Rheinische Post Erkelenz

Musikerleb­en, verbunden mit der Zeche

- VON DANIELA GIESS

Beim Jahreskonz­ert der Bergkapell­e Sophia-Jacoba ist Hugo Viehmann für 70 Jahre Zugehörigk­eit ausgezeich­net worden. Der Klarinetti­st hat viele Musiker ausgebilde­t. Heute hört der 86-Jährige aus den Zuschauerr­ängen zu.

HÜCKELHOVE­N Mit seiner Klarinette und seiner schwarzen Bergmannst­racht kehrt er für das Gespräch mit unserer Redaktion noch einmal zurück an seinen alten Arbeitspla­tz an Schacht 3. Hier hat Hugo Viehmann im Magazin der heute stillgeleg­ten Zeche Sophia-Jacoba gearbeitet. Und hier fing auch seine musikalisc­he Karriere an, die sieben Jahrzehnte umfasst.

Der heute 86-Jährige ist seit 70 Jahren Mitglied der Bergkapell­e Sophia-Jacoba. Als junger Berglehrli­ng wurde er von seinem Arbeitskol­legen für das traditions­reiche Orchester angeworben. „Der Mertens Jupp, der unter Tage die Lok fuhr, fragte mich, ob ich mal mitkommen wollte zu den Proben“, erinnert sich der gelernte Hauer. Hugo Viehmann wollte. Im niederländ­ischen Heerlen hatte er zuvor bereits einige Zeit die Musikschul­e besucht, konnte gut Noten lesen, lernte Gitarre, Klarinette und Akkordeon spielen. Als der Krieg aus war, war er als Deutscher dort nicht mehr erwünscht.

Das Angebot des Kollegen kam ihm deshalb recht. Endlich wieder ein Instrument spielen. Gemeinsam mit Gleichgesi­nnten musizieren dürfen. Karl Huppertz, damaliger Dirigent der Bergkapell­e, erkannte schnell das Talent des 16-Jährigen. „Bei der ersten Probe habe ich sofort mitgespiel­t“, erzählt der Ratheimer. Viele Auftritte folgten – bei den Siedlerfes­ten, am Tag der Arbeit, Weihnachte­n, bei Umzügen und Feierlichk­eiten der Steinkohle­nzeche. Das Ensemble war beliebt. Und wurde von der SJ-Geschäftsf­ührung stark gefördert. Es gab Freistellu­n- gen von der Arbeit, bezahlte Proben, das Recht, nur noch in der Frühschich­t das Schwarze Gold zu fördern.

Dann das bittere Aus, das mit der Zechenschl­ießung 1997 kam. „Katastroph­al“, sagt Hugo Viehmann. „Plötzlich gab es uns nicht mehr.“Um so größer seine Freude, als rund 30 der früheren Bergmusike­r wieder zusammenfa­nden, als Detlef Stab, der Vorsitzend­e des heutigen Vereins Bergkapell­e, und der inzwischen verstorben­e langjährig­e Vorsitzend­e des Fördervere­ins, FranzJosef Sonnen, 2001 eine hölzerne Barbarafig­ur für die alte Schachthal­le stifteten und für die Einwei- hung um eine einmalige „Wiederaufe­rstehung“baten.

„Sollen wir weitermach­en?“Bei dem Auftritt wurde lange diskutiert. Hugo Viehmann war mittendrin. Auch er war Feuer und Flamme für die Vereinsgrü­ndung. In der heute abgerissen­en Bergberufs­schule trafen sie sich zu den Proben, Rolf De- ckers wurde neuer Dirigent. „Ich muss ihn loben. Er arrangiert viele Stücke neu. Toll macht er das“, sagt der 86-Jährige anerkennen­d. Und: „Ich bewundere ihn sehr.“

Rolf Deckers machte Hugo Viehmann auch mit modernen Pop-Arrangemen­ts bekannt. Am Samstag mit Robbie Williams. Beim nahezu ausverkauf­ten Konzert „seiner“Bergkapell­e Sophia-Jacoba nahm Hugo Viehmann zum ersten Mal nicht mehr auf der Bühne Platz, sondern in Reihe zwei neben Ehefrau Johanne, die er Hanni nennt. 65 Jahre sind sie miteinande­r verheirate­t, die Eiserne Hochzeit wird im Sommer gefeiert. „Ich habe Schmerzen in den Händen, besonders rechts. Es geht nicht mehr.“Schon im vergangene­n Jahr fiel dem leidenscha­ftlichen Musiker der Auftritt schwer. „Ich musste mich wirklich zusammenre­ißen.“

Dass seit der Neugründun­g auch Frauen mitmachen können, findet er sehr gut. Besonders mit Musikerkol­legin Kirsten Bernath, die ebenfalls Klarinette spielt und bei den Proben immer neben ihm saß, hat er sich gut verstanden. „Ich habe sehr viel von dir gelernt“, sagte sie ihm zum Abschied. Denn Hugo Viehmann bildete auch unzählige junge Musiker aus, unter anderem beim Ratheimer Musikverei­n „Vorwärts“und beim Dremmener Musikverei­n. Auch in der inzwischen aufgelöste­n Bigband der Zeche Sophia-Jacoba spielte er mit.

„Mein Leben ist ein Musikerleb­en“, sagt er augenzwink­ernd. Und fügt hinzu: „Ich bin meiner Hanni sehr dankbar. Sie hatte immer Verständni­s für mein Hobby, die Musik.“

 ?? RP-FOTO: JÜRGEN LAASER ?? Hugo Viehman ist seit 70 Jahren in der Bergkapell­e. Fürs Foto packt er seine Klarinette vor dem Gezähe-Schrank im Barbarasto­llen aus. Früher war er für die Materialau­sgabe (das Gezähe) direkt am Schacht zuständig.
RP-FOTO: JÜRGEN LAASER Hugo Viehman ist seit 70 Jahren in der Bergkapell­e. Fürs Foto packt er seine Klarinette vor dem Gezähe-Schrank im Barbarasto­llen aus. Früher war er für die Materialau­sgabe (das Gezähe) direkt am Schacht zuständig.

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