Die politische Situation war beim Türkei-Besuch kein Thema
HÜCKELHOVEN Elf Stunden waren sie unterwegs. Kurzer Zwischenstopp am Flughafen Istanbul, dann ein weiterer Flug, der die fünf Schüler, begleitet von ihren Lehrern Wolfgang Roth und Patrick Jucha, in die Provinz Samsun brachte.
In Vezirköprü, einer Stadt, deren Einwohnerzahl sie mit Erkelenz vergleichen, wurde das Quintett vom Hückelhovener Gymnasium in türkischen Gastfamilien untergebracht. An die sieben Tage im April in dem fremden Land, ermöglicht durch das Förderprogramm Erasmus Plus, erinnern sich die Neuntund Zehntklässler gern zurück.
Vieles war anders. „Abends waren wir oft mit dem Gastvater unterwegs“, berichtet Jan Kroppach (14). Sofia Fluhr (16) fielen die zahlreichen öffentlichen Parkanlagen auf, in denen sich die Einheimischen zum Picknick oder gemeinsamen Grillen trafen und auf Decken oder an langen Tischen Platz nahmen.
„Fluch und Segen moderner Technologien“– so lautete das Projektthema des Erasmus-Programms, an dem auch Schüler aus Spanien, den Niederlanden, Rumänien, Tschechien sowie Italien teilnahmen. Mit vielen Jugendlichen stehen die Gymnasiasten aus der ehemaligen Zechenstadt immer noch in Kontakt. „Wir haben eine WhatsApp-Gruppe“, erklärt die 16jährige Hanne Hemsing.
Die Gastfamilien lebten in Hochhaus-Apartments. Der Ruf des Muezzins weckte Sofia Fluhr morgens. Sofia erzählt von der großen, hell eingerichteten Wohnung mit den vier Schlafzimmern und zwei Wohnzimmern.
Dass die 14-Jährige Ayana Steffan-Schenk überzeugte Vegetarierin ist, hatte sie der Tochter ihrer Gastfamilie rechtzeitig mitgeteilt. „Leider hatte sie dann ihren Eltern nichts gesagt.“Ein Ernährungs-Problem gab es trotzdem nicht. „Es gab immer so viel zu essen“, lacht Ayana. Die Zeit verging viel zu schnell. „Wir hatten gar keine Zeit für Heimweh oder um unsere Familien zu vermissen“, schmunzelt Hanne Hemsing. Bereits seit acht Jahren pflegt das Hückelhovener Gymnasium einen engen Kontakt zur Schule „Köprülüler Anadolu Lisesi“in Vezirköprü. Sprachbarrieren gibt es kaum. Nur Dilara Akbulut (16) spricht fließend Türkisch, Hanne Hemsing ein bisschen. Jan Kroppach gar nicht – er nutzte den Google-Übersetzer auf seinem Smartphone.
Pommes frites und Suppe zum Frühstück fand die weit gereiste Schülergruppe etwas gewöhnungsbedürftig. Das große kulturelle wie sportliche Angebot hat ihnen sehr gut gefallen. Das städtische Kulturzentrum, das rund um die Uhr offen stand. Die Oper, die die internationalen Gäste zu einer Ballett-Aufführung einlud. Die frei zugänglichen Sportplätze, auf denen die Bälle lagen, ohne dass ein Freizeitsportler auf die Idee gekommen wäre, einfach einen davon mitzunehmen. Auch in den Pausen werde auf den Schulhöfen sehr viel Sport betrieben, zum Beispiel Fußball, Basketball oder Volleyball, sagt Jan Kroppach begeistert. Hanne Hemsing fand es schön, mit der Gastfamilie in einem der zahlreichen Cafés gemeinsam zu Abend zu essen, Dilara Akbuluts Gastgeber verbrachten gemütliche Stunden mit ihr in den eigenen vier Wänden.
Die politische Situation in der Türkei war für die Gäste aus Hückelhoven kein Thema. Lehrer Wolfgang Roth hatte angeraten, besser nicht in der Öffentlichkeit über Politik zu reden. Abhalten von der Türkei-Reise habe sich eine tschechische Teilnehmerin lassen – wegen des Bürgerkriegs in Syrien. Die Landesgrenze sei aber rund 1000 Kilometer entfernt, macht Roth deutlich.
Der Gegenbesuch aus der türkischen Provinz Samsun steht in einem Jahr an. Im Mai 2019 wird eine Abordnung das Hückelhovener Gymnasium besuchen und ebenfalls in Gastfamilien leben.