Nur „Spielgeld“in Bitcoin und Co. anlegen
Die beeindruckenden Wachstumsraten der Kurse von Kryptowährungen imponieren immer mehr Anlegern. Innerhalb eines Jahres stieg der Bitcoin um gut 600 Prozent von 1000 auf rund 6500 Euro – wobei das weniger als die Hälfte des bislang höchsten Kurses im November ist. War ein Ripple im vergangenen April nur drei
Jens Hartmann Cent wert, so liegt er heute bei 55 Cent – ein Plus von 1700 Prozent. Zum höchsten Kurs Ende vergangenen Jahres hatte er binnen Jahresfrist mehr als 4000 Prozent zugelegt. Ether stieg im gleichen Zeitraum von knapp 40 auf mehr als 400 Euro – auch hier ein Kursanstieg von 900 Prozent. Kein Wunder, dass immer mehr Anleger an derart imposanten Kursgewinnen teilhaben möchten.
Doch Kryptogeld ist nicht gleich Kryptogeld. Jede digitale Währung basiert auf anderen Algorithmen. Insgesamt listet die Webseite Kryptowaehrungen-kurse.de 2383 unterschiedliche Währungen. Zusammen hatten sie Ende April einen Marktwert von knapp 290 Milliarden Euro. „Bei derart vielen Währungen wird nicht jede überleben“, ist Jens Hartmann, Geschäftsführer des Düsseldorfer Vermögensverwalters Ficon Börsebius überzeugt. Es bestehe daher das Risiko eines Totalverlusts. Zudem sei die Volatilität extrem hoch – Verluste von bis zu 20 Prozent an einem Tag sind keine Seltenheit. „Wir kaufen für unsere Kunden keine Kryptowährungen“, sagt Hartmann. Das sei im Rahmen sei- ner Verträge als Vermögensverwalter rechtlich nicht zulässig.
Weil jedoch immer mehr seiner Kunden das Thema ansprechen und investieren möchten, hat sich Hartmann intensiv damit auseinandergesetzt. Seit erste Banken eine Verwahrfähigkeit von Digitalwährungen offerieren, Zertifikateanbieter auf den Zug aufgesprungen sind und die USTerminbörse CBOE den ersten Terminkontrakt auf den Bitcoin anbietet, ist ein Investment zumindest technisch nun möglich. Trotzdem ist sein Fazit: „Direkt in Kryptowährungen würde ich nur Spielgeld investieren, denn das Verlustrisiko ist noch zu hoch und der Markt nicht reguliert genug.“
Interessant ist für Vermögensverwalter Hartmann vor allem die zugrunde liegende Technologie namens Blockchain. Das Weltwirtschaftsforum prognostizierte kürzlich, dass im Jahr 2025 zehn Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts mit Hilfe der Blockchain abgewickelt werden. Für viele Industrien und Unternehmen wird dieses dezentrale Protokoll, das Transaktionen zwischen Parteien dokumentiert, große Umwälzungen bringen. „Die Position von Zwischenhändlern ist in Gefahr, völlig neue Arten von Verträgen sind zum Beispiel im multinationalen Umfeld möglich“, erklärt Hartmann. Künftig kann eine Maschine prüfen, ob der Wartungstechniker für eine spezielle Wartung zertifiziert ist, und Unternehmen können herausfinden, ob ein Bewerber über eine entsprechende Ausbildung verfügt. Als einer der ersten Anwendungsfälle in Deutschland hat der Touristikkonzern Tui seine Bettendatenbank auf Blockchain umgestellt und managed nun seine Bettenkapazitäten damit.
Auch sogenannte Smart Contracts sind auf dem Vormarsch. Auf der Plattform Ethereum beispielsweise kann eine Zahlungs-Transaktion mit Programmcode in Form einer Wenn-Dann-Bedingung verbunden werden. Solch ein digitaler Vertrag gilt als „schlau“, weil der eingebundene Code überwacht, ob bestimmte Bedingungen des Vertrags gegeben sind und automatisch eine definierte Handlung auslöst. Als Standardbeispiel dient die Rückzahlung einer Kaution, wenn die angemietete Wohnung oder der Mietwagen ordnungsgemäß zurückgegeben wurde. Einen großen Praxistest solcher Smart Contracts hat das World Food Program der Vereinten Nationen im Mai in Jordanien gestartet. In dortigen Flüchtlingslagern ermöglicht es in fünf Läden einen Einkauf mittels digitaler Ethereum-Coupons. Wer seine Berechtigung nachweist, für den wird die bereitgestellte Einkaufssumme freigeschaltet. „An dieser Entwicklung ist maßgeblich ein deutsches Unternehmen beteiligt“, weiß Hartmann.
Und genau solche Informationen sind für den Vermögensverwalter interessant: „Im Endeffekt beurteilen wir Geschäftsmodelle und deren Zukunftsfähigkeit – und da sind Produkte auf Blockchain-Basis ein zusätzlicher Indikator“, ist Hartmann überzeugt.
„Bei derart vielen Währungen wird nicht jede
überleben“
ficon Börsebius Invest