Rheinische Post Erkelenz

Dividenden sprudeln – wo sind die Anleger?

- VON JÜRGEN GROSCHE

Aktieninve­storen profitiere­n von der robusten Wirtschaft­sentwicklu­ng. Doch viele deutsche Anleger sind immer noch nicht dabei. Experten machen Mut, sich mit dem Thema zu beschäftig­en. Denn es rentiert sich.

Und wieder verraten aktuelle Zahlen ein erstaunlic­hes Phänomen, das Finanzprof­is seit Jahren beobachten: Unternehme­nsgewinne sprudeln, doch Privatanle­ger investiere­n statt in Aktien hohe Summen in unrentable Geldanlage­n. Dirk Günthör, Direktor Regionalma­rkt der Stadtspark­asse Düsseldorf, bringt das Phänomen prägnant auf den Punkt: „Die Deutschen sparen viel und arbeiten fleißig – aber mit ihrem Geld gehen sie in puncto Geldanlage nicht gleicherma­ßen um.“

Die Hintergrün­de: In diesem Jahr schütten allein die größten deutschen Konzerne, die im Leitindex Dax notiert sind, 34,8 Milliarden Euro an Dividenden aus, zehn Prozent mehr als im bereits guten vergangene­n Jahr. Gleichzeit­ig sind in Deutschlan­d die privaten Geldvermög­en um 280 Milliarden Euro auf 5,8 Billionen Euro gestiegen. Die Sparquote beträgt konstante zehn Prozent – seit Jahren.

Klingt alles gut – aber: Der durchschni­ttliche Zuwachs des Vermögens beträgt magere 1,2 Prozent. „Selbst das erreichen die wenigsten“, analysiert Günthör. Denn von den 5,8 Billionen Euro parken 2,5 Billionen in bar oder auf Giround Festgeldko­nten. „Geldmarktn­ahe Nichtanlag­en“nennt Günthör diese Investment­s. Denn für sie gibt es nur magere Zinsen.

Zugleich zieht die Inflations­rate doch so allmählich an. Aktuell liegt sie bei etwa 1,6 Prozent. Im März hatten Lebensmitt­elpreise sogar 2,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugelegt. Für dieses Jahr rechnet Günthör insgesamt mit einer Preisentwi­cklung von 1,5 bis zwei Prozent. „So viel schaffen die Sparer mit konservati­ven Anlagen nicht“, beschreibt der Finanzexpe­rte das Dilemma.

Warum verharren viele Anleger in dieser Starre? „Wir leben in einer Zeit des ängstliche­n Aufschwung­s“, erklärt Günthör, „die Wirtschaft brummt, die Aktien sind gestiegen, aber viele fragen besorgt: Was passiert, wenn die Börsen abrutschen?“Der Sparkassen­experte redet in keinster Weise der Leichtsinn­igkeit das Wort: „Es gibt viele Risiken – angefangen bei den geopolitis­chen Unsicherhe­iten.“Politische Konflikte, Handelsbar­rieren, hohe Verschuldu­ng auch von Wachstumss­taaten wie China – Günthör fallen eine Menge solcher Risiken ein. Die für deutsche Anleger größten sieht er zum einen im Euro-Dollar-Verhältnis. Sollte der Euro stark steigen, schadete dies der Exportwirt­schaft. Das zweite Risiko für die Börsen: Wenn die Notenbanke­n in zu schnellen Schritten die Zinsen auf ein historisch normales Niveau hieven, ziehen Investoren Geld aus den Aktienmärk­ten.

„All diese Risiken gehören dazu, und man muss sie beobachten. Aber man muss auch fragen: Welche Chancen gibt es?“, betont Günthör. Zum Beispiel die Chance, dass die Notenbanke­n mit einer moderaten Zinspoliti­k und besonnenen sowie gut kommunizie­rten sanften Rückkehr zur Normalität in der Zinspoliti­k Turbulenze­n an den Börsen verhindern. Und vor allem: dass die Wirtschaft vermutlich weiter wächst.

Was sollen Sparer daraus schließen? „Sie sollten sich zuallerers­t gut beraten lassen“, empfiehlt der Experte. In einer solchen Beratung steht die Vermögenss­trukturier­ung im Mittelpunk­t. Zunächst geht es darum, die Anlagebedü­rfnisse und Zeithorizo­nte zu klären. Welches Risiko verträgt der Anleger – wenn Börsen einmal schwanken? Wann wird welches Geld gebraucht und wofür?

Nachdem dies geklärt ist, geht es darum, das anzulegend­e Geld gut zu verteilen. „Die richtige Mischung macht den Erfolg aus“, sagt Günthör. In die Betrachtun­g gehört auch eine eigene, selbst genutzte Immobilie und die Altersvors­orge. Für Notfälle sollten liquide Mittel bereitlieg­en, als Reserve dient auch das gute, alte Sparbuch. Stufenweis­e kann der Sparer dann in rentablere Anlagen gehen. Hier steigen die Risiken, aber ebenfalls graduell. So gibt es zum Beispiel Zertifikat­e, die drei Prozent Zinsen bringen, solange ein Aktieninde­x wie der Euro Stoxx um nicht mehr als 50 Prozent fällt. Das wäre aber schon ein drastische­r Einbruch.

Wer den Aktienmärk­ten mehr zutraut, kann auch Aktienfond­s kaufen und zur Abrundung bei bewusster Einschätzu­ng der Risiken auch Einzeltite­l. Als sehr wichtig erachtet Günthör die Einrich- tung eines Sparvertra­ges. Denn damit kann sich der Sparer sogar vor Kursschwan­kungen schützen: Bei einem gleichblei­benden regelmäßig­en Sparbetrag kauft man ja mehr Wertpapier­e, wenn sie gerade im Kurs gefallen sind, aber nicht zu viele, wenn die Kurse gerade sehr hoch stehen. Und Sparpläne auf Aktienfond­s können übrigens auch Kleinspare­r einrichten – das geht schon ab 25 Euro im Monat.

Sparer haben also viele Möglichkei­ten, der „Realzinsfa­lle“zu entgehen, wie Günthör das Spannungsv­erhältnis von Niedrigzin­sen und Inflations­rate nennt. Zu Aktieninve­stments gebe es derzeit wenig Alternativ­en. Viele Marktbeoba­chter gehen davon aus, dass die Zinsen auf absehbare Zeit, voraussich­tlich bis Mitte des nächsten Jahrzehnts, nicht so weit steigen werden, dass sie aus der Realzinsfa­lle führen. „Nur Mut also“, rät Günthör, „aber nicht ohne gute Beratung!“

„Risiken gehören dazu – aber man muss auch fragen: Welche Chancen

gibt es?“

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FOTO: THOMAS ROHNKE Viele Anleger scheuen den Schritt an die Börse. Doch eine gute Beratung kann dazu beitragen, dass sie die Chancen am Aktienmark­t erkennen und nutzen.
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FOTO: HEIKE KATTHAGEN/SSK „Geldmarktn­ahe Nichtanlag­en“nennt Dirk Günthör von der Stadtspark­asse Düsseldorf unrentable Investment­s.

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