Musikerleben, verbunden mit der Zeche
Beim Jahreskonzert der Bergkapelle Sophia-Jacoba ist Hugo Viehmann für 70 Jahre Zugehörigkeit ausgezeichnet worden. Der Klarinettist hat viele Musiker ausgebildet. Heute hört der 86-Jährige aus den Zuschauerrängen zu.
HÜCKELHOVEN Mit seiner Klarinette und seiner schwarzen Bergmannstracht kehrt er für das Gespräch mit unserer Redaktion noch einmal zurück an seinen alten Arbeitsplatz an Schacht 3. Hier hat Hugo Viehmann im Magazin der heute stillgelegten Zeche Sophia-Jacoba gearbeitet. Und hier fing auch seine musikalische Karriere an, die sieben Jahrzehnte umfasst.
Der heute 86-Jährige ist seit 70 Jahren Mitglied der Bergkapelle Sophia-Jacoba. Als junger Berglehrling wurde er von seinem Arbeitskollegen für das traditionsreiche Orchester angeworben. „Der Mertens Jupp, der unter Tage die Lok fuhr, fragte mich, ob ich mal mitkommen wollte zu den Proben“, erinnert sich der gelernte Hauer. Hugo Viehmann wollte. Im niederländischen Heerlen hatte er zuvor bereits einige Zeit die Musikschule besucht, konnte gut Noten lesen, lernte Gitarre, Klarinette und Akkordeon spielen. Als der Krieg aus war, war er als Deutscher dort nicht mehr erwünscht.
Das Angebot des Kollegen kam ihm deshalb recht. Endlich wieder ein Instrument spielen. Gemeinsam mit Gleichgesinnten musizieren dürfen. Karl Huppertz, damaliger Dirigent der Bergkapelle, erkannte schnell das Talent des 16-Jährigen. „Bei der ersten Probe habe ich sofort mitgespielt“, erzählt der Ratheimer. Viele Auftritte folgten – bei den Siedlerfesten, am Tag der Arbeit, Weihnachten, bei Umzügen und Feierlichkeiten der Steinkohlenzeche. Das Ensemble war beliebt. Und wurde von der SJ-Geschäftsführung stark gefördert. Es gab Freistellun- gen von der Arbeit, bezahlte Proben, das Recht, nur noch in der Frühschicht das Schwarze Gold zu fördern.
Dann das bittere Aus, das mit der Zechenschließung 1997 kam. „Katastrophal“, sagt Hugo Viehmann. „Plötzlich gab es uns nicht mehr.“Um so größer seine Freude, als rund 30 der früheren Bergmusiker wieder zusammenfanden, als Detlef Stab, der Vorsitzende des heutigen Vereins Bergkapelle, und der inzwischen verstorbene langjährige Vorsitzende des Fördervereins, FranzJosef Sonnen, 2001 eine hölzerne Barbarafigur für die alte Schachthalle stifteten und für die Einwei- hung um eine einmalige „Wiederauferstehung“baten.
„Sollen wir weitermachen?“Bei dem Auftritt wurde lange diskutiert. Hugo Viehmann war mittendrin. Auch er war Feuer und Flamme für die Vereinsgründung. In der heute abgerissenen Bergberufsschule trafen sie sich zu den Proben, Rolf De- ckers wurde neuer Dirigent. „Ich muss ihn loben. Er arrangiert viele Stücke neu. Toll macht er das“, sagt der 86-Jährige anerkennend. Und: „Ich bewundere ihn sehr.“
Rolf Deckers machte Hugo Viehmann auch mit modernen Pop-Arrangements bekannt. Am Samstag mit Robbie Williams. Beim nahezu ausverkauften Konzert „seiner“Bergkapelle Sophia-Jacoba nahm Hugo Viehmann zum ersten Mal nicht mehr auf der Bühne Platz, sondern in Reihe zwei neben Ehefrau Johanne, die er Hanni nennt. 65 Jahre sind sie miteinander verheiratet, die Eiserne Hochzeit wird im Sommer gefeiert. „Ich habe Schmerzen in den Händen, besonders rechts. Es geht nicht mehr.“Schon im vergangenen Jahr fiel dem leidenschaftlichen Musiker der Auftritt schwer. „Ich musste mich wirklich zusammenreißen.“
Dass seit der Neugründung auch Frauen mitmachen können, findet er sehr gut. Besonders mit Musikerkollegin Kirsten Bernath, die ebenfalls Klarinette spielt und bei den Proben immer neben ihm saß, hat er sich gut verstanden. „Ich habe sehr viel von dir gelernt“, sagte sie ihm zum Abschied. Denn Hugo Viehmann bildete auch unzählige junge Musiker aus, unter anderem beim Ratheimer Musikverein „Vorwärts“und beim Dremmener Musikverein. Auch in der inzwischen aufgelösten Bigband der Zeche Sophia-Jacoba spielte er mit.
„Mein Leben ist ein Musikerleben“, sagt er augenzwinkernd. Und fügt hinzu: „Ich bin meiner Hanni sehr dankbar. Sie hatte immer Verständnis für mein Hobby, die Musik.“