar nicht drücken.

Der Generalsek­retär des CDU-Wirtschaft­srates, Wolfgang Steiger, mahnt: „Wir müssen den Freihandel insgesamt schützen und brauchen ein umfassende­s Abkommen, das der WTO standhält – und nicht etwa einen reinen Ausnahmeka­talog, der zwischen der EU und den USA geschlosse­n wird.“Auch der neue Koordinato­r der Bundesregi­erung für die transatlan­tische Zusammenar­beit, Peter Beyer, sagt unserer Redaktion: „Wenn wir einen Konflikt haben, gehört die Klärung in die WTO. Wir wollen die regelbasie­rte Ordnung stärken. Man fragt sich doch, was kommt als nächstes? Protektion­istische Mauern schaden auch den Amerikaner­n. Das muss auch Trump begreifen.“

Früher war es so, dass Obama Merkel anrief, wenn er Europa sprechen wollte. Heute ruft Trump wohl in Paris an. Ob Trump einen Keil zwischen Macron und Merkel treiben kann, wird man bald sehen. Noch so ein Stresstest.

Er dürfte spüren, dass sie ihm intellektu­ell überlegen ist und sich nicht vereinnahm­en lässt

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