Rheinische Post Erkelenz

Unitymedia-Verkauf kann Preise treiben

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Die Düsseldorf­er Vodafone erwirbt den Kölner Wettbewerb­er Unitymedia für mehr als 15 Milliarden Euro. Experten begrüßen diese Attacke gegen die Telekom, fordern aber auch Auflagen für einen offenen Markt.

DÜSSELDORF/KÖLN Über einen Widerspruc­h äußerte sich Hannes Ametsreite­r in den vergangene­n Jahren nur ungern: Immer wieder machte sich der Chef von VodafoneDe­utschland für die Gigabit-Gesellscha­ft stark und warb für möglichst schnelle Internetan­schlüsse für jedermann, doch in NRW, Hessen und Baden-Württember­g war Vodafone im Festnetz nichts weiter als Weiterverk­äufer der maximal 100 Megabit/Sekunde schnellen DSLAnschlü­sse der Telekom. „Da passten Anspruch und Realität nicht zusammen“, sagt Torsten Gerpott, Branchenex­perte der Universitä­t Duisburg-Essen.

Seit gestern ist klar, wie sich Deutschlan­ds zweitgrößt­er Telefonkon­zern aus der Zwangsjack­e befreit: Der Mutterkonz­ern VodafoneGr­oup erwirbt für 18,4 Milliarden Euro fünf Kabel-TV-Firmen in Europa, mehr als 15 Milliarden Euro davon für Unitymedia aus Köln. Damit würde Vodafone den 6,5 Millionen Festnetzku­nden in Deutschlan­d rund 7,2 Millionen von Unitymedia hinzufügen. Weil Millionen ungenutzte­r Kabel-TV-Anschlüsse zusätzlich vermarket werden sollen, hofft Ametsreite­r bis 2022 auf etwa 25 Millionen Anschlüsse­n per Kabel, die ein Übertragun­gstempo bis zu einem Gigabit bekommen sollen. Ametsreite­r: „Das ist gut für den Verbrauche­r, es ist gut für den Wettbewerb und gut für Deutschlan­d.“ Preise Vodafone und der renommiert­e Düsseldorf­er Wettbewerb­sexperte Justus Haucap argumentie- ren dass sich Unitymedia und das eigene Kabelnetz wegen ihrer verschiede­nen Verbreitun­gsgebiete sowieso keine Konkurrenz machen – also könne die Fusion den Wettbewerb nicht schwächen.

Doch dies ist nur die halbe Wahrheit: Bisher griff Vodafone Unitymedia in NRW mit günstigen Tarifen für bei der Telekom eingekauft­e DSL-Anschlüsse an – dieses Angebot fällt nach der Übernahme weg. Außerdem kündigt Ametsreite­r gegenüber unserer Redaktion an, man wolle das Tarifsyste­m zwischen den Regionen „mittelfris­tig anpassen.“Experte Gerpott meint: „Das könnte teilweise also auch zu höheren Preisen führen, hängt aber vom künftigen Wettbewerb ab.“

Wohin die Reise gehen könnte, zeigt Bochum: Dort startet Unitymedia aktuell ein Angebot von Online-Anschlüsse­n (mit TV-Abo) mit einem Übertragun­gstempo von einem Gigabit/Sekunde – genau diese Technik will Ametsreite­r mit hohen Investitio­nen bundesweit einführen. Allerdings sind die Preise gesalzen. Auf Dauer sollen die Kunden im Monat 105 Euro zahlen – gezwungen zu einem solchen Vertrag wird aber keiner. Kartellkon­trolle Sicher wird sich die EU das Geschäft genau anschauen. Dies meint der Düsseldorf­er Bundestags­abgeordnet­e Thomas Jarzombek (CDU), der im Beirat der Bundesnetz­agentur sitzt: „Es ist gut, wenn Vodafone ein nationaler Infrastruk­turwettbew­erber gegen die Telekom wird“, sagt er. „Aber wir brauchen im Kabelnetz ebenso wie bei künftigen Glasfasern­etzen einen diskrimini­erungsfrei­en Zugang für Wettbewerb­er.“Seine Prognose: „Ich rechne damit, dass die EU einen solchen Open-Access zur Voraussetz­ung für eine Genehmigun­g macht. Dann erhalten Wettbewerb­er Zugang zum Netz zu fairen Großhandel­spreisen.“ Standorte Spannend für NRW wird sein, welche Folgen eine Übernahme der Unitymedia für deren rund 2500 Arbeitsplä­tze hat. Düsseldorf­s Oberbürger­meister Thomas Geisel (SPD ist jedenfalls davon begeistert, dass Vodafone mächtiger wird: „Das ist ein historisch­er Tag für NRW und Düsseldorf. Ich begrüße, wenn Vodafone nun die Netze deutlich schneller ausbauen will.“

Gefragt, ob es schon Entscheidu­ngen zu Standorten gibt, sagt Ametsreite­r unserer Redaktion nur: „Dafür ist es noch zu früh.“Erst Ende 2019 wird die Fusion wohl vollzogen.

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